Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung.

Mit den Mediceern kam die Liebe zu den Antiken nach
Rom und auf den päpstlichen Stuhl. Die Vorhallen der
Cardinäle füllten sich mit Statuen, Julius II. ließ nach Kunst¬
werken graben; man faßte selbst mit Rafael's Beirath den
großartigen Plan, ganz Rom wieder aufzudecken und die Stadt
wie ein großes Museum des Alterthums wieder herzustellen.
Das Capitol wurde durch Michel Angelo ganz in antikem
Sinne umgestaltet.

Indessen erfolgten auch in Rom noch manche Rückschläge
und immer tauchte die Vorstellung wieder auf, als sei die
alte Welt eine von Gott verlassene, von Dämonen erfüllte ge¬
wesen und deshalb jede Berührung mit ihr gefährlich. Erst
mit Anfang des vorigen Jahrhunderts war dieser Standpunkt
überwunden, und nachdem die früheren Päpste noch mehr als
Edelleute gesammelt hatten, wurde es jetzt Staatsprincip, den
Stuhl Petri mit einer glänzenden Auswahl von Antiken zu
umgeben; es wurde Ehrensache Kunstmuseen zu gründen. Cle¬
mens XII. und Benedict XIV. stifteten das Capitolinische Mu¬
seum, Clemens und Pius VI. das Pio-Clementinum, und wie
Augustus sein Palatium mit hellenischen Werken geschmückt
hatte, so hielten die hellenischen Götter jetzt ihren Einzug in
die Prachträume des Vatikans.

Diese wichtige Epoche in der Geschichte der Museen war
dadurch hervorgerufen, daß die Päpste in der Liebe zur Kunst,
welche Rom vor allen Städten der Welt auszeichnete, hinter
den römischen Familien nicht zurückbleiben durften. Antiken¬
besitz war der Stolz des hohen Adels, der Hauptschmuck aller
Paläste und Villen, von denen so manche ihren ganzen Ruhm
den Meisterwerken danken, mit denen ihr Name auf immer
verbunden ist. Es war die Zeit des Alessandro Albani, der
für Clemens die Alterthümer zusammengebracht hatte, die den
Stamm des Capitolinischen Museums bilden; es war das Zeit¬
alter Winckelmann's. Der reiche Römer kannte keine größere
Befriedigung, als wenn er nach der Mahlzeit seinen Gästen
neue Erwerbungen oder Aufstellungen zeigen konnte; neue Funde
bildeten das Tagesgespräch der vornehmen Welt. Man er¬

Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.

Mit den Mediceern kam die Liebe zu den Antiken nach
Rom und auf den päpſtlichen Stuhl. Die Vorhallen der
Cardinäle füllten ſich mit Statuen, Julius II. ließ nach Kunſt¬
werken graben; man faßte ſelbſt mit Rafael's Beirath den
großartigen Plan, ganz Rom wieder aufzudecken und die Stadt
wie ein großes Muſeum des Alterthums wieder herzuſtellen.
Das Capitol wurde durch Michel Angelo ganz in antikem
Sinne umgeſtaltet.

Indeſſen erfolgten auch in Rom noch manche Rückſchläge
und immer tauchte die Vorſtellung wieder auf, als ſei die
alte Welt eine von Gott verlaſſene, von Dämonen erfüllte ge¬
weſen und deshalb jede Berührung mit ihr gefährlich. Erſt
mit Anfang des vorigen Jahrhunderts war dieſer Standpunkt
überwunden, und nachdem die früheren Päpſte noch mehr als
Edelleute geſammelt hatten, wurde es jetzt Staatsprincip, den
Stuhl Petri mit einer glänzenden Auswahl von Antiken zu
umgeben; es wurde Ehrenſache Kunſtmuſeen zu gründen. Cle¬
mens XII. und Benedict XIV. ſtifteten das Capitoliniſche Mu¬
ſeum, Clemens und Pius VI. das Pio-Clementinum, und wie
Auguſtus ſein Palatium mit helleniſchen Werken geſchmückt
hatte, ſo hielten die helleniſchen Götter jetzt ihren Einzug in
die Prachträume des Vatikans.

Dieſe wichtige Epoche in der Geſchichte der Muſeen war
dadurch hervorgerufen, daß die Päpſte in der Liebe zur Kunſt,
welche Rom vor allen Städten der Welt auszeichnete, hinter
den römiſchen Familien nicht zurückbleiben durften. Antiken¬
beſitz war der Stolz des hohen Adels, der Hauptſchmuck aller
Paläſte und Villen, von denen ſo manche ihren ganzen Ruhm
den Meiſterwerken danken, mit denen ihr Name auf immer
verbunden iſt. Es war die Zeit des Aleſſandro Albani, der
für Clemens die Alterthümer zuſammengebracht hatte, die den
Stamm des Capitoliniſchen Muſeums bilden; es war das Zeit¬
alter Winckelmann's. Der reiche Römer kannte keine größere
Befriedigung, als wenn er nach der Mahlzeit ſeinen Gäſten
neue Erwerbungen oder Aufſtellungen zeigen konnte; neue Funde
bildeten das Tagesgeſpräch der vornehmen Welt. Man er¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0123" n="107"/>
        <fw place="top" type="header">Kun&#x017F;t&#x017F;ammlungen, ihre Ge&#x017F;chichte und ihre Be&#x017F;timmung.<lb/></fw>
        <p>Mit den Mediceern kam die Liebe zu den Antiken nach<lb/>
Rom und auf den päp&#x017F;tlichen Stuhl. Die Vorhallen der<lb/>
Cardinäle füllten &#x017F;ich mit Statuen, Julius <hi rendition="#aq">II</hi>. ließ nach Kun&#x017F;<lb/>
werken graben; man faßte &#x017F;elb&#x017F;t mit Rafael's Beirath den<lb/>
großartigen Plan, ganz Rom wieder aufzudecken und die Stadt<lb/>
wie ein großes Mu&#x017F;eum des Alterthums wieder herzu&#x017F;tellen.<lb/>
Das Capitol wurde durch Michel Angelo ganz in antikem<lb/>
Sinne umge&#x017F;taltet.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en erfolgten auch in Rom noch manche Rück&#x017F;chläge<lb/>
und immer tauchte die Vor&#x017F;tellung wieder auf, als &#x017F;ei die<lb/>
alte Welt eine von Gott verla&#x017F;&#x017F;ene, von Dämonen erfüllte ge¬<lb/>
we&#x017F;en und deshalb jede Berührung mit ihr gefährlich. Er&#x017F;t<lb/>
mit Anfang des vorigen Jahrhunderts war die&#x017F;er Standpunkt<lb/>
überwunden, und nachdem die früheren Päp&#x017F;te noch mehr als<lb/>
Edelleute ge&#x017F;ammelt hatten, wurde es jetzt Staatsprincip, den<lb/>
Stuhl Petri mit einer glänzenden Auswahl von Antiken zu<lb/>
umgeben; es wurde Ehren&#x017F;ache Kun&#x017F;tmu&#x017F;een zu gründen. Cle¬<lb/>
mens <hi rendition="#aq">XII</hi>. und Benedict <hi rendition="#aq">XIV</hi>. &#x017F;tifteten das Capitolini&#x017F;che Mu¬<lb/>
&#x017F;eum, Clemens und Pius <hi rendition="#aq">VI</hi>. das Pio-Clementinum, und wie<lb/>
Augu&#x017F;tus &#x017F;ein Palatium mit helleni&#x017F;chen Werken ge&#x017F;chmückt<lb/>
hatte, &#x017F;o hielten die helleni&#x017F;chen Götter jetzt ihren Einzug in<lb/>
die Prachträume des Vatikans.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e wichtige Epoche in der Ge&#x017F;chichte der Mu&#x017F;een war<lb/>
dadurch hervorgerufen, daß die Päp&#x017F;te in der Liebe zur Kun&#x017F;t,<lb/>
welche Rom vor allen Städten der Welt auszeichnete, hinter<lb/>
den römi&#x017F;chen Familien nicht zurückbleiben durften. Antiken¬<lb/>
be&#x017F;itz war der Stolz des hohen Adels, der Haupt&#x017F;chmuck aller<lb/>
Palä&#x017F;te und Villen, von denen &#x017F;o manche ihren ganzen Ruhm<lb/>
den Mei&#x017F;terwerken danken, mit denen ihr Name auf immer<lb/>
verbunden i&#x017F;t. Es war die Zeit des Ale&#x017F;&#x017F;andro Albani, der<lb/>
für Clemens die Alterthümer zu&#x017F;ammengebracht hatte, die den<lb/>
Stamm des Capitolini&#x017F;chen Mu&#x017F;eums bilden; es war das Zeit¬<lb/>
alter Winckelmann's. Der reiche Römer kannte keine größere<lb/>
Befriedigung, als wenn er nach der Mahlzeit &#x017F;einen Gä&#x017F;ten<lb/>
neue Erwerbungen oder Auf&#x017F;tellungen zeigen konnte; neue Funde<lb/>
bildeten das Tagesge&#x017F;präch der vornehmen Welt. Man er¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0123] Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung. Mit den Mediceern kam die Liebe zu den Antiken nach Rom und auf den päpſtlichen Stuhl. Die Vorhallen der Cardinäle füllten ſich mit Statuen, Julius II. ließ nach Kunſt¬ werken graben; man faßte ſelbſt mit Rafael's Beirath den großartigen Plan, ganz Rom wieder aufzudecken und die Stadt wie ein großes Muſeum des Alterthums wieder herzuſtellen. Das Capitol wurde durch Michel Angelo ganz in antikem Sinne umgeſtaltet. Indeſſen erfolgten auch in Rom noch manche Rückſchläge und immer tauchte die Vorſtellung wieder auf, als ſei die alte Welt eine von Gott verlaſſene, von Dämonen erfüllte ge¬ weſen und deshalb jede Berührung mit ihr gefährlich. Erſt mit Anfang des vorigen Jahrhunderts war dieſer Standpunkt überwunden, und nachdem die früheren Päpſte noch mehr als Edelleute geſammelt hatten, wurde es jetzt Staatsprincip, den Stuhl Petri mit einer glänzenden Auswahl von Antiken zu umgeben; es wurde Ehrenſache Kunſtmuſeen zu gründen. Cle¬ mens XII. und Benedict XIV. ſtifteten das Capitoliniſche Mu¬ ſeum, Clemens und Pius VI. das Pio-Clementinum, und wie Auguſtus ſein Palatium mit helleniſchen Werken geſchmückt hatte, ſo hielten die helleniſchen Götter jetzt ihren Einzug in die Prachträume des Vatikans. Dieſe wichtige Epoche in der Geſchichte der Muſeen war dadurch hervorgerufen, daß die Päpſte in der Liebe zur Kunſt, welche Rom vor allen Städten der Welt auszeichnete, hinter den römiſchen Familien nicht zurückbleiben durften. Antiken¬ beſitz war der Stolz des hohen Adels, der Hauptſchmuck aller Paläſte und Villen, von denen ſo manche ihren ganzen Ruhm den Meiſterwerken danken, mit denen ihr Name auf immer verbunden iſt. Es war die Zeit des Aleſſandro Albani, der für Clemens die Alterthümer zuſammengebracht hatte, die den Stamm des Capitoliniſchen Muſeums bilden; es war das Zeit¬ alter Winckelmann's. Der reiche Römer kannte keine größere Befriedigung, als wenn er nach der Mahlzeit ſeinen Gäſten neue Erwerbungen oder Aufſtellungen zeigen konnte; neue Funde bildeten das Tagesgeſpräch der vornehmen Welt. Man er¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/123
Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/123>, abgerufen am 29.11.2024.