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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung.
Staatseigenthum zu machen, als sie in den Landhäusern
reicher Privatleute zu vergraben. Julius Cäsar war es, der
auch hier den richtigen Weg gewiesen hatte. Auf seinen Rath
hatte Asinius Pollio seine reiche Antikensammlung dem Pu¬
blikum zur Benutzung geöffnet. Das war in gewissem Sinne
das erste europäische Museum, insofern es ein nicht geweihter
Raum war, in welchem mit Auswahl und passender Anord¬
nung eine Reihe von Kunstwerken aufgestellt war, mit der
Bestimmung zur allgemeinen Bildung beizutragen.

Was die spätern Kaiser für Kunstsammlungen thaten, war
eine schmähliche Entartung des von Cäsar Begonnenen; keine
Siegesdenkmäler, keine frommen Stiftungen, sondern eine ge¬
waltthätige Ausplünderung der unerschöpflichen Vorraths¬
kammern von Hellas. Elende Freigelassene zogen als fürst¬
liche Commissarien aus, um Alles, was des Mitnehmens
würdig schien, mitzunehmen. Allein aus Delphi wurden 500
Erzbilder weggeschleppt.

Hadrian gab dem Hellenismus der Cäsaren eine neue
Richtung; er ließ das Sehenswürdigste von dem, was er an
Gebäuden und Kunstwerken auf seinen achtzehnjährigen Reisen
durch die klassischen Länder gesehen hatte, in seiner Villa auf
das Genaueste nachbilden. Man sollte die Denkmäler des
Alterthums in ihrer ursprünglichen Umgebung und Gruppirung
sehn; es waren ähnliche Gesichtspunkte, wie sie neuerdings bei
Gründung des Krystallpalastes maßgebend gewesen sind, aber
man ging viel weiter, indem man die berühmtesten Hallen in
Athen und Delphi, ja selbst das thessalische Tempethal am
Fuße des Sabinergebirges herstellte. Es war eine in das
Spielende ausartende Schwärmerei für das Antike.

Als nun am Bosporus ein neues Rom emporstieg, da
bedurfte es zu seiner Legitimation einer gleichen Ausstattung,
wie die alte Siebenhügelstadt, und nun wandte sich der Zug
griechischer Kunstwerke, welcher seit fünf Jahrhunderten nach
Westen gegangen war, wieder gegen Osten. Auf dem einen
Platze des Hippodroms wurden sechzig der aus Rom ent¬
führten Bildwerke aufgestellt. Eben so mußte Antiocheia einen

Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
Staatseigenthum zu machen, als ſie in den Landhäuſern
reicher Privatleute zu vergraben. Julius Cäſar war es, der
auch hier den richtigen Weg gewieſen hatte. Auf ſeinen Rath
hatte Aſinius Pollio ſeine reiche Antikenſammlung dem Pu¬
blikum zur Benutzung geöffnet. Das war in gewiſſem Sinne
das erſte europäiſche Muſeum, inſofern es ein nicht geweihter
Raum war, in welchem mit Auswahl und paſſender Anord¬
nung eine Reihe von Kunſtwerken aufgeſtellt war, mit der
Beſtimmung zur allgemeinen Bildung beizutragen.

Was die ſpätern Kaiſer für Kunſtſammlungen thaten, war
eine ſchmähliche Entartung des von Cäſar Begonnenen; keine
Siegesdenkmäler, keine frommen Stiftungen, ſondern eine ge¬
waltthätige Ausplünderung der unerſchöpflichen Vorraths¬
kammern von Hellas. Elende Freigelaſſene zogen als fürſt¬
liche Commiſſarien aus, um Alles, was des Mitnehmens
würdig ſchien, mitzunehmen. Allein aus Delphi wurden 500
Erzbilder weggeſchleppt.

Hadrian gab dem Hellenismus der Cäſaren eine neue
Richtung; er ließ das Sehenswürdigſte von dem, was er an
Gebäuden und Kunſtwerken auf ſeinen achtzehnjährigen Reiſen
durch die klaſſiſchen Länder geſehen hatte, in ſeiner Villa auf
das Genaueſte nachbilden. Man ſollte die Denkmäler des
Alterthums in ihrer urſprünglichen Umgebung und Gruppirung
ſehn; es waren ähnliche Geſichtspunkte, wie ſie neuerdings bei
Gründung des Kryſtallpalaſtes maßgebend geweſen ſind, aber
man ging viel weiter, indem man die berühmteſten Hallen in
Athen und Delphi, ja ſelbſt das theſſaliſche Tempethal am
Fuße des Sabinergebirges herſtellte. Es war eine in das
Spielende ausartende Schwärmerei für das Antike.

Als nun am Boſporus ein neues Rom emporſtieg, da
bedurfte es zu ſeiner Legitimation einer gleichen Ausſtattung,
wie die alte Siebenhügelſtadt, und nun wandte ſich der Zug
griechiſcher Kunſtwerke, welcher ſeit fünf Jahrhunderten nach
Weſten gegangen war, wieder gegen Oſten. Auf dem einen
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[104/0120] Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung. Staatseigenthum zu machen, als ſie in den Landhäuſern reicher Privatleute zu vergraben. Julius Cäſar war es, der auch hier den richtigen Weg gewieſen hatte. Auf ſeinen Rath hatte Aſinius Pollio ſeine reiche Antikenſammlung dem Pu¬ blikum zur Benutzung geöffnet. Das war in gewiſſem Sinne das erſte europäiſche Muſeum, inſofern es ein nicht geweihter Raum war, in welchem mit Auswahl und paſſender Anord¬ nung eine Reihe von Kunſtwerken aufgeſtellt war, mit der Beſtimmung zur allgemeinen Bildung beizutragen. Was die ſpätern Kaiſer für Kunſtſammlungen thaten, war eine ſchmähliche Entartung des von Cäſar Begonnenen; keine Siegesdenkmäler, keine frommen Stiftungen, ſondern eine ge¬ waltthätige Ausplünderung der unerſchöpflichen Vorraths¬ kammern von Hellas. Elende Freigelaſſene zogen als fürſt¬ liche Commiſſarien aus, um Alles, was des Mitnehmens würdig ſchien, mitzunehmen. Allein aus Delphi wurden 500 Erzbilder weggeſchleppt. Hadrian gab dem Hellenismus der Cäſaren eine neue Richtung; er ließ das Sehenswürdigſte von dem, was er an Gebäuden und Kunſtwerken auf ſeinen achtzehnjährigen Reiſen durch die klaſſiſchen Länder geſehen hatte, in ſeiner Villa auf das Genaueſte nachbilden. Man ſollte die Denkmäler des Alterthums in ihrer urſprünglichen Umgebung und Gruppirung ſehn; es waren ähnliche Geſichtspunkte, wie ſie neuerdings bei Gründung des Kryſtallpalaſtes maßgebend geweſen ſind, aber man ging viel weiter, indem man die berühmteſten Hallen in Athen und Delphi, ja ſelbſt das theſſaliſche Tempethal am Fuße des Sabinergebirges herſtellte. Es war eine in das Spielende ausartende Schwärmerei für das Antike. Als nun am Boſporus ein neues Rom emporſtieg, da bedurfte es zu ſeiner Legitimation einer gleichen Ausſtattung, wie die alte Siebenhügelſtadt, und nun wandte ſich der Zug griechiſcher Kunſtwerke, welcher ſeit fünf Jahrhunderten nach Weſten gegangen war, wieder gegen Oſten. Auf dem einen Platze des Hippodroms wurden ſechzig der aus Rom ent¬ führten Bildwerke aufgeſtellt. Eben ſo mußte Antiocheia einen

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/120>, abgerufen am 29.11.2024.