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Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648.

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Vber den Propheten Haggai.
Asche legen/ selte wiederumb auff geführet werden/ welches solte
seyn ein Meisterstück/ und gleichsam ein Wunderwerck der Welt.
Darzu gehörete ein trefflicher Fleiß/ da muste man nicht die Hände
in den Schoß legen/ sondern dis Werck getrost angreiffen. Leicht
hetten etzliche gedencken können/ die Leute weren zu schwach/ und ver-
möchten nicht eine so gar sawre Arbeit auszustehen.

Einwenden hetten sie können/ 2. Sumtuum pluralitatem;
Die grossen Kosten/ derer man hierzu bedürfftig w[ar]. Denn
es mache einer nur die Rechnung/ was heutiges Tages zur Auff-
bawung eines kleinen Kirchleins erfodert wird/ so wird er spüren/
daß auff den Tempel-Baw zu Jerusalem sehr viel muß gegangen
seyn. Gar selten ist eine Gemeine/ die offt in vier fünff/ oder sechs
(wo nicht mehr) Dorffschafften bestehet/ des Vermögens/ daß sie
ihre abgebrante/ oder sonst eingegangent Kirche/ auff ihren eigenen
Beutel wiederumb kan repariren und auffbawen: gemeiniglich wer-
den hie und dort (wol gar in etzlichen Ländern) Allmosen darzu ge-
samlet. Nun war zwar denen Jüden statlicher Vorschub gethan
worden/ aber es scheinete doch für Menschen Augen ungewiß zu
seyn/ ob das jenige/ was man in Händen hatte/ würde anreichen und
gnug seyn.

Sie hetten 3. können anführen operis periculositatem; die
Gefährligkeit dieses Wercks.
Denn es war unvergessen/ wie
es zuvor hergegangen/ und was man deßwegen wider die Jüden
tentiret hatte. Es scheinete/ als stünden sie noch weiter in Gefahr/
in dem es leichte könte kommen/ daß sie anderweit Feinde kriegten/
die ihnen/ wegen dieses Vorhabens/ allen Dampff anlegeten. Aber
sie verstunden hierbey woll daß es übel würde geklappet haben/ wenn
sie hierauff sich hetten beruffen wollen; denn da w[e]re ihnen alsbald
damit zu begegnen gewest/ daß man umb Gottes willen der keines
sparen/ oder schewen solte/ darumb griffen sie es nack-dem Dü[n]ckel
ihrer Vernunfft etwas klüger an; schieben demnach alles auff die
Zeit/ und also auff Gottes Fürsehung. Die Meinung ihter Wort
ist diese; Wir gestehen zwar gerne/ daß es zu des Gottesdiensts

Be-
E 2

Vber den Propheten Haggai.
Aſche legen/ ſelte wiederumb auff gefuͤhret werden/ welches ſolte
ſeyn ein Meiſterſtuͤck/ und gleichſam ein Wunderwerck der Welt.
Darzu gehoͤrete ein trefflicher Fleiß/ da muſte man nicht die Haͤnde
in den Schoß legen/ ſondern dis Werck getroſt angreiffen. Leicht
hetten etzliche gedencken koͤnnen/ die Leute weren zu ſchwach/ und ver-
moͤchten nicht eine ſo gar ſawre Arbeit auszuſtehen.

Einwenden hetten ſie koͤnnen/ 2. Sumtuum pluralitatem;
Die groſſen Koſten/ derer man hierzu beduͤrfftig w[ar]. Denn
es mache einer nur die Rechnung/ was heutiges Tages zur Auff-
bawung eines kleinen Kirchleins erfodert wird/ ſo wird er ſpuͤren/
daß auff den Tempel-Baw zu Jeruſalem ſehr viel muß gegangen
ſeyn. Gar ſelten iſt eine Gemeine/ die offt in vier fuͤnff/ oder ſechs
(wo nicht mehr) Dorffſchafften beſtehet/ des Vermoͤgens/ daß ſie
ihre abgebrante/ oder ſonſt eingegangent Kirche/ auff ihren eigenen
Beutel wiederumb kan repariren und auffbawen: gemeiniglich wer-
den hie und dort (wol gar in etzlichen Ländern) Allmoſen darzu ge-
ſamlet. Nun war zwar denen Juͤden ſtatlicher Vorſchub gethan
worden/ aber es ſcheinete doch fuͤr Menſchen Augen ungewiß zu
ſeyn/ ob das jenige/ was man in Haͤnden hatte/ wuͤrde anreichen und
gnug ſeyn.

Sie hetten 3. koͤnnen anfuͤhren operis periculoſitatem; die
Gefaͤhrligkeit dieſes Wercks.
Denn es war unvergeſſen/ wie
es zuvor hergegangen/ und was man deßwegen wider die Juͤden
tentiret hatte. Es ſcheinete/ als ſtuͤnden ſie noch weiter in Gefahr/
in dem es leichte koͤnte kommen/ daß ſie anderweit Feinde kriegten/
die ihnen/ wegen dieſes Vorhabens/ allen Dampff anlegeten. Aber
ſie verſtunden hierbey woll daß es uͤbel wuͤrde geklappet haben/ wenn
ſie hierauff ſich hetten beruffen wollen; denn da w[e]re ihnen alsbald
damit zu begegnen geweſt/ daß man umb Gottes willen der keines
ſparen/ oder ſchewen ſolte/ darumb griffen ſie es nack-dem Duͤ[n]ckel
ihrer Vernunfft etwas kluͤger an; ſchieben demnach alles auff die
Zeit/ und alſo auff Gottes Fuͤrſehung. Die Meinung ihter Wort
iſt dieſe; Wir geſtehen zwar gerne/ daß es zu des Gottesdienſts

Be-
E 2
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[35/0055] Vber den Propheten Haggai. Aſche legen/ ſelte wiederumb auff gefuͤhret werden/ welches ſolte ſeyn ein Meiſterſtuͤck/ und gleichſam ein Wunderwerck der Welt. Darzu gehoͤrete ein trefflicher Fleiß/ da muſte man nicht die Haͤnde in den Schoß legen/ ſondern dis Werck getroſt angreiffen. Leicht hetten etzliche gedencken koͤnnen/ die Leute weren zu ſchwach/ und ver- moͤchten nicht eine ſo gar ſawre Arbeit auszuſtehen. Einwenden hetten ſie koͤnnen/ 2. Sumtuum pluralitatem; Die groſſen Koſten/ derer man hierzu beduͤrfftig war. Denn es mache einer nur die Rechnung/ was heutiges Tages zur Auff- bawung eines kleinen Kirchleins erfodert wird/ ſo wird er ſpuͤren/ daß auff den Tempel-Baw zu Jeruſalem ſehr viel muß gegangen ſeyn. Gar ſelten iſt eine Gemeine/ die offt in vier fuͤnff/ oder ſechs (wo nicht mehr) Dorffſchafften beſtehet/ des Vermoͤgens/ daß ſie ihre abgebrante/ oder ſonſt eingegangent Kirche/ auff ihren eigenen Beutel wiederumb kan repariren und auffbawen: gemeiniglich wer- den hie und dort (wol gar in etzlichen Ländern) Allmoſen darzu ge- ſamlet. Nun war zwar denen Juͤden ſtatlicher Vorſchub gethan worden/ aber es ſcheinete doch fuͤr Menſchen Augen ungewiß zu ſeyn/ ob das jenige/ was man in Haͤnden hatte/ wuͤrde anreichen und gnug ſeyn. Sie hetten 3. koͤnnen anfuͤhren operis periculoſitatem; die Gefaͤhrligkeit dieſes Wercks. Denn es war unvergeſſen/ wie es zuvor hergegangen/ und was man deßwegen wider die Juͤden tentiret hatte. Es ſcheinete/ als ſtuͤnden ſie noch weiter in Gefahr/ in dem es leichte koͤnte kommen/ daß ſie anderweit Feinde kriegten/ die ihnen/ wegen dieſes Vorhabens/ allen Dampff anlegeten. Aber ſie verſtunden hierbey woll daß es uͤbel wuͤrde geklappet haben/ wenn ſie hierauff ſich hetten beruffen wollen; denn da were ihnen alsbald damit zu begegnen geweſt/ daß man umb Gottes willen der keines ſparen/ oder ſchewen ſolte/ darumb griffen ſie es nack-dem Duͤnckel ihrer Vernunfft etwas kluͤger an; ſchieben demnach alles auff die Zeit/ und alſo auff Gottes Fuͤrſehung. Die Meinung ihter Wort iſt dieſe; Wir geſtehen zwar gerne/ daß es zu des Gottesdienſts Be- E 2

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Zitationshilfe: Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648/55>, abgerufen am 22.11.2024.