Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648.Vber den Propheten Haggai. len führen. Fast auff diesen Schlag hat auch König Seleucusseine Gedancken geoffenbahret/ da er mit folgenden Worten sich heraus gelassen: Si novissent multi, quam sit operosum & mole- stum, tot duntaxat literas scribere, legereque, Diadema etiam ab- jectum ante pedes, ne sublevarent quidem: Wenn manche wüsten/ was es für eine grosse Mühe und Ar beit were/ auch nur so viel Brie- fe zuschreiben und zu lesen/ sie hüben die Krone nicht auff/ wenn sie ihnen für den Füssen lege. Dergleichen wird auch von dem Kö- nige Antigono erzehlet/ welcher/ als ein altes Weib seine Glückse- ligkeit hochrühmete und lobete/ also sprach: Si nosses, o Mater, quan- tis malis hic panniculus esset plenus (ostenso Diademate) ne in sterquilinio quidem jacentem tolleres. Das ist: O Mutter/ wenn du wüstest/ was in diesem Tüchlein (dadurch er die Crone andeutete) für groß Vbel und Beschwernüß steckete/ du w[un]rdest es nicht auff dem Miste auffheben. Solcher Vngelegenheit ward auch gewahr Phi[li]ppus König in Macedonien/ als er sein Lager an einen lusti- gen Orth schlagen wolte/ und ihm angezeiget ward/ daß des Orths keine Weyde/ oder Futter für die Roß und Thier were/ sprach er: O Hercules, cujusnam modi vita est nostra, siad asellorum com- moditatem & occasionem vivere cogimur. Das ist: O Hercules (er redet auff Heydnische Arth) was haben wir für ein Leben/ wenn wir also müssen leben/ wie es denen Eseln bequem und gelegen ist! Sehen wir uns in heiliger Schrifft umb/ so eräugen sich Exempel gnug/ durch welche diese Sache auch gnugsam wird klar gemachet. Moses war mit grosser Mühe beladen: wenn er sich satzte zurich- ten/ stund das Volck umb ihn her/ von Morgen an/ biß zu Abend/ Exod. 18. v. 13. Mit ihm haderte das Volck/ und sprachen:Exod. 18, 13. Ach daß wir umbkommen weren/ da unsere Brüder umb- kamen für dem HErrn! Warumb habt ihr die Gemeine des Herrn in diese Wüste bracht/ daß wir hie sterben mit unserm Vieh? Vnd warumb habt ihr uns aus Egypten ge- führet an diesen bösen Orth/ da man nicht seen kan/ da noch Fei- P p 3
Vber den Propheten Haggai. len fuͤhren. Faſt auff dieſen Schlag hat auch Koͤnig Seleucusſeine Gedancken geoffenbahret/ da er mit folgenden Worten ſich heraus gelaſſen: Si noviſſent multi, quàm ſit operoſum & mole- ſtum, tot duntaxat literas ſcribere, legereq́ue, Diadema etiam ab- jectum ante pedes, ne ſublevarent quidem: Wenn manche wuͤſten/ was es fuͤr eine groſſe Muͤhe und Ar beit were/ auch nur ſo viel Brie- fe zuſchreiben und zu leſen/ ſie hüben die Krone nicht auff/ wenn ſie ihnen für den Fuͤſſen lege. Dergleichen wird auch von dem Koͤ- nige Antigono erzehlet/ welcher/ als ein altes Weib ſeine Glückſe- ligkeit hochruͤhmete und lobete/ alſo ſprach: Si noſſes, ò Mater, quan- tis malis hic panniculus eſſet plenus (oſtenſo Diademate) ne in ſterquilinio quidem jacentem tolleres. Das iſt: O Mutter/ wenn du wuͤſteſt/ was in dieſem Tuͤchlein (dadurch er die Crone andeutete) fuͤr groß Vbel und Beſchwernuͤß ſteckete/ du w[ū]rdeſt es nicht auff dem Miſte auffheben. Solcher Vngelegenheit ward auch gewahr Phi[li]ppus Koͤnig in Macedonien/ als er ſein Lager an einen luſti- gen Orth ſchlagen wolte/ und ihm angezeiget ward/ daß des Orths keine Weyde/ oder Futter fuͤr die Roß und Thier were/ ſprach er: O Hercules, cujusnam modi vita eſt noſtra, ſiad aſellorum com- moditatem & occaſionem vivere cogimur. Das iſt: O Hercules (er redet auff Heydniſche Arth) was haben wir fuͤr ein Leben/ wenn wir alſo muͤſſen leben/ wie es denen Eſeln bequem und gelegen iſt! Sehen wir uns in heiliger Schrifft umb/ ſo eraͤugen ſich Exempel gnug/ durch welche dieſe Sache auch gnugſam wird klar gemachet. Moſes war mit groſſer Muͤhe beladen: wenn er ſich ſatzte zurich- ten/ ſtund das Volck umb ihn her/ von Morgen an/ biß zu Abend/ Exod. 18. v. 13. Mit ihm haderte das Volck/ und ſprachen:Exod. 18, 13. Ach daß wir umbkommen weren/ da unſere Bruͤder umb- kamen fuͤr dem HErrn! Warumb habt ihr die Gemeine des Herrn in dieſe Wuͤſte bracht/ daß wir hie ſterben mit unſerm Vieh? Vnd warumb habt ihr uns aus Egypten ge- fuͤhret an dieſen boͤſen Orth/ da man nicht ſeen kan/ da noch Fei- P p 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0321" n="301"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vber den Propheten Haggai.</hi></fw><lb/> len fuͤhren. Faſt auff dieſen Schlag hat auch Koͤnig <hi rendition="#aq">Seleucus</hi><lb/> ſeine Gedancken geoffenbahret/ da er mit folgenden Worten ſich<lb/> heraus gelaſſen: <hi rendition="#aq">Si noviſſent multi, quàm ſit operoſum & mole-<lb/> ſtum, tot duntaxat literas ſcribere, legereq́ue, Diadema etiam ab-<lb/> jectum ante pedes, ne ſublevarent quidem:</hi> Wenn manche wuͤſten/<lb/> was es fuͤr eine groſſe Muͤhe und Ar beit were/ auch nur ſo viel Brie-<lb/> fe zuſchreiben und zu leſen/ ſie hüben die Krone nicht auff/ wenn ſie<lb/> ihnen für den Fuͤſſen lege. Dergleichen wird auch von dem Koͤ-<lb/> nige <hi rendition="#aq">Antigono</hi> erzehlet/ welcher/ als ein altes Weib ſeine Glückſe-<lb/> ligkeit hochruͤhmete und lobete/ alſo ſprach: <hi rendition="#aq">Si noſſes, ò Mater, quan-<lb/> tis malis hic panniculus eſſet plenus (oſtenſo Diademate) ne in<lb/> ſterquilinio quidem jacentem tolleres.</hi> Das iſt: O Mutter/ wenn<lb/> du wuͤſteſt/ was in dieſem Tuͤchlein (dadurch er die Crone andeutete)<lb/> fuͤr groß Vbel und Beſchwernuͤß ſteckete/ du w<supplied>ū</supplied>rdeſt es nicht auff<lb/> dem Miſte auffheben. Solcher Vngelegenheit ward auch gewahr<lb/> Phi<supplied>li</supplied>ppus Koͤnig in Macedonien/ als er ſein Lager an einen luſti-<lb/> gen Orth ſchlagen wolte/ und ihm angezeiget ward/ daß des Orths<lb/> keine Weyde/ oder Futter fuͤr die Roß und Thier were/ ſprach er:<lb/><hi rendition="#aq">O Hercules, cujusnam modi vita eſt noſtra, ſiad aſellorum com-<lb/> moditatem & occaſionem vivere cogimur.</hi> Das iſt: <hi rendition="#aq">O Hercules</hi><lb/> (er redet auff Heydniſche Arth) was haben wir fuͤr ein Leben/ wenn<lb/> wir alſo muͤſſen leben/ wie es denen Eſeln bequem und gelegen iſt!<lb/> Sehen wir uns in heiliger Schrifft umb/ ſo eraͤugen ſich Exempel<lb/> gnug/ durch welche dieſe Sache auch gnugſam wird klar gemachet.<lb/><hi rendition="#fr">Moſes</hi> war mit groſſer Muͤhe beladen: <hi rendition="#fr">wenn er ſich ſatzte zurich-<lb/> ten/ ſtund das Volck umb ihn her/ von Morgen an/ biß zu<lb/> Abend/</hi> Exod. 18. v. 13. Mit ihm haderte das Volck/ und ſprachen:<note place="right"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Exod.</hi> 18, 13.</hi></note><lb/><hi rendition="#fr">Ach daß wir umbkommen weren/ da unſere Bruͤder umb-<lb/> kamen fuͤr dem HErrn! Warumb habt ihr die Gemeine<lb/> des <hi rendition="#k">He</hi>rrn in dieſe Wuͤſte bracht/ daß wir hie ſterben mit<lb/> unſerm Vieh? Vnd warumb habt ihr uns aus Egypten ge-<lb/> fuͤhret an dieſen boͤſen Orth/ da man nicht ſeen kan/ da noch</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">P p 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Fei-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [301/0321]
Vber den Propheten Haggai.
len fuͤhren. Faſt auff dieſen Schlag hat auch Koͤnig Seleucus
ſeine Gedancken geoffenbahret/ da er mit folgenden Worten ſich
heraus gelaſſen: Si noviſſent multi, quàm ſit operoſum & mole-
ſtum, tot duntaxat literas ſcribere, legereq́ue, Diadema etiam ab-
jectum ante pedes, ne ſublevarent quidem: Wenn manche wuͤſten/
was es fuͤr eine groſſe Muͤhe und Ar beit were/ auch nur ſo viel Brie-
fe zuſchreiben und zu leſen/ ſie hüben die Krone nicht auff/ wenn ſie
ihnen für den Fuͤſſen lege. Dergleichen wird auch von dem Koͤ-
nige Antigono erzehlet/ welcher/ als ein altes Weib ſeine Glückſe-
ligkeit hochruͤhmete und lobete/ alſo ſprach: Si noſſes, ò Mater, quan-
tis malis hic panniculus eſſet plenus (oſtenſo Diademate) ne in
ſterquilinio quidem jacentem tolleres. Das iſt: O Mutter/ wenn
du wuͤſteſt/ was in dieſem Tuͤchlein (dadurch er die Crone andeutete)
fuͤr groß Vbel und Beſchwernuͤß ſteckete/ du wūrdeſt es nicht auff
dem Miſte auffheben. Solcher Vngelegenheit ward auch gewahr
Philippus Koͤnig in Macedonien/ als er ſein Lager an einen luſti-
gen Orth ſchlagen wolte/ und ihm angezeiget ward/ daß des Orths
keine Weyde/ oder Futter fuͤr die Roß und Thier were/ ſprach er:
O Hercules, cujusnam modi vita eſt noſtra, ſiad aſellorum com-
moditatem & occaſionem vivere cogimur. Das iſt: O Hercules
(er redet auff Heydniſche Arth) was haben wir fuͤr ein Leben/ wenn
wir alſo muͤſſen leben/ wie es denen Eſeln bequem und gelegen iſt!
Sehen wir uns in heiliger Schrifft umb/ ſo eraͤugen ſich Exempel
gnug/ durch welche dieſe Sache auch gnugſam wird klar gemachet.
Moſes war mit groſſer Muͤhe beladen: wenn er ſich ſatzte zurich-
ten/ ſtund das Volck umb ihn her/ von Morgen an/ biß zu
Abend/ Exod. 18. v. 13. Mit ihm haderte das Volck/ und ſprachen:
Ach daß wir umbkommen weren/ da unſere Bruͤder umb-
kamen fuͤr dem HErrn! Warumb habt ihr die Gemeine
des Herrn in dieſe Wuͤſte bracht/ daß wir hie ſterben mit
unſerm Vieh? Vnd warumb habt ihr uns aus Egypten ge-
fuͤhret an dieſen boͤſen Orth/ da man nicht ſeen kan/ da noch
Fei-
Exod. 18, 13.
P p 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648/321 |
Zitationshilfe: | Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648/321>, abgerufen am 16.02.2025. |