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Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648.

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Die sechste Predigt/
das Werck recht angreiffen/ da ihnen doch solte genug seyn das
Ezech. 3, 19.Wort des Herrn/ Ezech. 3. v. 19. Dic, & liberasti animam
tuam;
Sage es/ warne den Gottlosen: Wenn derselbige
hernach sich gleich nicht bekehret von seinem Gottlosen We-
sen und Wege/ so hast du doch deine Seele errettet.
Erwe-
Sir. 10, 31. 32.gen solten sie auch den Meister-Spruch Sirachs/ Capit. 10. v. 31. 32.
Mein Kind/ in widerwertigkeit sey getrost/ und trotze auff
dein Ampt/ denn wer an seinem Ampte verzagt/ wer wil
dem helffen? Vnd wer wil den bey Ehren erhalten/ der
sein Ampt selber unehret?

Apologus.

Es ist bekant folgendes sinnreiches Geticht der Alten: Der
Löwe hatte viel Thiere zu sich in die Höle/ oder ia sein Loch und Woh-
nung erfodert/ darinnen es gantz übel roch/ und stuncke. Als er
nun den Wolff fragte/ wie es ihm gefiele in seinem Königlichen
Hause oder Zimmer/ sprach der Wolff: O es stincket übel hierin-
nen; da fuhr der Löwe zu/ und zureiß den Wolff. Darnach/ als
er den Esel fragte/ wie es ihm gefiele/ und der arme Esel sehr er-
schrocken war über des Wolfes Tode und Mord/ da wolt er aus
Furcht heucheln/ und sprach: Herr Königl es reucht wol allhier;
aber der Löwe fuhr über ihn her/ und zerreiß ihn gleichfals. Als er
nun den Fuchs auch fragte/ wie es ihm gefiele/ und wie es röche in
seiner Höle/ sprach er: König Löwe/ ich habe den Schnuppen be-
kommen/ kan nichts riechen; mir dieser Entschuldigung hat er sein
Leben errettet. Ach lieber Gott/ wie offt gehet es unter den Men-
schen also daher! Wie manche Prediger wollen nicht riechen/ wie es
in des Löwen Wohnungen so übel stincket! Es gehet zu/ wie es wol-
le/ so haben sie den Schnuppen/ und riechen nichts/ denn sie fürch-
ten sich für König Löwen/ und dencken/ sie möchten ihm zu nahe tre-
ten; damit erretten sie zwar ihr zeitliches Leben/ und kriegen etwa ei-
ne Hoffsuppe davon: Aber/ wie wird es dort werden/ und wie wol-
len sie an jenem Tage bestehen? O welch ein schweres Vrthel wird
über sie gesprochen werden! Ja/ das sonderlich zu beklagen/ man-
che fürchten sich fast gar für einem Popantze/ und wollen auch die

Deos

Die ſechſte Predigt/
das Werck recht angreiffen/ da ihnen doch ſolte genug ſeyn das
Ezech. 3, 19.Wort des Herrn/ Ezech. 3. v. 19. Dic, & liberâſti animam
tuam;
Sage es/ warne den Gottloſen: Wenn derſelbige
hernach ſich gleich nicht bekehret von ſeinem Gottloſen We-
ſen und Wege/ ſo haſt du doch deine Seele errettet.
Erwe-
Sir. 10, 31. 32.gen ſolten ſie auch den Meiſter-Spruch Sirachs/ Capit. 10. v. 31. 32.
Mein Kind/ in widerwertigkeit ſey getroſt/ und trotze auff
dein Ampt/ denn wer an ſeinem Ampte verzagt/ wer wil
dem helffen? Vnd wer wil den bey Ehren erhalten/ der
ſein Ampt ſelber unehret?

Apologus.

Es iſt bekant folgendes ſinnreiches Geticht der Alten: Der
Loͤwe hatte viel Thiere zu ſich in die Hoͤle/ oder ia ſein Loch und Woh-
nung erfodert/ darinnen es gantz uͤbel roch/ und ſtuncke. Als er
nun den Wolff fragte/ wie es ihm gefiele in ſeinem Koͤniglichen
Hauſe oder Zimmer/ ſprach der Wolff: O es ſtincket übel hierin-
nen; da fuhr der Loͤwe zu/ und zureiß den Wolff. Darnach/ als
er den Eſel fragte/ wie es ihm gefiele/ und der arme Eſel ſehr er-
ſchrocken war uͤber des Wolfes Tode und Mord/ da wolt er aus
Furcht heucheln/ und ſprach: Herr Koͤnigl es reucht wol allhier;
aber der Loͤwe fuhr uͤber ihn her/ und zerreiß ihn gleichfals. Als er
nun den Fuchs auch fragte/ wie es ihm gefiele/ und wie es roͤche in
ſeiner Hoͤle/ ſprach er: Koͤnig Loͤwe/ ich habe den Schnuppen be-
kommen/ kan nichts riechen; mir dieſer Entſchuldigung hat er ſein
Leben errettet. Ach lieber Gott/ wie offt gehet es unter den Men-
ſchen alſo daher! Wie manche Prediger wollen nicht riechen/ wie es
in des Loͤwen Wohnungen ſo uͤbel ſtincket! Es gehet zu/ wie es wol-
le/ ſo haben ſie den Schnuppen/ und riechen nichts/ denn ſie fuͤrch-
ten ſich fuͤr Koͤnig Loͤwen/ und dencken/ ſie moͤchten ihm zu nahe tre-
ten; damit erretten ſie zwar ihr zeitliches Leben/ und kriegen etwa ei-
ne Hoffſuppe davon: Aber/ wie wird es dort werden/ und wie wol-
len ſie an jenem Tage beſtehen? O welch ein ſchweres Vrthel wird
uͤber ſie geſprochen werden! Ja/ das ſonderlich zu beklagen/ man-
che fuͤrchten ſich faſt gar fuͤr einem Popantze/ und wollen auch die

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[106/0126] Die ſechſte Predigt/ das Werck recht angreiffen/ da ihnen doch ſolte genug ſeyn das Wort des Herrn/ Ezech. 3. v. 19. Dic, & liberâſti animam tuam; Sage es/ warne den Gottloſen: Wenn derſelbige hernach ſich gleich nicht bekehret von ſeinem Gottloſen We- ſen und Wege/ ſo haſt du doch deine Seele errettet. Erwe- gen ſolten ſie auch den Meiſter-Spruch Sirachs/ Capit. 10. v. 31. 32. Mein Kind/ in widerwertigkeit ſey getroſt/ und trotze auff dein Ampt/ denn wer an ſeinem Ampte verzagt/ wer wil dem helffen? Vnd wer wil den bey Ehren erhalten/ der ſein Ampt ſelber unehret? Ezech. 3, 19. Sir. 10, 31. 32. Es iſt bekant folgendes ſinnreiches Geticht der Alten: Der Loͤwe hatte viel Thiere zu ſich in die Hoͤle/ oder ia ſein Loch und Woh- nung erfodert/ darinnen es gantz uͤbel roch/ und ſtuncke. Als er nun den Wolff fragte/ wie es ihm gefiele in ſeinem Koͤniglichen Hauſe oder Zimmer/ ſprach der Wolff: O es ſtincket übel hierin- nen; da fuhr der Loͤwe zu/ und zureiß den Wolff. Darnach/ als er den Eſel fragte/ wie es ihm gefiele/ und der arme Eſel ſehr er- ſchrocken war uͤber des Wolfes Tode und Mord/ da wolt er aus Furcht heucheln/ und ſprach: Herr Koͤnigl es reucht wol allhier; aber der Loͤwe fuhr uͤber ihn her/ und zerreiß ihn gleichfals. Als er nun den Fuchs auch fragte/ wie es ihm gefiele/ und wie es roͤche in ſeiner Hoͤle/ ſprach er: Koͤnig Loͤwe/ ich habe den Schnuppen be- kommen/ kan nichts riechen; mir dieſer Entſchuldigung hat er ſein Leben errettet. Ach lieber Gott/ wie offt gehet es unter den Men- ſchen alſo daher! Wie manche Prediger wollen nicht riechen/ wie es in des Loͤwen Wohnungen ſo uͤbel ſtincket! Es gehet zu/ wie es wol- le/ ſo haben ſie den Schnuppen/ und riechen nichts/ denn ſie fuͤrch- ten ſich fuͤr Koͤnig Loͤwen/ und dencken/ ſie moͤchten ihm zu nahe tre- ten; damit erretten ſie zwar ihr zeitliches Leben/ und kriegen etwa ei- ne Hoffſuppe davon: Aber/ wie wird es dort werden/ und wie wol- len ſie an jenem Tage beſtehen? O welch ein ſchweres Vrthel wird uͤber ſie geſprochen werden! Ja/ das ſonderlich zu beklagen/ man- che fuͤrchten ſich faſt gar fuͤr einem Popantze/ und wollen auch die Deos

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Zitationshilfe: Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648/126>, abgerufen am 26.11.2024.