Cubach, Michael: Einer gläubigen und andächtigen Seelen vermehrtes tägliches Bet- Buß- Lob- Und Danck-Opffer. Leipzig, 1699.Traurig Valet der Welt. Verstand/ meine Vernunfft/ mein Gedächtniß/ alsdie Himmels-Kräffte meiner Seelen/ erschüttern sich wegen des schrecklichen Wetters und Ungestü- me der Verzweifelung und der höllischen Feuerflam- men. Der irrdische Leib fänget an zu zittern/ alle Feuchtigkeiten bewegen sich/ und brausen in den Schlund/ und verlanget sie nur das Ende zu sehen von diesem Trauerspiel. Noch grösser aber ist die Seelenangst/ darein ich gerathen bin/ ich werde citi- ret für den Richterstuhl GOttes/ das Blut-Gericht ist schon über mich geheget in meinem Hertzen/ die Vernunfft sitzt an des Richters statt/ der Teuffel ist der Kläger/ der bringet ein lang und weitläufftig Sünden-Register herfür/ das so groß ist/ als der fliegende Brieff bey dem Propheten Zacharia/ dar- innen befinden sich alle meine Missethaten und Greuel/ die ich mein Lebetag begangen/ sammt allen guten Wercken/ die ich thun sollen/ und unterlassen habe/ darauff schlägt das Gewissen zu/ und spricht ja darzu/ das Gedächtniß bringet Zeugen herfür/ der Tod wartet auff/ und wil die Vollstreckung thun. Ich wolte gerne verbergen meine Sünde/ und verhelen meine Mißhandlung; aber indem ich zusehe/ ist alles am Tage/ auch meine verborgene Fehler sind ietzo of- fenbar/ die schreyen mir zu/ und sagen: Hier sind wir/ hier sind wir/ meine Wercke folgen mir nach/ was ich bey Leibes-Leben gesündiget/ das sol nun gebüsset werden. Meine Seele/ O wie ist sie geängstiget/ sie wolte gerne bleiben/ wo sie ist; aber sie mercket/ daß die arme Hütten allgemach wil einfallen/ sie wil un- gern hinaus/ denn sie fürchtet sich für den höllischen Hunden/ die ihr auff den Dienst warten. O daß ich nur noch eine Stunde Frist hätte/ daß ich meine Sünde recht
Traurig Valet der Welt. Verſtand/ meine Vernunfft/ mein Gedächtniß/ alsdie Himmels-Kräffte meiner Seelen/ erſchüttern ſich wegen des ſchrecklichen Wetters und Ungeſtü- me der Verzweifelung und der hölliſchen Feuerflam- men. Der irrdiſche Leib fänget an zu zittern/ alle Feuchtigkeiten bewegen ſich/ und brauſen in den Schlund/ und verlanget ſie nur das Ende zu ſehen von dieſem Trauerſpiel. Noch gröſſer aber iſt die Seelenangſt/ darein ich gerathen bin/ ich werde citi- ret für den Richterſtuhl GOttes/ das Blut-Gericht iſt ſchon über mich geheget in meinem Hertzen/ die Vernunfft ſitzt an des Richters ſtatt/ der Teuffel iſt der Kläger/ der bringet ein lang und weitläufftig Sünden-Regiſter herfür/ das ſo groß iſt/ als der fliegende Brieff bey dem Propheten Zacharia/ dar- innen befinden ſich alle meine Miſſethaten und Greuel/ die ich mein Lebetag begangen/ ſammt allen guten Wercken/ die ich thun ſollen/ und unterlaſſen habe/ darauff ſchlägt das Gewiſſen zu/ und ſpricht ja darzu/ das Gedächtniß bringet Zeugen herfür/ der Tod wartet auff/ uñ wil die Vollſtreckung thun. Ich wolte gerne verbergen meine Sünde/ und verhelen meine Mißhandlung; aber indem ich zuſehe/ iſt alles am Tage/ auch meine verborgene Fehler ſind ietzo of- fenbar/ die ſchreyen mir zu/ und ſagen: Hier ſind wir/ hier ſind wir/ meine Wercke folgen mir nach/ was ich bey Leibes-Leben geſündiget/ das ſol nun gebüſſet werden. Meine Seele/ O wie iſt ſie geängſtiget/ ſie wolte gerne bleiben/ wo ſie iſt; aber ſie mercket/ daß die arme Hütten allgemach wil einfallen/ ſie wil un- gern hinaus/ denn ſie fürchtet ſich für den hölliſchen Hundẽ/ die ihr auff den Dienſt warten. O daß ich nur noch eine Stunde Friſt hätte/ daß ich meine Sünde recht
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Traurig Valet der Welt.
Verſtand/ meine Vernunfft/ mein Gedächtniß/ als
die Himmels-Kräffte meiner Seelen/ erſchüttern
ſich wegen des ſchrecklichen Wetters und Ungeſtü-
me der Verzweifelung und der hölliſchen Feuerflam-
men. Der irrdiſche Leib fänget an zu zittern/ alle
Feuchtigkeiten bewegen ſich/ und brauſen in den
Schlund/ und verlanget ſie nur das Ende zu ſehen
von dieſem Trauerſpiel. Noch gröſſer aber iſt die
Seelenangſt/ darein ich gerathen bin/ ich werde citi-
ret für den Richterſtuhl GOttes/ das Blut-Gericht
iſt ſchon über mich geheget in meinem Hertzen/ die
Vernunfft ſitzt an des Richters ſtatt/ der Teuffel iſt
der Kläger/ der bringet ein lang und weitläufftig
Sünden-Regiſter herfür/ das ſo groß iſt/ als der
fliegende Brieff bey dem Propheten Zacharia/ dar-
innen befinden ſich alle meine Miſſethaten und
Greuel/ die ich mein Lebetag begangen/ ſammt allen
guten Wercken/ die ich thun ſollen/ und unterlaſſen
habe/ darauff ſchlägt das Gewiſſen zu/ und ſpricht ja
darzu/ das Gedächtniß bringet Zeugen herfür/ der
Tod wartet auff/ uñ wil die Vollſtreckung thun. Ich
wolte gerne verbergen meine Sünde/ und verhelen
meine Mißhandlung; aber indem ich zuſehe/ iſt alles
am Tage/ auch meine verborgene Fehler ſind ietzo of-
fenbar/ die ſchreyen mir zu/ und ſagen: Hier ſind wir/
hier ſind wir/ meine Wercke folgen mir nach/ was
ich bey Leibes-Leben geſündiget/ das ſol nun gebüſſet
werden. Meine Seele/ O wie iſt ſie geängſtiget/ ſie
wolte gerne bleiben/ wo ſie iſt; aber ſie mercket/ daß
die arme Hütten allgemach wil einfallen/ ſie wil un-
gern hinaus/ denn ſie fürchtet ſich für den hölliſchen
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