Cubach, Michael: Einer gläubigen und andächtigen Seelen vermehrtes tägliches Bet- Buß- Lob- Und Danck-Opffer. Leipzig, 1699.Gebet eines alten schwachen Menschen. an sich trägt/ muß er Schmertzen haben/ und weilseine Seele noch bey ihm ist/ muß er Leid tragen/ denn er ist zum Leiden gemacht/ und ie länger er lebet/ ie schwächer und gebrechlicher er wird. Wie solches ich nunmehr in meinem hohen und schwachen Alter er- fahren muß. Denn mein Gedächtniß nimmt ab/ und der Verstand wird gering: Meine Augen wer- den dunckel und starren für Alter: Mein Angesicht ist jämmerlich/ und meine Stimme kläglich: Mein Odem ist schwach/ und mein Hertz matt: Mein Ge- bein hanget am Fleisch/ und kan mit der Haut mei- ne Zähne nicht bedecken. Ich gehe krum und sehr gebücket/ darzu gantz traurig/ als einer/ der Leid trä- get über seine Mutter: Mein Fleisch ist mager/ und habe kein Fett/ und bin wie eine Haut im Rauch: Meine Gelencke beben/ und haben keine Krafft mehr: Ich taumele wie ein Trunckener/ denn mei- ne Krafft hat mich verlassen/ und bin so dürre wie ein Holtz: Meine Hertzens-Freude hat ein Ende: Mein Leben hat abgenommen für Trübniß/ und meine Zeit für Seufftzen: Meine Tage sind ver- gangen wie ein Rauch/ und meine Gebeine sind ver- brant wie ein Brand: Meine Tage sind leichter da- hin gefahren denn eine Weberspul/ und wie ein Wind vergangen. Das machet dein Zorn/ daß wir so vergehen/ und dein Grimm/ daß wir so plötzlich davon müssen: Denn unsere Missethat stellestu für dich/ und unsere unerkante Sünde ins Licht für deinem Angesicht. Darumb fahren alle unsere Tage dahin durch deinen Zorn/ als flögen sie davon. Ach HErr/ ich sehne mich nach dem Tode/ wie sich ein Knecht nach dem Schatten sehnet/ und warte auff mein Ende/ wie ein Taglöhner auff den Feyerabend. Ich habe Lust die irrdische Hütte abzulegen und bey Christo O o o o 4
Gebet eines alten ſchwachen Menſchen. an ſich trägt/ muß er Schmertzen haben/ und weilſeine Seele noch bey ihm iſt/ muß er Leid tragen/ denn er iſt zum Leiden gemacht/ und ie länger er lebet/ ie ſchwächer und gebrechlicher er wird. Wie ſolches ich nunmehr in meinem hohen und ſchwachen Alter er- fahren muß. Denn mein Gedächtniß nimmt ab/ und der Verſtand wird gering: Meine Augen wer- den dunckel und ſtarren für Alter: Mein Angeſicht iſt jämmerlich/ und meine Stimme kläglich: Mein Odem iſt ſchwach/ und mein Hertz matt: Mein Ge- bein hanget am Fleiſch/ und kan mit der Haut mei- ne Zähne nicht bedecken. Ich gehe krum und ſehr gebücket/ darzu gantz traurig/ als einer/ der Leid trä- get über ſeine Mutter: Mein Fleiſch iſt mager/ und habe kein Fett/ und bin wie eine Haut im Rauch: Meine Gelencke beben/ und haben keine Krafft mehr: Ich taumele wie ein Trunckener/ denn mei- ne Krafft hat mich verlaſſen/ und bin ſo dürre wie ein Holtz: Meine Hertzens-Freude hat ein Ende: Mein Leben hat abgenommen für Trübniß/ und meine Zeit für Seufftzen: Meine Tage ſind ver- gangen wie ein Rauch/ und meine Gebeine ſind ver- brant wie ein Brand: Meine Tage ſind leichter da- hin gefahren denn eine Weberſpul/ und wie ein Wind vergangen. Das machet dein Zorn/ daß wir ſo vergehen/ und dein Grimm/ daß wir ſo plötzlich davon müſſen: Denn unſere Miſſethat ſtelleſtu für dich/ und unſere unerkante Sünde ins Licht für deinem Angeſicht. Darumb fahren alle unſere Tage dahin durch deinen Zorn/ als flögen ſie davon. Ach HErr/ ich ſehne mich nach dem Tode/ wie ſich ein Knecht nach dem Schatten ſehnet/ und warte auff mein Ende/ wie ein Taglöhner auff den Feyerabend. Ich habe Luſt die irrdiſche Hütte abzulegen und bey Chriſto O o o o 4
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Gebet eines alten ſchwachen Menſchen.
an ſich trägt/ muß er Schmertzen haben/ und weil
ſeine Seele noch bey ihm iſt/ muß er Leid tragen/ denn
er iſt zum Leiden gemacht/ und ie länger er lebet/ ie
ſchwächer und gebrechlicher er wird. Wie ſolches ich
nunmehr in meinem hohen und ſchwachen Alter er-
fahren muß. Denn mein Gedächtniß nimmt ab/
und der Verſtand wird gering: Meine Augen wer-
den dunckel und ſtarren für Alter: Mein Angeſicht
iſt jämmerlich/ und meine Stimme kläglich: Mein
Odem iſt ſchwach/ und mein Hertz matt: Mein Ge-
bein hanget am Fleiſch/ und kan mit der Haut mei-
ne Zähne nicht bedecken. Ich gehe krum und ſehr
gebücket/ darzu gantz traurig/ als einer/ der Leid trä-
get über ſeine Mutter: Mein Fleiſch iſt mager/ und
habe kein Fett/ und bin wie eine Haut im Rauch:
Meine Gelencke beben/ und haben keine Krafft
mehr: Ich taumele wie ein Trunckener/ denn mei-
ne Krafft hat mich verlaſſen/ und bin ſo dürre wie
ein Holtz: Meine Hertzens-Freude hat ein Ende:
Mein Leben hat abgenommen für Trübniß/ und
meine Zeit für Seufftzen: Meine Tage ſind ver-
gangen wie ein Rauch/ und meine Gebeine ſind ver-
brant wie ein Brand: Meine Tage ſind leichter da-
hin gefahren denn eine Weberſpul/ und wie ein
Wind vergangen. Das machet dein Zorn/ daß wir
ſo vergehen/ und dein Grimm/ daß wir ſo plötzlich
davon müſſen: Denn unſere Miſſethat ſtelleſtu für
dich/ und unſere unerkante Sünde ins Licht für
deinem Angeſicht. Darumb fahren alle unſere Tage
dahin durch deinen Zorn/ als flögen ſie davon. Ach
HErr/ ich ſehne mich nach dem Tode/ wie ſich ein
Knecht nach dem Schatten ſehnet/ und warte auff
mein Ende/ wie ein Taglöhner auff den Feyerabend.
Ich habe Luſt die irrdiſche Hütte abzulegen und bey
Chriſto
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