Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LIX. Betrachtung. tung; unter welchen Unglücklichen auch ein Sama-riter war. Allein Jesus machte zwischen ihm und den andern keinen Unterschied, er befreyete ihn eben sowohl von seiner abscheulichen Krankheit, als jene; und er hatte auch die Freude, daß gerade an diesem seine Wohlthat am besten angewandt war, indem er, von Freude belebt, nach seiner Genesung zurück kehrte, und seinem großen Wohlthäter mit sichtba- rer Rührung des Herzens dankte.*) Wahrschein- lich erzählte auch Jesus die Geschichte vom barmher- zigen Samariter deswegen, um dadurch den Haß der Juden gegen die Samariter zu vermindern, und um jenen nachsichtsvollere Gesinnungen gegen diese einzu- flößen. Doch nicht nur gegen die Samariter han- delte Jesus sehr menschenfreundlich, nicht nur gegen diese bewies er sich herablassend und gefällig; son- dern er war es auch gegen die Heyden, die unter den Juden lebten, und von ihnen so sehr verachtet wur- den, daß sie sich sogar vor ihrem Umgange scheueten, und es für eine Schande hielten, Besuche von ihnen anzunehmen. Nicht so Jesus, der auch an Heyden Tugend zu schätzen wußte, und ihnen seine Hülfslei- stungen nicht versagte. Denn er sahe die Person nicht an, wer Gott fürchtete und recht that, der war ihm angenehm;**) er mochte gehören zu wel- chem Volke er wollte. Ein Römischer Hauptmann, der *) Luc. 17, 11-19. **) Apg. 10, 35. B b 5
LIX. Betrachtung. tung; unter welchen Unglücklichen auch ein Sama-riter war. Allein Jeſus machte zwiſchen ihm und den andern keinen Unterſchied, er befreyete ihn eben ſowohl von ſeiner abſcheulichen Krankheit, als jene; und er hatte auch die Freude, daß gerade an dieſem ſeine Wohlthat am beſten angewandt war, indem er, von Freude belebt, nach ſeiner Geneſung zurück kehrte, und ſeinem großen Wohlthäter mit ſichtba- rer Rührung des Herzens dankte.*) Wahrſchein- lich erzählte auch Jeſus die Geſchichte vom barmher- zigen Samariter deswegen, um dadurch den Haß der Juden gegen die Samariter zu vermindern, und um jenen nachſichtsvollere Geſinnungen gegen dieſe einzu- flößen. Doch nicht nur gegen die Samariter han- delte Jeſus ſehr menſchenfreundlich, nicht nur gegen dieſe bewies er ſich herablaſſend und gefällig; ſon- dern er war es auch gegen die Heyden, die unter den Juden lebten, und von ihnen ſo ſehr verachtet wur- den, daß ſie ſich ſogar vor ihrem Umgange ſcheueten, und es für eine Schande hielten, Beſuche von ihnen anzunehmen. Nicht ſo Jeſus, der auch an Heyden Tugend zu ſchätzen wußte, und ihnen ſeine Hülfslei- ſtungen nicht verſagte. Denn er ſahe die Perſon nicht an, wer Gott fürchtete und recht that, der war ihm angenehm;**) er mochte gehören zu wel- chem Volke er wollte. Ein Römiſcher Hauptmann, der *) Luc. 17, 11-19. **) Apg. 10, 35. B b 5
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LIX. Betrachtung.
tung; unter welchen Unglücklichen auch ein Sama-
riter war. Allein Jeſus machte zwiſchen ihm und
den andern keinen Unterſchied, er befreyete ihn eben
ſowohl von ſeiner abſcheulichen Krankheit, als jene;
und er hatte auch die Freude, daß gerade an dieſem
ſeine Wohlthat am beſten angewandt war, indem
er, von Freude belebt, nach ſeiner Geneſung zurück
kehrte, und ſeinem großen Wohlthäter mit ſichtba-
rer Rührung des Herzens dankte. *) Wahrſchein-
lich erzählte auch Jeſus die Geſchichte vom barmher-
zigen Samariter deswegen, um dadurch den Haß
der Juden gegen die Samariter zu vermindern, und um
jenen nachſichtsvollere Geſinnungen gegen dieſe einzu-
flößen. Doch nicht nur gegen die Samariter han-
delte Jeſus ſehr menſchenfreundlich, nicht nur gegen
dieſe bewies er ſich herablaſſend und gefällig; ſon-
dern er war es auch gegen die Heyden, die unter den
Juden lebten, und von ihnen ſo ſehr verachtet wur-
den, daß ſie ſich ſogar vor ihrem Umgange ſcheueten,
und es für eine Schande hielten, Beſuche von ihnen
anzunehmen. Nicht ſo Jeſus, der auch an Heyden
Tugend zu ſchätzen wußte, und ihnen ſeine Hülfslei-
ſtungen nicht verſagte. Denn er ſahe die Perſon
nicht an, wer Gott fürchtete und recht that, der
war ihm angenehm; **) er mochte gehören zu wel-
chem Volke er wollte. Ein Römiſcher Hauptmann,
der
*) Luc. 17, 11-19.
**) Apg. 10, 35.
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