Achtundfunfzigste Betrachtung. Jesu Verhalten gegen Obrigkeiten.
1 Petr. 2, 17. Ehret den König.
Jesus hatte keinesweges die Absicht, die verschie- denen Verhältnisse aufzuheben, in welchen die Menschen mit einander in der Welt leben, und ihm war es gar nicht darum zu thun, die bürgerliche Ver- fassung seines Vaterlandes zu stören. Denn er er- kannte den Nutzen und die Nothwendigkeit der ver- schiedenen Stände sehr gut; er wußte, daß keine Ge- sellschaft in Ordnung erhalten werden kann ohne Per- sonen, die das Recht haben, Gesetze zu geben, und über die Ausübung derselben zu halten. Nirgends hat er daher eine Vorschrift gegeben, die den Staat unmittelbar angienge, und für ein bürgerliches Ge- setz gehalten werden müßte. Berührte er ja Gegen- stände, die mit der bürgerlichen Gesetzgebung zusam- menhiengen, zum Beyspiel den Eid, oder die Ehe- scheidung, so redete er da nicht von der Pflicht der Obrigkeit in Absicht auf diese Dinge, sondern er sprach blos von dem, was Unterthanen dabey zu be- obachten haben.*) Mit der größten Sorgfalt ver- mied er alles, was den Verdacht hätte erwecken kön- nen: er wolle sich in bürgerliche Angelegenheiten mi-
schen,
*) Matth. 5, 31-37.
Achtundfunfzigſte Betrachtung. Jeſu Verhalten gegen Obrigkeiten.
1 Petr. 2, 17. Ehret den König.
Jeſus hatte keinesweges die Abſicht, die verſchie- denen Verhältniſſe aufzuheben, in welchen die Menſchen mit einander in der Welt leben, und ihm war es gar nicht darum zu thun, die bürgerliche Ver- faſſung ſeines Vaterlandes zu ſtören. Denn er er- kannte den Nutzen und die Nothwendigkeit der ver- ſchiedenen Stände ſehr gut; er wußte, daß keine Ge- ſellſchaft in Ordnung erhalten werden kann ohne Per- ſonen, die das Recht haben, Geſetze zu geben, und über die Ausübung derſelben zu halten. Nirgends hat er daher eine Vorſchrift gegeben, die den Staat unmittelbar angienge, und für ein bürgerliches Ge- ſetz gehalten werden müßte. Berührte er ja Gegen- ſtände, die mit der bürgerlichen Geſetzgebung zuſam- menhiengen, zum Beyſpiel den Eid, oder die Ehe- ſcheidung, ſo redete er da nicht von der Pflicht der Obrigkeit in Abſicht auf dieſe Dinge, ſondern er ſprach blos von dem, was Unterthanen dabey zu be- obachten haben.*) Mit der größten Sorgfalt ver- mied er alles, was den Verdacht hätte erwecken kön- nen: er wolle ſich in bürgerliche Angelegenheiten mi-
ſchen,
*) Matth. 5, 31-37.
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Achtundfunfzigſte Betrachtung.
Jeſu Verhalten gegen Obrigkeiten.
1 Petr. 2, 17. Ehret den König.
Jeſus hatte keinesweges die Abſicht, die verſchie-
denen Verhältniſſe aufzuheben, in welchen die
Menſchen mit einander in der Welt leben, und ihm
war es gar nicht darum zu thun, die bürgerliche Ver-
faſſung ſeines Vaterlandes zu ſtören. Denn er er-
kannte den Nutzen und die Nothwendigkeit der ver-
ſchiedenen Stände ſehr gut; er wußte, daß keine Ge-
ſellſchaft in Ordnung erhalten werden kann ohne Per-
ſonen, die das Recht haben, Geſetze zu geben, und
über die Ausübung derſelben zu halten. Nirgends
hat er daher eine Vorſchrift gegeben, die den Staat
unmittelbar angienge, und für ein bürgerliches Ge-
ſetz gehalten werden müßte. Berührte er ja Gegen-
ſtände, die mit der bürgerlichen Geſetzgebung zuſam-
menhiengen, zum Beyſpiel den Eid, oder die Ehe-
ſcheidung, ſo redete er da nicht von der Pflicht der
Obrigkeit in Abſicht auf dieſe Dinge, ſondern er
ſprach blos von dem, was Unterthanen dabey zu be-
obachten haben. *) Mit der größten Sorgfalt ver-
mied er alles, was den Verdacht hätte erwecken kön-
nen: er wolle ſich in bürgerliche Angelegenheiten mi-
ſchen,
*) Matth. 5, 31-37.
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/410>, abgerufen am 24.11.2024.
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