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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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LVI. Betrachtung.
Jnteresse zu ziehen suchte, nicht nach ihrer Gunst auf
eine kriechende Art strebte. Leicht hätte er Zutritt am
Hofe des Herodes finden können, da dieser König so
angelegentlich seine Bekanntschaft wünschte und such-
te, da Jesus selbst den Sohn eines vornehmen Man-
nes, der am Hofe Herodis angestellt war, gesund
gemacht hatte.*) Gerne würde dieser durch das Le-
ben seines Kindes erfreute Vater ihm seinen ganzen
Kredit am Hofe gewidmet haben, wenn es Jesu dar-
um zu thun gewesen wäre, näher mit dem Könige
bekannt zu werden, und seinen Schutz zu suchen;
allein er wich ihm allemal aus und erschwerte es ihm
auf alle Art, ihn an seinen Hof zu bekommen. Die-
ses geschahe aber nicht deswegen, als hätte er sich
gescheut, den Großen der Welt die Wahrheit zu sa-
gen, oder als wenn er befürchtet hätte, seine Wun-
der möchten die Prüfung eines aufgeklärten Hofes
nicht aushalten. Keinesweges; denn daß er von al-
ler Menschenfurcht weit entfernt war, lehrt seine
ganze Geschichte durch so viele Beweise einer uner-
schrockenen Freymüthigkeit, die kein Ansehn der Per-
son achtete; und daß er die strengste Prüfung seiner
Wunder nicht scheute, bewies er dadurch, daß er sie
in Gegenwart seiner gelehrtesten Feinde, oft und zu
wiederholten malen, verrichtete. Jesus sahe vielmehr
voraus, daß er bey einem so eitlen Fürsten nichts
ausrichten würde. Denn Herodes wünschte ihn zu

sehen,
*) Joh. 4, 21.

LVI. Betrachtung.
Jntereſſe zu ziehen ſuchte, nicht nach ihrer Gunſt auf
eine kriechende Art ſtrebte. Leicht hätte er Zutritt am
Hofe des Herodes finden können, da dieſer König ſo
angelegentlich ſeine Bekanntſchaft wünſchte und ſuch-
te, da Jeſus ſelbſt den Sohn eines vornehmen Man-
nes, der am Hofe Herodis angeſtellt war, geſund
gemacht hatte.*) Gerne würde dieſer durch das Le-
ben ſeines Kindes erfreute Vater ihm ſeinen ganzen
Kredit am Hofe gewidmet haben, wenn es Jeſu dar-
um zu thun geweſen wäre, näher mit dem Könige
bekannt zu werden, und ſeinen Schutz zu ſuchen;
allein er wich ihm allemal aus und erſchwerte es ihm
auf alle Art, ihn an ſeinen Hof zu bekommen. Die-
ſes geſchahe aber nicht deswegen, als hätte er ſich
geſcheut, den Großen der Welt die Wahrheit zu ſa-
gen, oder als wenn er befürchtet hätte, ſeine Wun-
der möchten die Prüfung eines aufgeklärten Hofes
nicht aushalten. Keinesweges; denn daß er von al-
ler Menſchenfurcht weit entfernt war, lehrt ſeine
ganze Geſchichte durch ſo viele Beweiſe einer uner-
ſchrockenen Freymüthigkeit, die kein Anſehn der Per-
ſon achtete; und daß er die ſtrengſte Prüfung ſeiner
Wunder nicht ſcheute, bewies er dadurch, daß er ſie
in Gegenwart ſeiner gelehrteſten Feinde, oft und zu
wiederholten malen, verrichtete. Jeſus ſahe vielmehr
voraus, daß er bey einem ſo eitlen Fürſten nichts
ausrichten würde. Denn Herodes wünſchte ihn zu

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*) Joh. 4, 21.
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[370/0396] LVI. Betrachtung. Jntereſſe zu ziehen ſuchte, nicht nach ihrer Gunſt auf eine kriechende Art ſtrebte. Leicht hätte er Zutritt am Hofe des Herodes finden können, da dieſer König ſo angelegentlich ſeine Bekanntſchaft wünſchte und ſuch- te, da Jeſus ſelbſt den Sohn eines vornehmen Man- nes, der am Hofe Herodis angeſtellt war, geſund gemacht hatte. *) Gerne würde dieſer durch das Le- ben ſeines Kindes erfreute Vater ihm ſeinen ganzen Kredit am Hofe gewidmet haben, wenn es Jeſu dar- um zu thun geweſen wäre, näher mit dem Könige bekannt zu werden, und ſeinen Schutz zu ſuchen; allein er wich ihm allemal aus und erſchwerte es ihm auf alle Art, ihn an ſeinen Hof zu bekommen. Die- ſes geſchahe aber nicht deswegen, als hätte er ſich geſcheut, den Großen der Welt die Wahrheit zu ſa- gen, oder als wenn er befürchtet hätte, ſeine Wun- der möchten die Prüfung eines aufgeklärten Hofes nicht aushalten. Keinesweges; denn daß er von al- ler Menſchenfurcht weit entfernt war, lehrt ſeine ganze Geſchichte durch ſo viele Beweiſe einer uner- ſchrockenen Freymüthigkeit, die kein Anſehn der Per- ſon achtete; und daß er die ſtrengſte Prüfung ſeiner Wunder nicht ſcheute, bewies er dadurch, daß er ſie in Gegenwart ſeiner gelehrteſten Feinde, oft und zu wiederholten malen, verrichtete. Jeſus ſahe vielmehr voraus, daß er bey einem ſo eitlen Fürſten nichts ausrichten würde. Denn Herodes wünſchte ihn zu ſehen, *) Joh. 4, 21.

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/396>, abgerufen am 23.11.2024.