Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

LI. Betrachtung.
sehung, von der Unsterblichkeit der Seele, von Tugend
und Laster, so wie von dem Wege zur ewigen Glückselig-
keit beybringen; er sollte ihnen den ganzen Rath
Gottes von ihrer Seligkeit
bekannt machen. Und
auch von dieser Seite zeigte er sich als Muster für
alle diejenigen, die sich dem Berufe widmen, ihre
Mitmenschen zu belehren und zu bessern. Jedem
fällt es gleich in die Augen, daß er sich zu allen, auch
zu dem Geringsten herab ließ, daß er sich jedem ver-
ständlich und deutlich machte, daß er keine Frage,
die man an ihn that, unbeantwortet ließ, so bald sie
aus wahrer Lehrbegierde herrührte; welches alles
zur Gnüge beweist, wie sehr er in jeder Rücksicht,
auch als Lehrer, Menschenfreund war. Er lehrte
nicht so ohne Gefühl und Theilnahme des Herzens,
wie die Pharisäer, die nur mit unnöthigen Zänkerey-
en jüdischer Gelehrten, mit subtilen Speculationen,
wodurch nicht das mindeste gebessert, und keine gu-
ten Entschlüssungen veranlaßt wurden, ihre Zuhörer
unterhielten; Er verbarg seine Einsichten nicht in
schwere und unverständliche Worte, nicht in dunkle
und räthselhafte Bilder, sondern er lehrte sehr nach-
drücklich und eindringend, sehr deutlich und faßlich,
sehr angenehm und unterhaltend, um sowohl den Ver-
stand aufzuklären, als auch das Herz zu bessern. Da-
her hieß es auch von ihm nach Vollendung seiner
Bergpredigt, die so viel Eindruck auf die Umstehen-

den

LI. Betrachtung.
ſehung, von der Unſterblichkeit der Seele, von Tugend
und Laſter, ſo wie von dem Wege zur ewigen Glückſelig-
keit beybringen; er ſollte ihnen den ganzen Rath
Gottes von ihrer Seligkeit
bekannt machen. Und
auch von dieſer Seite zeigte er ſich als Muſter für
alle diejenigen, die ſich dem Berufe widmen, ihre
Mitmenſchen zu belehren und zu beſſern. Jedem
fällt es gleich in die Augen, daß er ſich zu allen, auch
zu dem Geringſten herab ließ, daß er ſich jedem ver-
ſtändlich und deutlich machte, daß er keine Frage,
die man an ihn that, unbeantwortet ließ, ſo bald ſie
aus wahrer Lehrbegierde herrührte; welches alles
zur Gnüge beweiſt, wie ſehr er in jeder Rückſicht,
auch als Lehrer, Menſchenfreund war. Er lehrte
nicht ſo ohne Gefühl und Theilnahme des Herzens,
wie die Phariſäer, die nur mit unnöthigen Zänkerey-
en jüdiſcher Gelehrten, mit ſubtilen Speculationen,
wodurch nicht das mindeſte gebeſſert, und keine gu-
ten Entſchlüſſungen veranlaßt wurden, ihre Zuhörer
unterhielten; Er verbarg ſeine Einſichten nicht in
ſchwere und unverſtändliche Worte, nicht in dunkle
und räthſelhafte Bilder, ſondern er lehrte ſehr nach-
drücklich und eindringend, ſehr deutlich und faßlich,
ſehr angenehm und unterhaltend, um ſowohl den Ver-
ſtand aufzuklären, als auch das Herz zu beſſern. Da-
her hieß es auch von ihm nach Vollendung ſeiner
Bergpredigt, die ſo viel Eindruck auf die Umſtehen-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0359" n="333"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">LI.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
&#x017F;ehung, von der Un&#x017F;terblichkeit der Seele, von Tugend<lb/>
und La&#x017F;ter, &#x017F;o wie von dem Wege zur ewigen Glück&#x017F;elig-<lb/>
keit beybringen; er &#x017F;ollte ihnen den <hi rendition="#fr">ganzen Rath<lb/>
Gottes von ihrer Seligkeit</hi> bekannt machen. Und<lb/>
auch von die&#x017F;er Seite zeigte er &#x017F;ich als Mu&#x017F;ter für<lb/>
alle diejenigen, die &#x017F;ich dem Berufe widmen, ihre<lb/>
Mitmen&#x017F;chen zu belehren und zu be&#x017F;&#x017F;ern. Jedem<lb/>
fällt es gleich in die Augen, daß er &#x017F;ich zu allen, auch<lb/>
zu dem Gering&#x017F;ten herab ließ, daß er &#x017F;ich jedem ver-<lb/>
&#x017F;tändlich und deutlich machte, daß er keine Frage,<lb/>
die man an ihn that, unbeantwortet ließ, &#x017F;o bald &#x017F;ie<lb/>
aus wahrer Lehrbegierde herrührte; welches alles<lb/>
zur Gnüge bewei&#x017F;t, wie &#x017F;ehr er in jeder Rück&#x017F;icht,<lb/>
auch als Lehrer, Men&#x017F;chenfreund war. Er lehrte<lb/>
nicht &#x017F;o ohne Gefühl und Theilnahme des Herzens,<lb/>
wie die Phari&#x017F;äer, die nur mit unnöthigen Zänkerey-<lb/>
en jüdi&#x017F;cher Gelehrten, mit &#x017F;ubtilen Speculationen,<lb/>
wodurch nicht das minde&#x017F;te gebe&#x017F;&#x017F;ert, und keine gu-<lb/>
ten Ent&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;ungen veranlaßt wurden, ihre Zuhörer<lb/>
unterhielten; Er verbarg &#x017F;eine Ein&#x017F;ichten nicht in<lb/>
&#x017F;chwere und unver&#x017F;tändliche Worte, nicht in dunkle<lb/>
und räth&#x017F;elhafte Bilder, &#x017F;ondern er lehrte &#x017F;ehr nach-<lb/>
drücklich und eindringend, &#x017F;ehr deutlich und faßlich,<lb/>
&#x017F;ehr angenehm und unterhaltend, um &#x017F;owohl den Ver-<lb/>
&#x017F;tand aufzuklären, als auch das Herz zu be&#x017F;&#x017F;ern. Da-<lb/>
her hieß es auch von ihm nach Vollendung &#x017F;einer<lb/>
Bergpredigt, die &#x017F;o viel Eindruck auf die Um&#x017F;tehen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0359] LI. Betrachtung. ſehung, von der Unſterblichkeit der Seele, von Tugend und Laſter, ſo wie von dem Wege zur ewigen Glückſelig- keit beybringen; er ſollte ihnen den ganzen Rath Gottes von ihrer Seligkeit bekannt machen. Und auch von dieſer Seite zeigte er ſich als Muſter für alle diejenigen, die ſich dem Berufe widmen, ihre Mitmenſchen zu belehren und zu beſſern. Jedem fällt es gleich in die Augen, daß er ſich zu allen, auch zu dem Geringſten herab ließ, daß er ſich jedem ver- ſtändlich und deutlich machte, daß er keine Frage, die man an ihn that, unbeantwortet ließ, ſo bald ſie aus wahrer Lehrbegierde herrührte; welches alles zur Gnüge beweiſt, wie ſehr er in jeder Rückſicht, auch als Lehrer, Menſchenfreund war. Er lehrte nicht ſo ohne Gefühl und Theilnahme des Herzens, wie die Phariſäer, die nur mit unnöthigen Zänkerey- en jüdiſcher Gelehrten, mit ſubtilen Speculationen, wodurch nicht das mindeſte gebeſſert, und keine gu- ten Entſchlüſſungen veranlaßt wurden, ihre Zuhörer unterhielten; Er verbarg ſeine Einſichten nicht in ſchwere und unverſtändliche Worte, nicht in dunkle und räthſelhafte Bilder, ſondern er lehrte ſehr nach- drücklich und eindringend, ſehr deutlich und faßlich, ſehr angenehm und unterhaltend, um ſowohl den Ver- ſtand aufzuklären, als auch das Herz zu beſſern. Da- her hieß es auch von ihm nach Vollendung ſeiner Bergpredigt, die ſo viel Eindruck auf die Umſtehen- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/359
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/359>, abgerufen am 23.11.2024.