Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XLII. Betrachtung. wärmet. Sogar die letzten Tage seines Lebens wandteer vom frühen Morgen bis zum späten Abend noch dazu an, um sein großes Tagewerk ganz zu vollen- den; und selbst die nahe Todesgefahr, in welcher er schwebte, hielt ihn nicht ab, den Tempel noch vom Unrathe zu reinigen, für das Ansehn der Religion mit Nachdruck zu streiten, die schändliche Aufführung der Pharisäer, ohne Zurückhaltung, zu tadeln, und ih- nen ihre Trägheit und Undankbarkeit vorzustellen, daß er vielmehr bey seinem immer näher kommenden Ende desto eifriger, desto thätiger wurde. Bey aller seiner Geschäftigkeit war er übrigens in einem sehr hohen Grade uneigennützig. Nicht Gewinn und Vortheil waren die Triebfedern seiner Arbeitsamkeit, denn er forderte für alle seine Mühe und Arbeit keinen Lohn, und er konnte mit Recht sagen, die Füchse ha- ben Löcher, die Vögel haben Nester, aber des Men- schen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen kann. Er lebte größtentheils von den Wohlthaten seiner Freunde, ja er versorgte selbst diejenigen, die in Ge- fahr waren, Mangel zu leiden, mit dem nöthigen Unterhalt und Nahrungsmitteln. Wollte man ihn für seine großen, menschenfreundlichen Handlungen mit irdischer Ehre belohnen; so entzog er sich mit dem größten Edelmuthe den gutgemeinten Absichten des Volks, und ließ es sich deutlich merken, das ein irdisches Reich für ihn gar kein Glück sey. Er gab es S 2
XLII. Betrachtung. wärmet. Sogar die letzten Tage ſeines Lebens wandteer vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend noch dazu an, um ſein großes Tagewerk ganz zu vollen- den; und ſelbſt die nahe Todesgefahr, in welcher er ſchwebte, hielt ihn nicht ab, den Tempel noch vom Unrathe zu reinigen, für das Anſehn der Religion mit Nachdruck zu ſtreiten, die ſchändliche Aufführung der Phariſäer, ohne Zurückhaltung, zu tadeln, und ih- nen ihre Trägheit und Undankbarkeit vorzuſtellen, daß er vielmehr bey ſeinem immer näher kommenden Ende deſto eifriger, deſto thätiger wurde. Bey aller ſeiner Geſchäftigkeit war er übrigens in einem ſehr hohen Grade uneigennützig. Nicht Gewinn und Vortheil waren die Triebfedern ſeiner Arbeitſamkeit, denn er forderte für alle ſeine Mühe und Arbeit keinen Lohn, und er konnte mit Recht ſagen, die Füchſe ha- ben Löcher, die Vögel haben Neſter, aber des Men- ſchen Sohn hat nicht, wo er ſein Haupt hinlegen kann. Er lebte größtentheils von den Wohlthaten ſeiner Freunde, ja er verſorgte ſelbſt diejenigen, die in Ge- fahr waren, Mangel zu leiden, mit dem nöthigen Unterhalt und Nahrungsmitteln. Wollte man ihn für ſeine großen, menſchenfreundlichen Handlungen mit irdiſcher Ehre belohnen; ſo entzog er ſich mit dem größten Edelmuthe den gutgemeinten Abſichten des Volks, und ließ es ſich deutlich merken, das ein irdiſches Reich für ihn gar kein Glück ſey. Er gab es S 2
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XLII. Betrachtung.
wärmet. Sogar die letzten Tage ſeines Lebens wandte
er vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend noch
dazu an, um ſein großes Tagewerk ganz zu vollen-
den; und ſelbſt die nahe Todesgefahr, in welcher er
ſchwebte, hielt ihn nicht ab, den Tempel noch vom
Unrathe zu reinigen, für das Anſehn der Religion mit
Nachdruck zu ſtreiten, die ſchändliche Aufführung der
Phariſäer, ohne Zurückhaltung, zu tadeln, und ih-
nen ihre Trägheit und Undankbarkeit vorzuſtellen,
daß er vielmehr bey ſeinem immer näher kommenden
Ende deſto eifriger, deſto thätiger wurde. Bey aller
ſeiner Geſchäftigkeit war er übrigens in einem ſehr
hohen Grade uneigennützig. Nicht Gewinn und
Vortheil waren die Triebfedern ſeiner Arbeitſamkeit,
denn er forderte für alle ſeine Mühe und Arbeit keinen
Lohn, und er konnte mit Recht ſagen, die Füchſe ha-
ben Löcher, die Vögel haben Neſter, aber des Men-
ſchen Sohn hat nicht, wo er ſein Haupt hinlegen kann.
Er lebte größtentheils von den Wohlthaten ſeiner
Freunde, ja er verſorgte ſelbſt diejenigen, die in Ge-
fahr waren, Mangel zu leiden, mit dem nöthigen
Unterhalt und Nahrungsmitteln. Wollte man ihn
für ſeine großen, menſchenfreundlichen Handlungen
mit irdiſcher Ehre belohnen; ſo entzog er ſich mit
dem größten Edelmuthe den gutgemeinten Abſichten
des Volks, und ließ es ſich deutlich merken, das ein
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