Fähigkeiten und Einsichten bewußt; so entzog er sich doch dem stillen Privatleben und der niedrigen Ar- beit, die er verrichtete, nicht eher, bis der Zeitpunkt kam, wo er sein öffentliches Lehramt antreten sollte.
Nun sind wir zwar nicht alle zu Lehrern be- stimmt; wir haben nicht alle den Beruf, an der Aufklärung und Belehrung unserer Mitmenschen zu arbeiten, indessen haben wir doch alle eine unsterbli- che Seele, deren Kräfte wir üben und veredeln müs- sen, wenn sie nicht einem Acker gleich seyn soll, der deswegen keine Früchte trägt, weil ihn sein Besiz- zer unbebaut liegen läßt. Jst der Verstand, den uns Gott gab, unser größter Adel; erheben wir uns dadurch über die Thiere des Feldes, so würden wir ja unsre eigne Würde schänden, wenn wir in den wich- tigsten Dingen unwissend blieben, wenn wir unsern Verstand nicht anbauen, und unsere Erkenntniß nicht erweitern, nicht berichtigen wollten. Denn ohne die rechte Ausbildung des Verstandes, die theils durch Unterricht, theils durch eigenes Nachdenken geschie- het, wächst man auf, wie die Thiere; ohne dieselbe kann man seine Würde weder als Mensch, noch als Christ behaupten. Durch nichts kann aber der Ver- stand besser ausgebildet werden, als durch frühes an- haltendes Streben nach Religionskenntnissen. Denn Religionskenntnisse sind die edelsten und besten, die allen unsern übrigen Kenntnissen erst ihre rechte
Brauchbar-
Q 3
XXXVII. Betrachtung.
Fähigkeiten und Einſichten bewußt; ſo entzog er ſich doch dem ſtillen Privatleben und der niedrigen Ar- beit, die er verrichtete, nicht eher, bis der Zeitpunkt kam, wo er ſein öffentliches Lehramt antreten ſollte.
Nun ſind wir zwar nicht alle zu Lehrern be- ſtimmt; wir haben nicht alle den Beruf, an der Aufklärung und Belehrung unſerer Mitmenſchen zu arbeiten, indeſſen haben wir doch alle eine unſterbli- che Seele, deren Kräfte wir üben und veredeln müſ- ſen, wenn ſie nicht einem Acker gleich ſeyn ſoll, der deswegen keine Früchte trägt, weil ihn ſein Beſiz- zer unbebaut liegen läßt. Jſt der Verſtand, den uns Gott gab, unſer größter Adel; erheben wir uns dadurch über die Thiere des Feldes, ſo würden wir ja unſre eigne Würde ſchänden, wenn wir in den wich- tigſten Dingen unwiſſend blieben, wenn wir unſern Verſtand nicht anbauen, und unſere Erkenntniß nicht erweitern, nicht berichtigen wollten. Denn ohne die rechte Ausbildung des Verſtandes, die theils durch Unterricht, theils durch eigenes Nachdenken geſchie- het, wächſt man auf, wie die Thiere; ohne dieſelbe kann man ſeine Würde weder als Menſch, noch als Chriſt behaupten. Durch nichts kann aber der Ver- ſtand beſſer ausgebildet werden, als durch frühes an- haltendes Streben nach Religionskenntniſſen. Denn Religionskenntniſſe ſind die edelſten und beſten, die allen unſern übrigen Kenntniſſen erſt ihre rechte
Brauchbar-
Q 3
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XXXVII. Betrachtung.
Fähigkeiten und Einſichten bewußt; ſo entzog er ſich
doch dem ſtillen Privatleben und der niedrigen Ar-
beit, die er verrichtete, nicht eher, bis der Zeitpunkt
kam, wo er ſein öffentliches Lehramt antreten ſollte.
Nun ſind wir zwar nicht alle zu Lehrern be-
ſtimmt; wir haben nicht alle den Beruf, an der
Aufklärung und Belehrung unſerer Mitmenſchen zu
arbeiten, indeſſen haben wir doch alle eine unſterbli-
che Seele, deren Kräfte wir üben und veredeln müſ-
ſen, wenn ſie nicht einem Acker gleich ſeyn ſoll, der
deswegen keine Früchte trägt, weil ihn ſein Beſiz-
zer unbebaut liegen läßt. Jſt der Verſtand, den
uns Gott gab, unſer größter Adel; erheben wir uns
dadurch über die Thiere des Feldes, ſo würden wir
ja unſre eigne Würde ſchänden, wenn wir in den wich-
tigſten Dingen unwiſſend blieben, wenn wir unſern
Verſtand nicht anbauen, und unſere Erkenntniß nicht
erweitern, nicht berichtigen wollten. Denn ohne
die rechte Ausbildung des Verſtandes, die theils durch
Unterricht, theils durch eigenes Nachdenken geſchie-
het, wächſt man auf, wie die Thiere; ohne dieſelbe
kann man ſeine Würde weder als Menſch, noch als
Chriſt behaupten. Durch nichts kann aber der Ver-
ſtand beſſer ausgebildet werden, als durch frühes an-
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Religionskenntniſſe ſind die edelſten und beſten, die
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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