Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XXXV. Betrachtung.
nungen, zu edlen Thaten aufmuntern, daraus
will ich Weisheit lernen und Beruhigung schöpfen.
Waren es meine Versorger und Wohlthäter, die
mir der Tod entriß; so will ich dankbar ihre Asche
segnen, und das Andenken an ihre Liebe soll nie in
meinem Herzen verlöschen; aber ich will deswegen
nicht muthlos werden. Gott lebt ja noch, und
der kann leicht mir wieder gute Menschen zuführen,
die mich unterstützen, mir forthelfen und sich mei-
ner annehmen. Entriß mir der Tod hofnungs-
volle Kinder, die mir der Freuden schon viel ge-
währten, und für die Zukunft noch mehrere ver-
sprachen; so wird und soll mir ihr Verlust nahe
gehen, aber ich will mich auch damit trösten, daß
sie bey dir, o Gott, sind, wo ihrer Tugend und
Unschuld keine Gefahren mehr drohn, wo ihre An-
lagen und Fähigkeiten nicht unausgebildet bleiben,
wo sie besser erzogen werden, als ich es, auch bey
dem redlichsten Willen, nicht hätte thun können.
Uebrigens will ich, so lange ich in diesem Lande der
Sterblichkeit walle, in Liebe, Freundschaft und
Eintracht mit den Meinigen leben; ich will mich
mit ihnen zum bessern Leben vorbereiten, wo wir
nach einer kurzen Trennung unsre Freundschaft
fortsetzen werden. Denn dort in jenem Lande der
Unsterblichkeit, dort im Hause unsers himmlischen

Vaters,
P 4

XXXV. Betrachtung.
nungen, zu edlen Thaten aufmuntern, daraus
will ich Weisheit lernen und Beruhigung ſchöpfen.
Waren es meine Verſorger und Wohlthäter, die
mir der Tod entriß; ſo will ich dankbar ihre Aſche
ſegnen, und das Andenken an ihre Liebe ſoll nie in
meinem Herzen verlöſchen; aber ich will deswegen
nicht muthlos werden. Gott lebt ja noch, und
der kann leicht mir wieder gute Menſchen zuführen,
die mich unterſtützen, mir forthelfen und ſich mei-
ner annehmen. Entriß mir der Tod hofnungs-
volle Kinder, die mir der Freuden ſchon viel ge-
währten, und für die Zukunft noch mehrere ver-
ſprachen; ſo wird und ſoll mir ihr Verluſt nahe
gehen, aber ich will mich auch damit tröſten, daß
ſie bey dir, o Gott, ſind, wo ihrer Tugend und
Unſchuld keine Gefahren mehr drohn, wo ihre An-
lagen und Fähigkeiten nicht unausgebildet bleiben,
wo ſie beſſer erzogen werden, als ich es, auch bey
dem redlichſten Willen, nicht hätte thun können.
Uebrigens will ich, ſo lange ich in dieſem Lande der
Sterblichkeit walle, in Liebe, Freundſchaft und
Eintracht mit den Meinigen leben; ich will mich
mit ihnen zum beſſern Leben vorbereiten, wo wir
nach einer kurzen Trennung unſre Freundſchaft
fortſetzen werden. Denn dort in jenem Lande der
Unſterblichkeit, dort im Hauſe unſers himmliſchen

Vaters,
P 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0257" n="231"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXXV.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
nungen, zu edlen Thaten aufmuntern, daraus<lb/>
will ich Weisheit lernen und Beruhigung &#x017F;chöpfen.<lb/>
Waren es meine Ver&#x017F;orger und Wohlthäter, die<lb/>
mir der Tod entriß; &#x017F;o will ich dankbar ihre A&#x017F;che<lb/>
&#x017F;egnen, und das Andenken an ihre Liebe &#x017F;oll nie in<lb/>
meinem Herzen verlö&#x017F;chen; aber ich will deswegen<lb/>
nicht muthlos werden. Gott lebt ja noch, und<lb/>
der kann leicht mir wieder gute Men&#x017F;chen zuführen,<lb/>
die mich unter&#x017F;tützen, mir forthelfen und &#x017F;ich mei-<lb/>
ner annehmen. Entriß mir der Tod hofnungs-<lb/>
volle Kinder, die mir der Freuden &#x017F;chon viel ge-<lb/>
währten, und für die Zukunft noch mehrere ver-<lb/>
&#x017F;prachen; &#x017F;o wird und &#x017F;oll mir ihr Verlu&#x017F;t nahe<lb/>
gehen, aber ich will mich auch damit trö&#x017F;ten, daß<lb/>
&#x017F;ie bey dir, o Gott, &#x017F;ind, wo ihrer Tugend und<lb/>
Un&#x017F;chuld keine Gefahren mehr drohn, wo ihre An-<lb/>
lagen und Fähigkeiten nicht unausgebildet bleiben,<lb/>
wo &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er erzogen werden, als ich es, auch bey<lb/>
dem redlich&#x017F;ten Willen, nicht hätte thun können.<lb/>
Uebrigens will ich, &#x017F;o lange ich in die&#x017F;em Lande der<lb/>
Sterblichkeit walle, in Liebe, Freund&#x017F;chaft und<lb/>
Eintracht mit den Meinigen leben; ich will mich<lb/>
mit ihnen zum be&#x017F;&#x017F;ern Leben vorbereiten, wo wir<lb/>
nach einer kurzen Trennung un&#x017F;re Freund&#x017F;chaft<lb/>
fort&#x017F;etzen werden. Denn dort in jenem Lande der<lb/>
Un&#x017F;terblichkeit, dort im Hau&#x017F;e un&#x017F;ers himmli&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Vaters,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0257] XXXV. Betrachtung. nungen, zu edlen Thaten aufmuntern, daraus will ich Weisheit lernen und Beruhigung ſchöpfen. Waren es meine Verſorger und Wohlthäter, die mir der Tod entriß; ſo will ich dankbar ihre Aſche ſegnen, und das Andenken an ihre Liebe ſoll nie in meinem Herzen verlöſchen; aber ich will deswegen nicht muthlos werden. Gott lebt ja noch, und der kann leicht mir wieder gute Menſchen zuführen, die mich unterſtützen, mir forthelfen und ſich mei- ner annehmen. Entriß mir der Tod hofnungs- volle Kinder, die mir der Freuden ſchon viel ge- währten, und für die Zukunft noch mehrere ver- ſprachen; ſo wird und ſoll mir ihr Verluſt nahe gehen, aber ich will mich auch damit tröſten, daß ſie bey dir, o Gott, ſind, wo ihrer Tugend und Unſchuld keine Gefahren mehr drohn, wo ihre An- lagen und Fähigkeiten nicht unausgebildet bleiben, wo ſie beſſer erzogen werden, als ich es, auch bey dem redlichſten Willen, nicht hätte thun können. Uebrigens will ich, ſo lange ich in dieſem Lande der Sterblichkeit walle, in Liebe, Freundſchaft und Eintracht mit den Meinigen leben; ich will mich mit ihnen zum beſſern Leben vorbereiten, wo wir nach einer kurzen Trennung unſre Freundſchaft fortſetzen werden. Denn dort in jenem Lande der Unſterblichkeit, dort im Hauſe unſers himmliſchen Vaters, P 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/257
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/257>, abgerufen am 25.11.2024.