Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XXXIV. Betrachtung.
für mich, daß ich für sie zu Gott beten darf, daß ich
ihnen von Gott Hülfe in Gefahren, Beystand in der
Noth, Standhaftigkeit bey den Versuchungen zum
Bösen, und Belohnungen für ihre mir erzeigten Wohl-
thaten erflehen kann. Täglich will ich also meiner
nahen und fernen Brüder im Gebete vor Gott geden-
ken; täglich will ich sie mit liebevollem Herzen der
Fürsorge, Leitung und Regierung meines Gottes em-
pfehlen. Jch stehe ja ohnedem mit so vielen Menschen,
deren Hülfe und Dienstleistungen ich nicht entbehren
kann, in mehr als einer Verbindung. Tausend Men-
schen arbeiten täglich für meine Wohlfahrt, für mei-
ne Sicherheit, für meinen Unterricht, für die Befrie-
digung meiner Bedürfnisse. Sehr, recht sehr undank-
bar würde ich also handeln, wenn ich für alle die, wel-
che Gott als Werkzeuge meines Wohlstandes, als Be-
förderer meines Glücks braucht, nicht beten wollte?
Wie partheyisch, wie lieblos würde ich handeln, wenn
ich blos für mich beten, und meiner Mitmenschen ver-
gessen wollte! Nein! diesen Mangel an Menschenlie-
be will ich mir nicht zu Schulden kommen lassen.
Gott ist ja der Schöpfer und Vater aller Menschen;
Jesus ist ja der Heiland und Erlöser aller. Jch will
also, wenn ich auch sonst nichts zu ihrer Wohlfahrt
beytragen kann, mit herzlicher Theilnehmung für sie
beten. Jch selbst werde zuverläßig am meisten da-
bey gewinnen, und meine menschenfreundlichen Ge-

sinnun-

XXXIV. Betrachtung.
für mich, daß ich für ſie zu Gott beten darf, daß ich
ihnen von Gott Hülfe in Gefahren, Beyſtand in der
Noth, Standhaftigkeit bey den Verſuchungen zum
Böſen, und Belohnungen für ihre mir erzeigten Wohl-
thaten erflehen kann. Täglich will ich alſo meiner
nahen und fernen Brüder im Gebete vor Gott geden-
ken; täglich will ich ſie mit liebevollem Herzen der
Fürſorge, Leitung und Regierung meines Gottes em-
pfehlen. Jch ſtehe ja ohnedem mit ſo vielen Menſchen,
deren Hülfe und Dienſtleiſtungen ich nicht entbehren
kann, in mehr als einer Verbindung. Tauſend Men-
ſchen arbeiten täglich für meine Wohlfahrt, für mei-
ne Sicherheit, für meinen Unterricht, für die Befrie-
digung meiner Bedürfniſſe. Sehr, recht ſehr undank-
bar würde ich alſo handeln, wenn ich für alle die, wel-
che Gott als Werkzeuge meines Wohlſtandes, als Be-
förderer meines Glücks braucht, nicht beten wollte?
Wie partheyiſch, wie lieblos würde ich handeln, wenn
ich blos für mich beten, und meiner Mitmenſchen ver-
geſſen wollte! Nein! dieſen Mangel an Menſchenlie-
be will ich mir nicht zu Schulden kommen laſſen.
Gott iſt ja der Schöpfer und Vater aller Menſchen;
Jeſus iſt ja der Heiland und Erlöſer aller. Jch will
alſo, wenn ich auch ſonſt nichts zu ihrer Wohlfahrt
beytragen kann, mit herzlicher Theilnehmung für ſie
beten. Jch ſelbſt werde zuverläßig am meiſten da-
bey gewinnen, und meine menſchenfreundlichen Ge-

ſinnun-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0250" n="224"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXXIV.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
für mich, daß ich für &#x017F;ie zu Gott beten darf, daß ich<lb/>
ihnen von Gott Hülfe in Gefahren, Bey&#x017F;tand in der<lb/>
Noth, Standhaftigkeit bey den Ver&#x017F;uchungen zum<lb/>&#x017F;en, und Belohnungen für ihre mir erzeigten Wohl-<lb/>
thaten erflehen kann. Täglich will ich al&#x017F;o meiner<lb/>
nahen und fernen Brüder im Gebete vor Gott geden-<lb/>
ken; täglich will ich &#x017F;ie mit liebevollem Herzen der<lb/>
Für&#x017F;orge, Leitung und Regierung meines Gottes em-<lb/>
pfehlen. Jch &#x017F;tehe ja ohnedem mit &#x017F;o vielen Men&#x017F;chen,<lb/>
deren Hülfe und Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen ich nicht entbehren<lb/>
kann, in mehr als einer Verbindung. Tau&#x017F;end Men-<lb/>
&#x017F;chen arbeiten täglich für meine Wohlfahrt, für mei-<lb/>
ne Sicherheit, für meinen Unterricht, für die Befrie-<lb/>
digung meiner Bedürfni&#x017F;&#x017F;e. Sehr, recht &#x017F;ehr undank-<lb/>
bar würde ich al&#x017F;o handeln, wenn ich für alle die, wel-<lb/>
che Gott als Werkzeuge meines Wohl&#x017F;tandes, als Be-<lb/>
förderer meines Glücks braucht, nicht beten wollte?<lb/>
Wie partheyi&#x017F;ch, wie lieblos würde ich handeln, wenn<lb/>
ich blos für mich beten, und meiner Mitmen&#x017F;chen ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en wollte! Nein! die&#x017F;en Mangel an Men&#x017F;chenlie-<lb/>
be will ich mir nicht zu Schulden kommen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Gott i&#x017F;t ja der Schöpfer und Vater aller Men&#x017F;chen;<lb/>
Je&#x017F;us i&#x017F;t ja der Heiland und Erlö&#x017F;er aller. Jch will<lb/>
al&#x017F;o, wenn ich auch &#x017F;on&#x017F;t nichts zu ihrer Wohlfahrt<lb/>
beytragen kann, mit herzlicher Theilnehmung für &#x017F;ie<lb/>
beten. Jch &#x017F;elb&#x017F;t werde zuverläßig am mei&#x017F;ten da-<lb/>
bey gewinnen, und meine men&#x017F;chenfreundlichen Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;innun-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0250] XXXIV. Betrachtung. für mich, daß ich für ſie zu Gott beten darf, daß ich ihnen von Gott Hülfe in Gefahren, Beyſtand in der Noth, Standhaftigkeit bey den Verſuchungen zum Böſen, und Belohnungen für ihre mir erzeigten Wohl- thaten erflehen kann. Täglich will ich alſo meiner nahen und fernen Brüder im Gebete vor Gott geden- ken; täglich will ich ſie mit liebevollem Herzen der Fürſorge, Leitung und Regierung meines Gottes em- pfehlen. Jch ſtehe ja ohnedem mit ſo vielen Menſchen, deren Hülfe und Dienſtleiſtungen ich nicht entbehren kann, in mehr als einer Verbindung. Tauſend Men- ſchen arbeiten täglich für meine Wohlfahrt, für mei- ne Sicherheit, für meinen Unterricht, für die Befrie- digung meiner Bedürfniſſe. Sehr, recht ſehr undank- bar würde ich alſo handeln, wenn ich für alle die, wel- che Gott als Werkzeuge meines Wohlſtandes, als Be- förderer meines Glücks braucht, nicht beten wollte? Wie partheyiſch, wie lieblos würde ich handeln, wenn ich blos für mich beten, und meiner Mitmenſchen ver- geſſen wollte! Nein! dieſen Mangel an Menſchenlie- be will ich mir nicht zu Schulden kommen laſſen. Gott iſt ja der Schöpfer und Vater aller Menſchen; Jeſus iſt ja der Heiland und Erlöſer aller. Jch will alſo, wenn ich auch ſonſt nichts zu ihrer Wohlfahrt beytragen kann, mit herzlicher Theilnehmung für ſie beten. Jch ſelbſt werde zuverläßig am meiſten da- bey gewinnen, und meine menſchenfreundlichen Ge- ſinnun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/250
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/250>, abgerufen am 22.11.2024.