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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XXXI. Betrachtung.
te sich auf der Stelle in alle Umstände zu schicken,
bey jeder Gelegenheit die größten Vortheile zu erhal-
ten, und bey jeder Veranlassung die schicklichsten
Einrichtungen zu treffen. Er verstand die Kunst,
jeden Menschen so zu behandeln, wie er behandelt
werden muß. Er konnte sich aus der gefährlichsten
Lage, wo er von verschmizten Feinden umringt war,
glücklich herausziehen, weil er immer mit der größ-
ten Genauigkeit auf alles aufmerksam war, was um
und neben ihm vorgieng. Denn ob er gleich mit der
Macht, Wunder zu thun, begabt war, und durch
deren Hülfe alle Anschläge und Nachstellungen seiner
Feinde sehr leicht hätte vereiteln können: so gebrauch-
te er doch lieber die Mittel, die uns die wahre Klug-
heit in solchen Fällen vorschreibt. Gleich Anfangs
wählte er sehr vorsichtig nicht die Hauptstadt Jeru-
salem zum Schauplatz seiner Lehren und Thaten, son-
dern das entfernte Galiläa;*) nicht nur, weil das
mit einer Weissagung des Propheten übereinstimm-
te, sondern weil er hier im Stillen den Saamen der
Wahrheit ausbreiten, und den Grund zu seinem Rei-
che legen konnte, ohne viel Aufsehn zu machen, ohne
sogleich den Neid und den Verfolgungsgeist der Vor-
nehmen und Gelehrten zu erregen. Klugheit war es,
daß er nicht solche Personen zu seinen ersten Schülern
wählte, die aus vornehmen Familien entsprossen, und
mit der damaligen Gelehrsamkeit bekannt waren,

son-
*) Matth. 4, 13-16.

XXXI. Betrachtung.
te ſich auf der Stelle in alle Umſtände zu ſchicken,
bey jeder Gelegenheit die größten Vortheile zu erhal-
ten, und bey jeder Veranlaſſung die ſchicklichſten
Einrichtungen zu treffen. Er verſtand die Kunſt,
jeden Menſchen ſo zu behandeln, wie er behandelt
werden muß. Er konnte ſich aus der gefährlichſten
Lage, wo er von verſchmizten Feinden umringt war,
glücklich herausziehen, weil er immer mit der größ-
ten Genauigkeit auf alles aufmerkſam war, was um
und neben ihm vorgieng. Denn ob er gleich mit der
Macht, Wunder zu thun, begabt war, und durch
deren Hülfe alle Anſchläge und Nachſtellungen ſeiner
Feinde ſehr leicht hätte vereiteln können: ſo gebrauch-
te er doch lieber die Mittel, die uns die wahre Klug-
heit in ſolchen Fällen vorſchreibt. Gleich Anfangs
wählte er ſehr vorſichtig nicht die Hauptſtadt Jeru-
ſalem zum Schauplatz ſeiner Lehren und Thaten, ſon-
dern das entfernte Galiläa;*) nicht nur, weil das
mit einer Weiſſagung des Propheten übereinſtimm-
te, ſondern weil er hier im Stillen den Saamen der
Wahrheit ausbreiten, und den Grund zu ſeinem Rei-
che legen konnte, ohne viel Aufſehn zu machen, ohne
ſogleich den Neid und den Verfolgungsgeiſt der Vor-
nehmen und Gelehrten zu erregen. Klugheit war es,
daß er nicht ſolche Perſonen zu ſeinen erſten Schülern
wählte, die aus vornehmen Familien entſproſſen, und
mit der damaligen Gelehrſamkeit bekannt waren,

ſon-
*) Matth. 4, 13-16.
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[202/0228] XXXI. Betrachtung. te ſich auf der Stelle in alle Umſtände zu ſchicken, bey jeder Gelegenheit die größten Vortheile zu erhal- ten, und bey jeder Veranlaſſung die ſchicklichſten Einrichtungen zu treffen. Er verſtand die Kunſt, jeden Menſchen ſo zu behandeln, wie er behandelt werden muß. Er konnte ſich aus der gefährlichſten Lage, wo er von verſchmizten Feinden umringt war, glücklich herausziehen, weil er immer mit der größ- ten Genauigkeit auf alles aufmerkſam war, was um und neben ihm vorgieng. Denn ob er gleich mit der Macht, Wunder zu thun, begabt war, und durch deren Hülfe alle Anſchläge und Nachſtellungen ſeiner Feinde ſehr leicht hätte vereiteln können: ſo gebrauch- te er doch lieber die Mittel, die uns die wahre Klug- heit in ſolchen Fällen vorſchreibt. Gleich Anfangs wählte er ſehr vorſichtig nicht die Hauptſtadt Jeru- ſalem zum Schauplatz ſeiner Lehren und Thaten, ſon- dern das entfernte Galiläa; *) nicht nur, weil das mit einer Weiſſagung des Propheten übereinſtimm- te, ſondern weil er hier im Stillen den Saamen der Wahrheit ausbreiten, und den Grund zu ſeinem Rei- che legen konnte, ohne viel Aufſehn zu machen, ohne ſogleich den Neid und den Verfolgungsgeiſt der Vor- nehmen und Gelehrten zu erregen. Klugheit war es, daß er nicht ſolche Perſonen zu ſeinen erſten Schülern wählte, die aus vornehmen Familien entſproſſen, und mit der damaligen Gelehrſamkeit bekannt waren, ſon- *) Matth. 4, 13-16.

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/228>, abgerufen am 22.11.2024.