die freundlich reden mit ihrem Nächsten, und haben Böses im Herzen.*)
Willst du also sein Schüler seyn, und seiner Re- ligion Ehre machen: so sey ein Freund der Wahrheit und Aufrichtigkeit, wie Er. Befleißige dich dieser Tugenden in deinen Reden und Gesinnungen, damit man nie fürchten dürfe, daß du Böses im Sinne ha- best. Betrachte das vorsetzliche Lügen nicht als eine Kleinigkeit, nicht als einen sehr verzeihlichen Fehler, sondern bedenke, daß du dadurch das Zutrauen dei- ner Mitmenschen verlierest, wenn du als ein Lügner, beschämt und gedemüthiget, schweigen mußt; da doch gleichwohl von dem Zutrauen anderer, in den meisten Fällen, dein äußerliches Wohl recht sichtbar abhängt. Schmeichle nie deinem Nächsten auf eine niedrige und kriechende Art! den Unvorsichtigen wür- dest du zwar täuschen und seine Leichtgläubigkeit ein- schläfern; aber den Scharfsichtigen wirst du nicht hintergehen; er wird bald deine unlautern Absichten gewahr werden, du wirst seinen Unwillen erregen, und dir seine Verachtung zuziehen. Verschweige die Wahrheit nie, wo sie Nutzen stiftet, wo dir dein Gewissen über ein unzeitiges Stillschweigen Vorwür- fe machen könnte, wo Gottes Ehre, Unschuld und Tugend darunter leiden würden. Versprich lieber wenig; aber halte desto gewissenhafter, was du ein- mal zugesagt hast! denn es ist besser du gelobest
nichts,
*) Ps. 28, 3.
XXIX. Betrachtung.
die freundlich reden mit ihrem Nächſten, und haben Böſes im Herzen.*)
Willſt du alſo ſein Schüler ſeyn, und ſeiner Re- ligion Ehre machen: ſo ſey ein Freund der Wahrheit und Aufrichtigkeit, wie Er. Befleißige dich dieſer Tugenden in deinen Reden und Geſinnungen, damit man nie fürchten dürfe, daß du Böſes im Sinne ha- beſt. Betrachte das vorſetzliche Lügen nicht als eine Kleinigkeit, nicht als einen ſehr verzeihlichen Fehler, ſondern bedenke, daß du dadurch das Zutrauen dei- ner Mitmenſchen verliereſt, wenn du als ein Lügner, beſchämt und gedemüthiget, ſchweigen mußt; da doch gleichwohl von dem Zutrauen anderer, in den meiſten Fällen, dein äußerliches Wohl recht ſichtbar abhängt. Schmeichle nie deinem Nächſten auf eine niedrige und kriechende Art! den Unvorſichtigen wür- deſt du zwar täuſchen und ſeine Leichtgläubigkeit ein- ſchläfern; aber den Scharfſichtigen wirſt du nicht hintergehen; er wird bald deine unlautern Abſichten gewahr werden, du wirſt ſeinen Unwillen erregen, und dir ſeine Verachtung zuziehen. Verſchweige die Wahrheit nie, wo ſie Nutzen ſtiftet, wo dir dein Gewiſſen über ein unzeitiges Stillſchweigen Vorwür- fe machen könnte, wo Gottes Ehre, Unſchuld und Tugend darunter leiden würden. Verſprich lieber wenig; aber halte deſto gewiſſenhafter, was du ein- mal zugeſagt haſt! denn es iſt beſſer du gelobeſt
nichts,
*) Pſ. 28, 3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="192"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">XXIX.</hi> Betrachtung.</fw><lb/><hirendition="#fr">die freundlich reden mit ihrem Nächſten, und haben<lb/>
Böſes im Herzen.</hi><noteplace="foot"n="*)">Pſ. 28, 3.</note></p><lb/><p>Willſt du alſo ſein Schüler ſeyn, und ſeiner Re-<lb/>
ligion Ehre machen: ſo ſey ein Freund der Wahrheit<lb/>
und Aufrichtigkeit, wie Er. Befleißige dich dieſer<lb/>
Tugenden in deinen Reden und Geſinnungen, damit<lb/>
man nie fürchten dürfe, daß du Böſes im Sinne ha-<lb/>
beſt. Betrachte das vorſetzliche Lügen nicht als eine<lb/>
Kleinigkeit, nicht als einen ſehr verzeihlichen Fehler,<lb/>ſondern bedenke, daß du dadurch das Zutrauen dei-<lb/>
ner Mitmenſchen verliereſt, wenn du als ein Lügner,<lb/>
beſchämt und gedemüthiget, ſchweigen mußt; da<lb/>
doch gleichwohl von dem Zutrauen anderer, in den<lb/>
meiſten Fällen, dein äußerliches Wohl recht ſichtbar<lb/>
abhängt. Schmeichle nie deinem Nächſten auf eine<lb/>
niedrige und kriechende Art! den Unvorſichtigen wür-<lb/>
deſt du zwar täuſchen und ſeine Leichtgläubigkeit ein-<lb/>ſchläfern; aber den Scharfſichtigen wirſt du nicht<lb/>
hintergehen; er wird bald deine unlautern Abſichten<lb/>
gewahr werden, du wirſt ſeinen Unwillen erregen,<lb/>
und dir ſeine Verachtung zuziehen. Verſchweige<lb/>
die Wahrheit nie, wo ſie Nutzen ſtiftet, wo dir dein<lb/>
Gewiſſen über ein unzeitiges Stillſchweigen Vorwür-<lb/>
fe machen könnte, wo Gottes Ehre, Unſchuld und<lb/>
Tugend darunter leiden würden. Verſprich lieber<lb/>
wenig; aber halte deſto gewiſſenhafter, was du ein-<lb/>
mal zugeſagt haſt! denn <hirendition="#fr">es iſt beſſer du gelobeſt</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">nichts,</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[192/0218]
XXIX. Betrachtung.
die freundlich reden mit ihrem Nächſten, und haben
Böſes im Herzen. *)
Willſt du alſo ſein Schüler ſeyn, und ſeiner Re-
ligion Ehre machen: ſo ſey ein Freund der Wahrheit
und Aufrichtigkeit, wie Er. Befleißige dich dieſer
Tugenden in deinen Reden und Geſinnungen, damit
man nie fürchten dürfe, daß du Böſes im Sinne ha-
beſt. Betrachte das vorſetzliche Lügen nicht als eine
Kleinigkeit, nicht als einen ſehr verzeihlichen Fehler,
ſondern bedenke, daß du dadurch das Zutrauen dei-
ner Mitmenſchen verliereſt, wenn du als ein Lügner,
beſchämt und gedemüthiget, ſchweigen mußt; da
doch gleichwohl von dem Zutrauen anderer, in den
meiſten Fällen, dein äußerliches Wohl recht ſichtbar
abhängt. Schmeichle nie deinem Nächſten auf eine
niedrige und kriechende Art! den Unvorſichtigen wür-
deſt du zwar täuſchen und ſeine Leichtgläubigkeit ein-
ſchläfern; aber den Scharfſichtigen wirſt du nicht
hintergehen; er wird bald deine unlautern Abſichten
gewahr werden, du wirſt ſeinen Unwillen erregen,
und dir ſeine Verachtung zuziehen. Verſchweige
die Wahrheit nie, wo ſie Nutzen ſtiftet, wo dir dein
Gewiſſen über ein unzeitiges Stillſchweigen Vorwür-
fe machen könnte, wo Gottes Ehre, Unſchuld und
Tugend darunter leiden würden. Verſprich lieber
wenig; aber halte deſto gewiſſenhafter, was du ein-
mal zugeſagt haſt! denn es iſt beſſer du gelobeſt
nichts,
*) Pſ. 28, 3.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/218>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.