Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXIX. Betrachtung. ten Theil leicht an sich gezogen, und so sich gegen alleAnfälle gesichert haben. Aber seine Liebe zur Wahrheit und Offenherzigkeit erlaubte ihm nicht, so etwas zu thun; und eben deswegen machte er ih- nen nicht die geringste Hofnung, sondern entfernte alles, was nur einen Schein hatte, ihre irdischen Absichten zu begünstigen. Man sieht hieraus, wie unser Herr von allen Entwürfen des Ehrgeizes und der Herrschsucht, die ihm verschiedene neuere Gegner des Christenthums ohne allen Grund zuschreiben, ent- fernt war, wie es ihm lediglich darum zu thun war, nur für seine Bestimmung zu leben: ich bin dazu ge- boren und in die Welt kommen, daß ich die Wahr- heit zeuge.*) das heißt, daß ich an statt falscher Menschensatzungen, richtige Religionswahrheiten vor- tragen soll. Selbst daraus, daß der Erlöser so of- fenherzig seinen Jüngern sein bevorstehendes Leiden ankündigte,**) kann man seine Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe erkennen. Nie schmeichelte er ih- nen mit falschen Hofnungen für die Zukunft; nie suchte er sie durch leere Versprechungen zu gewinnen, noch durch Vortheile, die ihren Wünschen gemäß wa- ren, in seiner Nachfolge zu erhalten. Er machte ihnen vielmehr Dinge bekannt, die alle ihre Erwar- tungen, alle ihre Aussichten auf irdische Hoheit und weltliche Macht zernichteten. Anstatt des königli- chen *) Joh. 18, 37. **) Matth. 20, 17. 18. 19.
XXIX. Betrachtung. ten Theil leicht an ſich gezogen, und ſo ſich gegen alleAnfälle geſichert haben. Aber ſeine Liebe zur Wahrheit und Offenherzigkeit erlaubte ihm nicht, ſo etwas zu thun; und eben deswegen machte er ih- nen nicht die geringſte Hofnung, ſondern entfernte alles, was nur einen Schein hatte, ihre irdiſchen Abſichten zu begünſtigen. Man ſieht hieraus, wie unſer Herr von allen Entwürfen des Ehrgeizes und der Herrſchſucht, die ihm verſchiedene neuere Gegner des Chriſtenthums ohne allen Grund zuſchreiben, ent- fernt war, wie es ihm lediglich darum zu thun war, nur für ſeine Beſtimmung zu leben: ich bin dazu ge- boren und in die Welt kommen, daß ich die Wahr- heit zeuge.*) das heißt, daß ich an ſtatt falſcher Menſchenſatzungen, richtige Religionswahrheiten vor- tragen ſoll. Selbſt daraus, daß der Erlöſer ſo of- fenherzig ſeinen Jüngern ſein bevorſtehendes Leiden ankündigte,**) kann man ſeine Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe erkennen. Nie ſchmeichelte er ih- nen mit falſchen Hofnungen für die Zukunft; nie ſuchte er ſie durch leere Verſprechungen zu gewinnen, noch durch Vortheile, die ihren Wünſchen gemäß wa- ren, in ſeiner Nachfolge zu erhalten. Er machte ihnen vielmehr Dinge bekannt, die alle ihre Erwar- tungen, alle ihre Ausſichten auf irdiſche Hoheit und weltliche Macht zernichteten. Anſtatt des königli- chen *) Joh. 18, 37. **) Matth. 20, 17. 18. 19.
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XXIX. Betrachtung.
ten Theil leicht an ſich gezogen, und ſo ſich gegen alle
Anfälle geſichert haben. Aber ſeine Liebe zur
Wahrheit und Offenherzigkeit erlaubte ihm nicht,
ſo etwas zu thun; und eben deswegen machte er ih-
nen nicht die geringſte Hofnung, ſondern entfernte
alles, was nur einen Schein hatte, ihre irdiſchen
Abſichten zu begünſtigen. Man ſieht hieraus, wie
unſer Herr von allen Entwürfen des Ehrgeizes und
der Herrſchſucht, die ihm verſchiedene neuere Gegner
des Chriſtenthums ohne allen Grund zuſchreiben, ent-
fernt war, wie es ihm lediglich darum zu thun war,
nur für ſeine Beſtimmung zu leben: ich bin dazu ge-
boren und in die Welt kommen, daß ich die Wahr-
heit zeuge. *) das heißt, daß ich an ſtatt falſcher
Menſchenſatzungen, richtige Religionswahrheiten vor-
tragen ſoll. Selbſt daraus, daß der Erlöſer ſo of-
fenherzig ſeinen Jüngern ſein bevorſtehendes Leiden
ankündigte, **) kann man ſeine Aufrichtigkeit und
Wahrheitsliebe erkennen. Nie ſchmeichelte er ih-
nen mit falſchen Hofnungen für die Zukunft; nie
ſuchte er ſie durch leere Verſprechungen zu gewinnen,
noch durch Vortheile, die ihren Wünſchen gemäß wa-
ren, in ſeiner Nachfolge zu erhalten. Er machte
ihnen vielmehr Dinge bekannt, die alle ihre Erwar-
tungen, alle ihre Ausſichten auf irdiſche Hoheit und
weltliche Macht zernichteten. Anſtatt des königli-
chen
*) Joh. 18, 37.
**) Matth. 20, 17. 18. 19.
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