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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XVI. Betrachtung.
wenn er nur für andre gelebt und gearbeitet hatte, so
suchte er nun bey hereinbrechendem Abende die stille
Einsamkeit, um sich mit Gott im Gebet zu unterhal-
ten. Er unternahm nichts ohne Gebet, und er be-
schloß keinen Tag ohne dasselbe. Ja man kann mit
weit größerem Rechte das von ihm sagen, was man
vom Socrates behauptete: Sein ganzes Leben war
ein Leben des Gebets.
Oft widmete er ganze Näch-
te zu diesen seligen Unterhaltungen mit Gott. Jn-
dem alles um ihn her schlief, bestieg er einen einsamen
Berg, und wählte da die feyerliche Stille zu seinen
geheimen Unterredungen mit Gott, weil er wußte,
wie sehr einsame Stille das ruhige Nachdenken und
die freye Ergiessung des Herzens begünstigt. Die
Sonne sahe ihn bey ihrem täglichen Laufe unabläßig
beschäftigt, und die Sterne waren des Nachts Zeu-
gen seiner Jnbrunst. Mit einem Worte, sein Le-
ben war stets zwischen Gott und den Menschen ge-
theilt. Daher heißt es auch ausdrücklich von ihm:
er blieb die Nacht über im Gebete zu Gott.*) Aber
er betete auch sonst, so oft er eine wichtige Sache un-
ternehmen und ausführen wollte. Er betete die
Nacht vorher, ehe er seine Apostel wählte;**) er be-
tete, so oft er Speise und Trank nahm; er betete
und seufzete schwer auf zu seinem Vater, so oft er
die Blindheit seiner Landsleute, und ihre Verführung

durch
*) Luc. 6, 12.
**) Mar. 3, 13.

XVI. Betrachtung.
wenn er nur für andre gelebt und gearbeitet hatte, ſo
ſuchte er nun bey hereinbrechendem Abende die ſtille
Einſamkeit, um ſich mit Gott im Gebet zu unterhal-
ten. Er unternahm nichts ohne Gebet, und er be-
ſchloß keinen Tag ohne daſſelbe. Ja man kann mit
weit größerem Rechte das von ihm ſagen, was man
vom Socrates behauptete: Sein ganzes Leben war
ein Leben des Gebets.
Oft widmete er ganze Näch-
te zu dieſen ſeligen Unterhaltungen mit Gott. Jn-
dem alles um ihn her ſchlief, beſtieg er einen einſamen
Berg, und wählte da die feyerliche Stille zu ſeinen
geheimen Unterredungen mit Gott, weil er wußte,
wie ſehr einſame Stille das ruhige Nachdenken und
die freye Ergieſſung des Herzens begünſtigt. Die
Sonne ſahe ihn bey ihrem täglichen Laufe unabläßig
beſchäftigt, und die Sterne waren des Nachts Zeu-
gen ſeiner Jnbrunſt. Mit einem Worte, ſein Le-
ben war ſtets zwiſchen Gott und den Menſchen ge-
theilt. Daher heißt es auch ausdrücklich von ihm:
er blieb die Nacht über im Gebete zu Gott.*) Aber
er betete auch ſonſt, ſo oft er eine wichtige Sache un-
ternehmen und ausführen wollte. Er betete die
Nacht vorher, ehe er ſeine Apoſtel wählte;**) er be-
tete, ſo oft er Speiſe und Trank nahm; er betete
und ſeufzete ſchwer auf zu ſeinem Vater, ſo oft er
die Blindheit ſeiner Landsleute, und ihre Verführung

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*) Luc. 6, 12.
**) Mar. 3, 13.
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[98/0124] XVI. Betrachtung. wenn er nur für andre gelebt und gearbeitet hatte, ſo ſuchte er nun bey hereinbrechendem Abende die ſtille Einſamkeit, um ſich mit Gott im Gebet zu unterhal- ten. Er unternahm nichts ohne Gebet, und er be- ſchloß keinen Tag ohne daſſelbe. Ja man kann mit weit größerem Rechte das von ihm ſagen, was man vom Socrates behauptete: Sein ganzes Leben war ein Leben des Gebets. Oft widmete er ganze Näch- te zu dieſen ſeligen Unterhaltungen mit Gott. Jn- dem alles um ihn her ſchlief, beſtieg er einen einſamen Berg, und wählte da die feyerliche Stille zu ſeinen geheimen Unterredungen mit Gott, weil er wußte, wie ſehr einſame Stille das ruhige Nachdenken und die freye Ergieſſung des Herzens begünſtigt. Die Sonne ſahe ihn bey ihrem täglichen Laufe unabläßig beſchäftigt, und die Sterne waren des Nachts Zeu- gen ſeiner Jnbrunſt. Mit einem Worte, ſein Le- ben war ſtets zwiſchen Gott und den Menſchen ge- theilt. Daher heißt es auch ausdrücklich von ihm: er blieb die Nacht über im Gebete zu Gott. *) Aber er betete auch ſonſt, ſo oft er eine wichtige Sache un- ternehmen und ausführen wollte. Er betete die Nacht vorher, ehe er ſeine Apoſtel wählte; **) er be- tete, ſo oft er Speiſe und Trank nahm; er betete und ſeufzete ſchwer auf zu ſeinem Vater, ſo oft er die Blindheit ſeiner Landsleute, und ihre Verführung durch *) Luc. 6, 12. **) Mar. 3, 13.

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/124>, abgerufen am 27.11.2024.