leben lerne, so wird das alles, so sehr auch eine gute Mutter dahin wirkt, dennoch recht und vollaus nicht zu Stande kommen, wenn das Kind wahrnimmt, daß das, was die Mutter ihm als ehrwürdig und wichtig darstellt und an's Herz zu legen sucht, dem Vater gleichgültig ist, daß er sich daraus wenig oder gar nichts macht, wenn es aus seinem Munde nie etwas davon vernimmt. Und wie erst, wenn es sogar merken müßte, daß der Vater dagegen nicht blos gleichgültig, sondern gradzu eingenommen, abgeneigt wäre? Vollends, wenn es aus seinem Munde dahin gehende Worte und Redensarten zu hören bekäme?
Oder es handelt sich um Anleitung des Kindes zum christlichen Leben. Die Mutter läßt sich dieselbe angelegen sein. Belehrend, ermunternd, anleitend, durch Wort und Beispiel sucht sie das Kind früh zu gewöhnen an regelmäßiges Beten am Morgen und Abende, an den Besuch der Kirche, an die Anhörung des göttlichen Wortes, und zur Zeit an den Empfang der hh. Sakramente; sie warnt vor Sünde und leitet das Kind an zum Kampfe dagegen; sie sucht es ein- zuführen in die Uebung der christlichen Tugenden. Aber ach, wie sehr wird der Erfolg ihrer schönen Bestrebungen durch den Vater beeinträchtigt! Oder läßt sich erwarten, daß das Kind für alle jene so wichtigen und wesentlichen christlichen Uebungen und Bestrebungen recht vollherzig werde gewonnen werden oder bleiben, wenn es am Vater wenig oder nichts von ihnen wahrnimmt, ja wenn es sieht, daß diesel- ben dem Vater gleichgültig sind? Der Eindruck dieser Wahrnehmung wird desto verderblicher wirken wegen jenes dem Kinde in Betreff seiner Eltern angebornen Nachahmungstriebes, welcher in Beziehung auf den
leben lerne, so wird das alles, so sehr auch eine gute Mutter dahin wirkt, dennoch recht und vollaus nicht zu Stande kommen, wenn das Kind wahrnimmt, daß das, was die Mutter ihm als ehrwürdig und wichtig darstellt und an's Herz zu legen sucht, dem Vater gleichgültig ist, daß er sich daraus wenig oder gar nichts macht, wenn es aus seinem Munde nie etwas davon vernimmt. Und wie erst, wenn es sogar merken müßte, daß der Vater dagegen nicht blos gleichgültig, sondern gradzu eingenommen, abgeneigt wäre? Vollends, wenn es aus seinem Munde dahin gehende Worte und Redensarten zu hören bekäme?
Oder es handelt sich um Anleitung des Kindes zum christlichen Leben. Die Mutter läßt sich dieselbe angelegen sein. Belehrend, ermunternd, anleitend, durch Wort und Beispiel sucht sie das Kind früh zu gewöhnen an regelmäßiges Beten am Morgen und Abende, an den Besuch der Kirche, an die Anhörung des göttlichen Wortes, und zur Zeit an den Empfang der hh. Sakramente; sie warnt vor Sünde und leitet das Kind an zum Kampfe dagegen; sie sucht es ein- zuführen in die Uebung der christlichen Tugenden. Aber ach, wie sehr wird der Erfolg ihrer schönen Bestrebungen durch den Vater beeinträchtigt! Oder läßt sich erwarten, daß das Kind für alle jene so wichtigen und wesentlichen christlichen Uebungen und Bestrebungen recht vollherzig werde gewonnen werden oder bleiben, wenn es am Vater wenig oder nichts von ihnen wahrnimmt, ja wenn es sieht, daß diesel- ben dem Vater gleichgültig sind? Der Eindruck dieser Wahrnehmung wird desto verderblicher wirken wegen jenes dem Kinde in Betreff seiner Eltern angebornen Nachahmungstriebes, welcher in Beziehung auf den
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leben lerne, so wird das alles, so sehr auch eine gute
Mutter dahin wirkt, dennoch recht und vollaus nicht
zu Stande kommen, wenn das Kind wahrnimmt, daß
das, was die Mutter ihm als ehrwürdig und wichtig
darstellt und an's Herz zu legen sucht, dem Vater
gleichgültig ist, daß er sich daraus wenig oder gar
nichts macht, wenn es aus seinem Munde nie etwas
davon vernimmt. Und wie erst, wenn es sogar merken
müßte, daß der Vater dagegen nicht blos gleichgültig,
sondern gradzu eingenommen, abgeneigt wäre?
Vollends, wenn es aus seinem Munde dahin gehende
Worte und Redensarten zu hören bekäme?
Oder es handelt sich um Anleitung des Kindes
zum christlichen Leben. Die Mutter läßt sich dieselbe
angelegen sein. Belehrend, ermunternd, anleitend,
durch Wort und Beispiel sucht sie das Kind früh zu
gewöhnen an regelmäßiges Beten am Morgen und
Abende, an den Besuch der Kirche, an die Anhörung
des göttlichen Wortes, und zur Zeit an den Empfang
der hh. Sakramente; sie warnt vor Sünde und leitet
das Kind an zum Kampfe dagegen; sie sucht es ein-
zuführen in die Uebung der christlichen Tugenden.
Aber ach, wie sehr wird der Erfolg ihrer schönen
Bestrebungen durch den Vater beeinträchtigt! Oder
läßt sich erwarten, daß das Kind für alle jene so
wichtigen und wesentlichen christlichen Uebungen und
Bestrebungen recht vollherzig werde gewonnen werden
oder bleiben, wenn es am Vater wenig oder nichts
von ihnen wahrnimmt, ja wenn es sieht, daß diesel-
ben dem Vater gleichgültig sind? Der Eindruck dieser
Wahrnehmung wird desto verderblicher wirken wegen
jenes dem Kinde in Betreff seiner Eltern angebornen
Nachahmungstriebes, welcher in Beziehung auf den
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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/39>, abgerufen am 27.11.2024.
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