ihre Frömmigkeit, desto näher liegt ihr der gedachte Wunsch, desto inniger wird er sich in ihrem Her- zen regen. Ja es könnte nach Umständen als ein bedenkliches Zeichen für die christliche Verfassung eines Mutterherzens gelten, wenn dasselbe die Re- gungen eines solchen Wunsches nie in sich ver- spürte, wenn derselbe ihr fremd wäre, ja, wenn sogar eine Mutter den Gedanken, daß einer ihrer Söhne in den geistlichen Stand treten sollte, als an sich!*) unliebsam abwiese; wir würden uns nie dazu verstehen, sie für eine echt christliche Mut- ter zu halten; so sehr sie auch vielleicht sich selbst dafür erachten und den Schein der Frömmigkeit um sich verbreiten möchte.
Auch noch aus einem andern Gesichtspunkte müssen wir das behaupten. Ein ganz wesentlicher Bestandtheil einer echten katholischen Frömmigkeit ist die Liebe zur h. Kirche. Der echte, treue Katholik hat ein Herz für seine h. Kirche, ihr Wohl liegt ihm am Herzen; voll Hochschätzung gegen sie und voll Verlangen, daß das ihr vom Herrn anver- traute Heil mehr und mehr verbreitet und an die Menschen gebracht werde, betet er unablässig für sie, daß der Herr ihr darin zur Seite stehe; gern bringt er auch selbst Opfer, um dazu beizutragen. Was aber ist für die h. Kirche, wenn es sich darum handelt, daß ihr Heil eine möglichst große Ver- breitung finde, von größerer Bedeutung, als wahr- haft gute, fromme und tüchtige Priester. Darum
*) Anders wäre es freilich, wenn sie triftige, auch vor der christlichen Vernunft gültig Gründe hätte, das nicht zu wünschen.
ihre Frömmigkeit, desto näher liegt ihr der gedachte Wunsch, desto inniger wird er sich in ihrem Her- zen regen. Ja es könnte nach Umständen als ein bedenkliches Zeichen für die christliche Verfassung eines Mutterherzens gelten, wenn dasselbe die Re- gungen eines solchen Wunsches nie in sich ver- spürte, wenn derselbe ihr fremd wäre, ja, wenn sogar eine Mutter den Gedanken, daß einer ihrer Söhne in den geistlichen Stand treten sollte, als an sich!*) unliebsam abwiese; wir würden uns nie dazu verstehen, sie für eine echt christliche Mut- ter zu halten; so sehr sie auch vielleicht sich selbst dafür erachten und den Schein der Frömmigkeit um sich verbreiten möchte.
Auch noch aus einem andern Gesichtspunkte müssen wir das behaupten. Ein ganz wesentlicher Bestandtheil einer echten katholischen Frömmigkeit ist die Liebe zur h. Kirche. Der echte, treue Katholik hat ein Herz für seine h. Kirche, ihr Wohl liegt ihm am Herzen; voll Hochschätzung gegen sie und voll Verlangen, daß das ihr vom Herrn anver- traute Heil mehr und mehr verbreitet und an die Menschen gebracht werde, betet er unablässig für sie, daß der Herr ihr darin zur Seite stehe; gern bringt er auch selbst Opfer, um dazu beizutragen. Was aber ist für die h. Kirche, wenn es sich darum handelt, daß ihr Heil eine möglichst große Ver- breitung finde, von größerer Bedeutung, als wahr- haft gute, fromme und tüchtige Priester. Darum
*) Anders wäre es freilich, wenn sie triftige, auch vor der christlichen Vernunft gültig Gründe hätte, das nicht zu wünschen.
<TEI><textxml:id="C889_001_1874"><group><text><body><div><p><pbfacs="#f0328"xml:id="C889_001_1874_pb0117_0001"n="117"/>
ihre Frömmigkeit, desto näher liegt ihr der gedachte<lb/>
Wunsch, desto inniger wird er sich in ihrem Her-<lb/>
zen regen. Ja es könnte nach Umständen als ein<lb/>
bedenkliches Zeichen für die christliche Verfassung<lb/>
eines Mutterherzens gelten, wenn dasselbe die Re-<lb/>
gungen eines solchen Wunsches nie in sich ver-<lb/>
spürte, wenn derselbe ihr fremd wäre, ja, wenn<lb/>
sogar eine Mutter den Gedanken, daß einer ihrer<lb/>
Söhne in den geistlichen Stand treten sollte, als<lb/>
an sich!<noteplace="foot"n="*)"><p>Anders wäre es freilich, wenn sie triftige, auch vor<lb/>
der christlichen Vernunft gültig Gründe hätte, das<lb/>
nicht zu wünschen.</p></note> unliebsam abwiese; wir würden uns<lb/>
nie dazu verstehen, sie für eine echt christliche Mut-<lb/>
ter zu halten; so sehr sie auch vielleicht sich selbst<lb/>
dafür erachten und den Schein der Frömmigkeit<lb/>
um sich verbreiten möchte.</p><p>Auch noch aus einem andern Gesichtspunkte<lb/>
müssen wir das behaupten. Ein ganz wesentlicher<lb/>
Bestandtheil einer echten katholischen Frömmigkeit<lb/>
ist die <hirendition="#g">Liebe</hi> zur h. Kirche. Der echte, treue Katholik<lb/>
hat ein Herz für seine h. Kirche, ihr Wohl liegt<lb/>
ihm am Herzen; voll Hochschätzung gegen sie und<lb/>
voll Verlangen, daß das ihr vom Herrn anver-<lb/>
traute Heil mehr und mehr verbreitet und an die<lb/>
Menschen gebracht werde, betet er unablässig für<lb/>
sie, daß der Herr ihr darin zur Seite stehe; gern<lb/>
bringt er auch selbst Opfer, um dazu beizutragen.<lb/>
Was aber ist für die h. Kirche, wenn es sich darum<lb/>
handelt, daß ihr Heil eine möglichst große Ver-<lb/>
breitung finde, von größerer Bedeutung, als wahr-<lb/>
haft gute, fromme und tüchtige Priester. Darum<lb/></p></div></body></text></group></text></TEI>
[117/0328]
ihre Frömmigkeit, desto näher liegt ihr der gedachte
Wunsch, desto inniger wird er sich in ihrem Her-
zen regen. Ja es könnte nach Umständen als ein
bedenkliches Zeichen für die christliche Verfassung
eines Mutterherzens gelten, wenn dasselbe die Re-
gungen eines solchen Wunsches nie in sich ver-
spürte, wenn derselbe ihr fremd wäre, ja, wenn
sogar eine Mutter den Gedanken, daß einer ihrer
Söhne in den geistlichen Stand treten sollte, als
an sich! *) unliebsam abwiese; wir würden uns
nie dazu verstehen, sie für eine echt christliche Mut-
ter zu halten; so sehr sie auch vielleicht sich selbst
dafür erachten und den Schein der Frömmigkeit
um sich verbreiten möchte.
Auch noch aus einem andern Gesichtspunkte
müssen wir das behaupten. Ein ganz wesentlicher
Bestandtheil einer echten katholischen Frömmigkeit
ist die Liebe zur h. Kirche. Der echte, treue Katholik
hat ein Herz für seine h. Kirche, ihr Wohl liegt
ihm am Herzen; voll Hochschätzung gegen sie und
voll Verlangen, daß das ihr vom Herrn anver-
traute Heil mehr und mehr verbreitet und an die
Menschen gebracht werde, betet er unablässig für
sie, daß der Herr ihr darin zur Seite stehe; gern
bringt er auch selbst Opfer, um dazu beizutragen.
Was aber ist für die h. Kirche, wenn es sich darum
handelt, daß ihr Heil eine möglichst große Ver-
breitung finde, von größerer Bedeutung, als wahr-
haft gute, fromme und tüchtige Priester. Darum
*) Anders wäre es freilich, wenn sie triftige, auch vor
der christlichen Vernunft gültig Gründe hätte, das
nicht zu wünschen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/328>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.