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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

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liche Mensch, das Kind Gottes, der Christ sollte
unentwickelt und klein und winzig bleiben! Wird
dann, wenn endlich später auch dieser, der Christ,
gepflegt und zu einem christlichen Leben angeleitet
werden soll, derselbe nicht gegen den unterdeß groß
und stark gewordenen natürlichen, verkehrten Men-
schen in der traurigsten Weise im Nachtheile sein
und leicht immer im Nachtheile bleiben? So der
Ismael, der Sohn der Magd im Hause Abrahams;
als Isaac, der Sohn der Verheißung, geboren
wurde, war jener schon herangewachsen; und was
geschah? "Und Ismael verfolgte den Isaac."
(Gal. 4, 29.) - Und ist es nicht Gottes Wille,
daß der Mensch sein ganzes Leben Ihm und
seinem Dienste weihe? Daß Sein Kind, wozu Er
den Menschen in der Taufe hat wiedergeboren
werden lassen, von frühester, zartester Jugend an,
sobald sein Bewußtsein erwacht, als solches, als
Christ sich erweise und lebe, christlich denke und
sinne und rede und handele? Der Herr liebt die
Erstlinge; grad diese zarten Erweisungen christ-
licher Frömmigkeit im Kinde, wie sind sie so kost-
bar vor Ihm! O, welch eine Verkennung der
Sache und der Wahrheit, keine Sorge zu haben,
daß das Kind vom ersten Beginne an seines höch-
sten Vorzuges, ein Kind Gottes, ein Christ zu sein,
sich würdig erweise! Sehen wir auf die Kinder
der Hohen und Großen dieser Welt: Welche
Sorge, welches Bemühen, daß die Kinder, sobald
sie nur Vorstand haben, sich in Allem so benehmen,
wie es der Weise, welche in diesen Kreisen herrscht,
den Regeln des Anstandes, der guten Sitte ent-

liche Mensch, das Kind Gottes, der Christ sollte
unentwickelt und klein und winzig bleiben! Wird
dann, wenn endlich später auch dieser, der Christ,
gepflegt und zu einem christlichen Leben angeleitet
werden soll, derselbe nicht gegen den unterdeß groß
und stark gewordenen natürlichen, verkehrten Men-
schen in der traurigsten Weise im Nachtheile sein
und leicht immer im Nachtheile bleiben? So der
Ismael, der Sohn der Magd im Hause Abrahams;
als Isaac, der Sohn der Verheißung, geboren
wurde, war jener schon herangewachsen; und was
geschah? „Und Ismael verfolgte den Isaac.“
(Gal. 4, 29.) – Und ist es nicht Gottes Wille,
daß der Mensch sein ganzes Leben Ihm und
seinem Dienste weihe? Daß Sein Kind, wozu Er
den Menschen in der Taufe hat wiedergeboren
werden lassen, von frühester, zartester Jugend an,
sobald sein Bewußtsein erwacht, als solches, als
Christ sich erweise und lebe, christlich denke und
sinne und rede und handele? Der Herr liebt die
Erstlinge; grad diese zarten Erweisungen christ-
licher Frömmigkeit im Kinde, wie sind sie so kost-
bar vor Ihm! O, welch eine Verkennung der
Sache und der Wahrheit, keine Sorge zu haben,
daß das Kind vom ersten Beginne an seines höch-
sten Vorzuges, ein Kind Gottes, ein Christ zu sein,
sich würdig erweise! Sehen wir auf die Kinder
der Hohen und Großen dieser Welt: Welche
Sorge, welches Bemühen, daß die Kinder, sobald
sie nur Vorstand haben, sich in Allem so benehmen,
wie es der Weise, welche in diesen Kreisen herrscht,
den Regeln des Anstandes, der guten Sitte ent-

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[99/0310] liche Mensch, das Kind Gottes, der Christ sollte unentwickelt und klein und winzig bleiben! Wird dann, wenn endlich später auch dieser, der Christ, gepflegt und zu einem christlichen Leben angeleitet werden soll, derselbe nicht gegen den unterdeß groß und stark gewordenen natürlichen, verkehrten Men- schen in der traurigsten Weise im Nachtheile sein und leicht immer im Nachtheile bleiben? So der Ismael, der Sohn der Magd im Hause Abrahams; als Isaac, der Sohn der Verheißung, geboren wurde, war jener schon herangewachsen; und was geschah? „Und Ismael verfolgte den Isaac.“ (Gal. 4, 29.) – Und ist es nicht Gottes Wille, daß der Mensch sein ganzes Leben Ihm und seinem Dienste weihe? Daß Sein Kind, wozu Er den Menschen in der Taufe hat wiedergeboren werden lassen, von frühester, zartester Jugend an, sobald sein Bewußtsein erwacht, als solches, als Christ sich erweise und lebe, christlich denke und sinne und rede und handele? Der Herr liebt die Erstlinge; grad diese zarten Erweisungen christ- licher Frömmigkeit im Kinde, wie sind sie so kost- bar vor Ihm! O, welch eine Verkennung der Sache und der Wahrheit, keine Sorge zu haben, daß das Kind vom ersten Beginne an seines höch- sten Vorzuges, ein Kind Gottes, ein Christ zu sein, sich würdig erweise! Sehen wir auf die Kinder der Hohen und Großen dieser Welt: Welche Sorge, welches Bemühen, daß die Kinder, sobald sie nur Vorstand haben, sich in Allem so benehmen, wie es der Weise, welche in diesen Kreisen herrscht, den Regeln des Anstandes, der guten Sitte ent-

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Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/310>, abgerufen am 22.11.2024.