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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

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es sich in solchem Grade um das Wohl des Kindes
handelt, doppelt heilige Pflicht ist, sie zu über-
nehmen und unter ihnen zu beharren.

Manche Mütter sind nun zwar gegen die Fehler
ihrer Kinder nicht gleichgültig, sie gehen gegen die-
selben vor; aber in welcher Art? Fast immer
lassen sie - besonders bei größern Unarten und
Fehlern der Kinder zu Verdruß, zu Zorn und auf-
gebrachtem Wesen sich hinreißen. Und nun ist es
ein Strom zornmüthiger Worte und Ausdrücke,
den sie über die Kinder ergießen, ohne daß eine
angemessene Strafe erfolgte; oder es erfolgt freilich
eine Strafe, aber wie aus Zorn, so auch voll von
Zorn, und daher nur zu leicht im Uebermaße, selbst
bis zur Grausamkeit.

Wie traurig! Nützen kann solches Vorgehen
selbstredend dem Kinde nicht im Mindesten, nimmer-
mehr es zu gründlicher Ablegung seiner Fehler
vermögen. Aber wie sehr schadet es ihm! Denn
wo bleibt die Achtung vor der Mutter, wenn das
Kind sie also in Zorn und Wuthausbrüchen sehen
muß? Wo die zarte Liebe des Kindes, wenn die
Mutter so grausam über dasselbe losfährt? Und
doch sind Achtung und Liebe so nothwendige Be-
dingungen einer gedeihlichen Erziehung! Dazu
kommt noch das böse Beispiel - von einer Seite,
wo ein durchaus gutes Beispiel heilige Pflicht ist!

O möchten doch alle Mütter bedenken, wie streng
gerade sie verpflichtet sind, ihren Kindern gegen-
über den Zorn beherrschen zu lernen! Mag das
nach Umständen recht schwer sein, besonders, wenn
die Mutter von Natur zum Zorn geneigt ist, so

es sich in solchem Grade um das Wohl des Kindes
handelt, doppelt heilige Pflicht ist, sie zu über-
nehmen und unter ihnen zu beharren.

Manche Mütter sind nun zwar gegen die Fehler
ihrer Kinder nicht gleichgültig, sie gehen gegen die-
selben vor; aber in welcher Art? Fast immer
lassen sie – besonders bei größern Unarten und
Fehlern der Kinder zu Verdruß, zu Zorn und auf-
gebrachtem Wesen sich hinreißen. Und nun ist es
ein Strom zornmüthiger Worte und Ausdrücke,
den sie über die Kinder ergießen, ohne daß eine
angemessene Strafe erfolgte; oder es erfolgt freilich
eine Strafe, aber wie aus Zorn, so auch voll von
Zorn, und daher nur zu leicht im Uebermaße, selbst
bis zur Grausamkeit.

Wie traurig! Nützen kann solches Vorgehen
selbstredend dem Kinde nicht im Mindesten, nimmer-
mehr es zu gründlicher Ablegung seiner Fehler
vermögen. Aber wie sehr schadet es ihm! Denn
wo bleibt die Achtung vor der Mutter, wenn das
Kind sie also in Zorn und Wuthausbrüchen sehen
muß? Wo die zarte Liebe des Kindes, wenn die
Mutter so grausam über dasselbe losfährt? Und
doch sind Achtung und Liebe so nothwendige Be-
dingungen einer gedeihlichen Erziehung! Dazu
kommt noch das böse Beispiel – von einer Seite,
wo ein durchaus gutes Beispiel heilige Pflicht ist!

O möchten doch alle Mütter bedenken, wie streng
gerade sie verpflichtet sind, ihren Kindern gegen-
über den Zorn beherrschen zu lernen! Mag das
nach Umständen recht schwer sein, besonders, wenn
die Mutter von Natur zum Zorn geneigt ist, so

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[76/0287] es sich in solchem Grade um das Wohl des Kindes handelt, doppelt heilige Pflicht ist, sie zu über- nehmen und unter ihnen zu beharren. Manche Mütter sind nun zwar gegen die Fehler ihrer Kinder nicht gleichgültig, sie gehen gegen die- selben vor; aber in welcher Art? Fast immer lassen sie – besonders bei größern Unarten und Fehlern der Kinder zu Verdruß, zu Zorn und auf- gebrachtem Wesen sich hinreißen. Und nun ist es ein Strom zornmüthiger Worte und Ausdrücke, den sie über die Kinder ergießen, ohne daß eine angemessene Strafe erfolgte; oder es erfolgt freilich eine Strafe, aber wie aus Zorn, so auch voll von Zorn, und daher nur zu leicht im Uebermaße, selbst bis zur Grausamkeit. Wie traurig! Nützen kann solches Vorgehen selbstredend dem Kinde nicht im Mindesten, nimmer- mehr es zu gründlicher Ablegung seiner Fehler vermögen. Aber wie sehr schadet es ihm! Denn wo bleibt die Achtung vor der Mutter, wenn das Kind sie also in Zorn und Wuthausbrüchen sehen muß? Wo die zarte Liebe des Kindes, wenn die Mutter so grausam über dasselbe losfährt? Und doch sind Achtung und Liebe so nothwendige Be- dingungen einer gedeihlichen Erziehung! Dazu kommt noch das böse Beispiel – von einer Seite, wo ein durchaus gutes Beispiel heilige Pflicht ist! O möchten doch alle Mütter bedenken, wie streng gerade sie verpflichtet sind, ihren Kindern gegen- über den Zorn beherrschen zu lernen! Mag das nach Umständen recht schwer sein, besonders, wenn die Mutter von Natur zum Zorn geneigt ist, so

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Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/287>, abgerufen am 22.11.2024.