Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite



Güte gegen uns, uns sogar seines unmittelbaren
Unterrichtes gewürdigt, damit wir die Unterwei-
sung seiner Werke desto leichter verstehen, auf
diesem Wege seiner Erkenntniß desto geschwindere
Schritte thun, und mit unsrer schwachen leicht
getäuschten Vernunft desto weniger fehlen möch-
ten. Jch bin unterrichtet, daß er ist; ich habe
Vorstellungen von ihm, die, wenn sie gleich
nicht an seine unendliche Hoheit reichen, doch sei-
ner nicht unwürdig sind und selbst von ihm gebil-
ligt werden; denn das Werk zeugt nicht allein
von seinem Meister, sondern er selbst hat sich
herabgelassen, noch näher und unmittelbarer mit
seinen Menschen zu reden.

Hat Gott mit uns geredet? Wir haben
seine Stimme nicht gehört; aber in den ältesten
Zeiten, welche durch viele Jahrhunderte von uns
entfernt sind, hat es Menschen gegeben, die sich
rühmen, daß Gott mit ihnen geredet habe.
Können wir, dürfen wir diesen glücklichern Men-
schen glauben? Dürfen wir uns in einer Sache
von einer solchen Wichtigkeit, als die Erkennt-
niß Gottes ist, auf ihr Zeugniß verlassen? Ha-
ben nicht die Stifter aller auch offenbar falscher
Religionen vorgegeben, daß ihre Götter mit ih-
nen geredet hätten? Und müssen wir nicht erst

wis-



Güte gegen uns, uns ſogar ſeines unmittelbaren
Unterrichtes gewürdigt, damit wir die Unterwei-
ſung ſeiner Werke deſto leichter verſtehen, auf
dieſem Wege ſeiner Erkenntniß deſto geſchwindere
Schritte thun, und mit unſrer ſchwachen leicht
getäuſchten Vernunft deſto weniger fehlen möch-
ten. Jch bin unterrichtet, daß er iſt; ich habe
Vorſtellungen von ihm, die, wenn ſie gleich
nicht an ſeine unendliche Hoheit reichen, doch ſei-
ner nicht unwürdig ſind und ſelbſt von ihm gebil-
ligt werden; denn das Werk zeugt nicht allein
von ſeinem Meiſter, ſondern er ſelbſt hat ſich
herabgelaſſen, noch näher und unmittelbarer mit
ſeinen Menſchen zu reden.

Hat Gott mit uns geredet? Wir haben
ſeine Stimme nicht gehört; aber in den älteſten
Zeiten, welche durch viele Jahrhunderte von uns
entfernt ſind, hat es Menſchen gegeben, die ſich
rühmen, daß Gott mit ihnen geredet habe.
Können wir, dürfen wir dieſen glücklichern Men-
ſchen glauben? Dürfen wir uns in einer Sache
von einer ſolchen Wichtigkeit, als die Erkennt-
niß Gottes iſt, auf ihr Zeugniß verlaſſen? Ha-
ben nicht die Stifter aller auch offenbar falſcher
Religionen vorgegeben, daß ihre Götter mit ih-
nen geredet hätten? Und müſſen wir nicht erſt

wiſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="64"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Güte gegen uns, uns &#x017F;ogar &#x017F;eines unmittelbaren<lb/>
Unterrichtes gewürdigt, damit wir die Unterwei-<lb/>
&#x017F;ung &#x017F;einer Werke de&#x017F;to leichter ver&#x017F;tehen, auf<lb/>
die&#x017F;em Wege &#x017F;einer Erkenntniß de&#x017F;to ge&#x017F;chwindere<lb/>
Schritte thun, und mit un&#x017F;rer &#x017F;chwachen leicht<lb/>
getäu&#x017F;chten Vernunft de&#x017F;to weniger fehlen möch-<lb/>
ten. Jch bin unterrichtet, daß er i&#x017F;t; ich habe<lb/>
Vor&#x017F;tellungen von ihm, die, wenn &#x017F;ie gleich<lb/>
nicht an &#x017F;eine unendliche Hoheit reichen, doch &#x017F;ei-<lb/>
ner nicht unwürdig &#x017F;ind und &#x017F;elb&#x017F;t von ihm gebil-<lb/>
ligt werden; denn das Werk zeugt nicht allein<lb/>
von &#x017F;einem Mei&#x017F;ter, &#x017F;ondern er &#x017F;elb&#x017F;t hat &#x017F;ich<lb/>
herabgela&#x017F;&#x017F;en, noch näher und unmittelbarer mit<lb/>
&#x017F;einen Men&#x017F;chen zu reden.</p><lb/>
        <p>Hat Gott mit uns geredet? Wir haben<lb/>
&#x017F;eine Stimme nicht gehört; aber in den älte&#x017F;ten<lb/>
Zeiten, welche durch viele Jahrhunderte von uns<lb/>
entfernt &#x017F;ind, hat es Men&#x017F;chen gegeben, die &#x017F;ich<lb/>
rühmen, daß Gott mit ihnen geredet habe.<lb/>
Können wir, dürfen wir die&#x017F;en glücklichern Men-<lb/>
&#x017F;chen glauben? Dürfen wir uns in einer Sache<lb/>
von einer &#x017F;olchen Wichtigkeit, als die Erkennt-<lb/>
niß Gottes i&#x017F;t, auf ihr Zeugniß verla&#x017F;&#x017F;en? Ha-<lb/>
ben nicht die Stifter aller auch offenbar fal&#x017F;cher<lb/>
Religionen vorgegeben, daß ihre Götter mit ih-<lb/>
nen geredet hätten? Und mü&#x017F;&#x017F;en wir nicht er&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wi&#x017F;-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0078] Güte gegen uns, uns ſogar ſeines unmittelbaren Unterrichtes gewürdigt, damit wir die Unterwei- ſung ſeiner Werke deſto leichter verſtehen, auf dieſem Wege ſeiner Erkenntniß deſto geſchwindere Schritte thun, und mit unſrer ſchwachen leicht getäuſchten Vernunft deſto weniger fehlen möch- ten. Jch bin unterrichtet, daß er iſt; ich habe Vorſtellungen von ihm, die, wenn ſie gleich nicht an ſeine unendliche Hoheit reichen, doch ſei- ner nicht unwürdig ſind und ſelbſt von ihm gebil- ligt werden; denn das Werk zeugt nicht allein von ſeinem Meiſter, ſondern er ſelbſt hat ſich herabgelaſſen, noch näher und unmittelbarer mit ſeinen Menſchen zu reden. Hat Gott mit uns geredet? Wir haben ſeine Stimme nicht gehört; aber in den älteſten Zeiten, welche durch viele Jahrhunderte von uns entfernt ſind, hat es Menſchen gegeben, die ſich rühmen, daß Gott mit ihnen geredet habe. Können wir, dürfen wir dieſen glücklichern Men- ſchen glauben? Dürfen wir uns in einer Sache von einer ſolchen Wichtigkeit, als die Erkennt- niß Gottes iſt, auf ihr Zeugniß verlaſſen? Ha- ben nicht die Stifter aller auch offenbar falſcher Religionen vorgegeben, daß ihre Götter mit ih- nen geredet hätten? Und müſſen wir nicht erſt wiſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/78
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/78>, abgerufen am 24.08.2024.