Und wenn ich Ewigkeiten über ihn nach- denke, so ist er viel zu erhaben, als daß ich ihn jemals mit meinen Vorstellungen erreichen kann. Diese Wahrheit soll mich demüthigen, aber nicht niederschlagen; sie soll mich nicht abschrecken, sondern aufmuntern, immer mehr von ihm zu lernen. Meine Erkenntnisse werden immer unter die Hoheit seines Wesens erniedrigt bleiben; aber eben deswegen können sie immer richtiger, deut- licher, ausgebreiteter und vollkommner werden; ich kann ohne Aufhören in seiner Erkenntniß wachsen; folglich steht mir in der Betrachtung seiner Unendlichkeit eine unerschöpfliche Quelle von Glückseeligkeit und Freude offen.
Aber woher kann ich Gott erkennen? Giebt es ein helles und zuverläßiges Licht, welches uns den Weg zu seiner Erkenntniß zeigt? Oder sind wir vielleicht der Gefahr unterworfen, daß wir ihn suchen und nicht finden? Das sey ferne, zu glauben, daß er uns einen zu seiner Erkenntniß fähigen Verstand gegeben und doch die hinläng- lichen Mittel derselben verweigert hätte. Nein er hat sich uns, ob er gleich seinem innern Wesen und der Unendlichkeit seiner Vollkommenheiten nach ein verborgner Gott ist, in seinen Werken offenbaret; er hat, so groß und herrlich ist seine
Güte
Und wenn ich Ewigkeiten über ihn nach- denke, ſo iſt er viel zu erhaben, als daß ich ihn jemals mit meinen Vorſtellungen erreichen kann. Dieſe Wahrheit ſoll mich demüthigen, aber nicht niederſchlagen; ſie ſoll mich nicht abſchrecken, ſondern aufmuntern, immer mehr von ihm zu lernen. Meine Erkenntniſſe werden immer unter die Hoheit ſeines Weſens erniedrigt bleiben; aber eben deswegen können ſie immer richtiger, deut- licher, ausgebreiteter und vollkommner werden; ich kann ohne Aufhören in ſeiner Erkenntniß wachſen; folglich ſteht mir in der Betrachtung ſeiner Unendlichkeit eine unerſchöpfliche Quelle von Glückſeeligkeit und Freude offen.
Aber woher kann ich Gott erkennen? Giebt es ein helles und zuverläßiges Licht, welches uns den Weg zu ſeiner Erkenntniß zeigt? Oder ſind wir vielleicht der Gefahr unterworfen, daß wir ihn ſuchen und nicht finden? Das ſey ferne, zu glauben, daß er uns einen zu ſeiner Erkenntniß fähigen Verſtand gegeben und doch die hinläng- lichen Mittel derſelben verweigert hätte. Nein er hat ſich uns, ob er gleich ſeinem innern Weſen und der Unendlichkeit ſeiner Vollkommenheiten nach ein verborgner Gott iſt, in ſeinen Werken offenbaret; er hat, ſo groß und herrlich iſt ſeine
Güte
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Und wenn ich Ewigkeiten über ihn nach-
denke, ſo iſt er viel zu erhaben, als daß ich ihn
jemals mit meinen Vorſtellungen erreichen kann.
Dieſe Wahrheit ſoll mich demüthigen, aber nicht
niederſchlagen; ſie ſoll mich nicht abſchrecken,
ſondern aufmuntern, immer mehr von ihm zu
lernen. Meine Erkenntniſſe werden immer unter
die Hoheit ſeines Weſens erniedrigt bleiben; aber
eben deswegen können ſie immer richtiger, deut-
licher, ausgebreiteter und vollkommner werden;
ich kann ohne Aufhören in ſeiner Erkenntniß
wachſen; folglich ſteht mir in der Betrachtung
ſeiner Unendlichkeit eine unerſchöpfliche Quelle
von Glückſeeligkeit und Freude offen.
Aber woher kann ich Gott erkennen? Giebt
es ein helles und zuverläßiges Licht, welches uns
den Weg zu ſeiner Erkenntniß zeigt? Oder ſind
wir vielleicht der Gefahr unterworfen, daß wir
ihn ſuchen und nicht finden? Das ſey ferne, zu
glauben, daß er uns einen zu ſeiner Erkenntniß
fähigen Verſtand gegeben und doch die hinläng-
lichen Mittel derſelben verweigert hätte. Nein
er hat ſich uns, ob er gleich ſeinem innern Weſen
und der Unendlichkeit ſeiner Vollkommenheiten
nach ein verborgner Gott iſt, in ſeinen Werken
offenbaret; er hat, ſo groß und herrlich iſt ſeine
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/77>, abgerufen am 24.11.2024.
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