Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite



unmerkliches Nichts verschwindet, unempfind-
lich bleiben; wenn sie nicht dadurch zum Gefühle
der lebhaftesten Freude erhoben werden könnte?

Jedoch alles, was vollkommen und schön
ist, verursacht uns um so viel mehr Vergnügen,
je mehr es zu unsrer eignen Vollkommenheit bey-
trägt. Wenn es seine wohlthätigen Wirkungen
bis auf mich erstrecket, so sehe ich es nicht nur
als ein Gut an, sondern als mein Gut. Jch
preise ein jedes Volk glücklich, welches einen wei-
sen und gütigen Beherrscher hat. Jch kann mich
darüber freuen, wenn ich auch nicht zu seinen Un-
terthanen gehöre. Aber wenn er mein Beherr-
scher ist; wenn ich die Früchte seiner vortreffli-
chen Anstalten genieße; wenn ich mich als ein
Augenmerk seiner väterlichen Sorgfalt betrachten
kann; wenn ich durch seine Gesetze und Unter-
nehmungen glücklich werde, wie viel grösser ist
nicht meine Freude? Wie viel mehr wird mich
nicht alles rühren, was ich von ihm höre oder
sehe? O wie seelig bin ich denn nicht, daß ich
Gott kenne! Er, das Urbild aller Vollkommen-
heit und Schönheit, die immer überfließende
Quelle alles Guten, er ist mein Gott! Er ist
nicht ein Wesen, das mich etwa nichts weiter
angeht, als daß mir der Anblick seiner Herrlich-

keit
D 2



unmerkliches Nichts verſchwindet, unempfind-
lich bleiben; wenn ſie nicht dadurch zum Gefühle
der lebhafteſten Freude erhoben werden könnte?

Jedoch alles, was vollkommen und ſchön
iſt, verurſacht uns um ſo viel mehr Vergnügen,
je mehr es zu unſrer eignen Vollkommenheit bey-
trägt. Wenn es ſeine wohlthätigen Wirkungen
bis auf mich erſtrecket, ſo ſehe ich es nicht nur
als ein Gut an, ſondern als mein Gut. Jch
preiſe ein jedes Volk glücklich, welches einen wei-
ſen und gütigen Beherrſcher hat. Jch kann mich
darüber freuen, wenn ich auch nicht zu ſeinen Un-
terthanen gehöre. Aber wenn er mein Beherr-
ſcher iſt; wenn ich die Früchte ſeiner vortreffli-
chen Anſtalten genieße; wenn ich mich als ein
Augenmerk ſeiner väterlichen Sorgfalt betrachten
kann; wenn ich durch ſeine Geſetze und Unter-
nehmungen glücklich werde, wie viel gröſſer iſt
nicht meine Freude? Wie viel mehr wird mich
nicht alles rühren, was ich von ihm höre oder
ſehe? O wie ſeelig bin ich denn nicht, daß ich
Gott kenne! Er, das Urbild aller Vollkommen-
heit und Schönheit, die immer überfließende
Quelle alles Guten, er iſt mein Gott! Er iſt
nicht ein Weſen, das mich etwa nichts weiter
angeht, als daß mir der Anblick ſeiner Herrlich-

keit
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="51"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
unmerkliches Nichts ver&#x017F;chwindet, unempfind-<lb/>
lich bleiben; wenn &#x017F;ie nicht dadurch zum Gefühle<lb/>
der lebhafte&#x017F;ten Freude erhoben werden könnte?</p><lb/>
        <p>Jedoch alles, was vollkommen und &#x017F;chön<lb/>
i&#x017F;t, verur&#x017F;acht uns um &#x017F;o viel mehr Vergnügen,<lb/>
je mehr es zu un&#x017F;rer eignen Vollkommenheit bey-<lb/>
trägt. Wenn es &#x017F;eine wohlthätigen Wirkungen<lb/>
bis auf mich er&#x017F;trecket, &#x017F;o &#x017F;ehe ich es nicht nur<lb/>
als ein Gut an, &#x017F;ondern als mein Gut. Jch<lb/>
prei&#x017F;e ein jedes Volk glücklich, welches einen wei-<lb/>
&#x017F;en und gütigen Beherr&#x017F;cher hat. Jch kann mich<lb/>
darüber freuen, wenn ich auch nicht zu &#x017F;einen Un-<lb/>
terthanen gehöre. Aber wenn er mein Beherr-<lb/>
&#x017F;cher i&#x017F;t; wenn ich die Früchte &#x017F;einer vortreffli-<lb/>
chen An&#x017F;talten genieße; wenn ich mich als ein<lb/>
Augenmerk &#x017F;einer väterlichen Sorgfalt betrachten<lb/>
kann; wenn ich durch &#x017F;eine Ge&#x017F;etze und Unter-<lb/>
nehmungen glücklich werde, wie viel grö&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t<lb/>
nicht meine Freude? Wie viel mehr wird mich<lb/>
nicht alles rühren, was ich von ihm höre oder<lb/>
&#x017F;ehe? O wie &#x017F;eelig bin ich denn nicht, daß ich<lb/>
Gott kenne! Er, das Urbild aller Vollkommen-<lb/>
heit und Schönheit, die immer überfließende<lb/>
Quelle alles Guten, er i&#x017F;t mein Gott! Er i&#x017F;t<lb/>
nicht ein We&#x017F;en, das mich etwa nichts weiter<lb/>
angeht, als daß mir der Anblick &#x017F;einer Herrlich-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0065] unmerkliches Nichts verſchwindet, unempfind- lich bleiben; wenn ſie nicht dadurch zum Gefühle der lebhafteſten Freude erhoben werden könnte? Jedoch alles, was vollkommen und ſchön iſt, verurſacht uns um ſo viel mehr Vergnügen, je mehr es zu unſrer eignen Vollkommenheit bey- trägt. Wenn es ſeine wohlthätigen Wirkungen bis auf mich erſtrecket, ſo ſehe ich es nicht nur als ein Gut an, ſondern als mein Gut. Jch preiſe ein jedes Volk glücklich, welches einen wei- ſen und gütigen Beherrſcher hat. Jch kann mich darüber freuen, wenn ich auch nicht zu ſeinen Un- terthanen gehöre. Aber wenn er mein Beherr- ſcher iſt; wenn ich die Früchte ſeiner vortreffli- chen Anſtalten genieße; wenn ich mich als ein Augenmerk ſeiner väterlichen Sorgfalt betrachten kann; wenn ich durch ſeine Geſetze und Unter- nehmungen glücklich werde, wie viel gröſſer iſt nicht meine Freude? Wie viel mehr wird mich nicht alles rühren, was ich von ihm höre oder ſehe? O wie ſeelig bin ich denn nicht, daß ich Gott kenne! Er, das Urbild aller Vollkommen- heit und Schönheit, die immer überfließende Quelle alles Guten, er iſt mein Gott! Er iſt nicht ein Weſen, das mich etwa nichts weiter angeht, als daß mir der Anblick ſeiner Herrlich- keit D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/65
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/65>, abgerufen am 24.11.2024.