ihm empfangen zu haben glaubten. Folglich dachten sie in ihren eingebildeten Gottheiten We- sen von verschiedner Kraft, Würde und Herr- schaft. Einem eigneten sie diese, einem andern jene Vorzüge zu; einer konnte nur diese, ein an- drer nur jene Wirkungen hervorbringen. Jede ihrer falschen Gottheiten hatte ihr eignes Gebiete, in dessen Grenzen ihre Herrschaft eingeschlossen war. Die Aegypter hatten andre Götter, als die Assyrer; die Griechen andre als die Perser; jede Nation hatte ihre eignen Gottheiten; eine Meinung, die den thörichten Jrrthum erzeugte, daß ein Gott wider den andern streiten, einer den andern, wenigstens in Absicht auf die ihm unter- würfigen Nationen überwinden könnte. So war es mit der Vielgötterey beschaffen, deren Finsternisse so viele Jahrhunderte den Erdkreis be- deckt haben, und noch viele Völker überschatten! Als endlich unter dem großen Haufen der Abgöt- ter einige aufstanden, welche selbst über ihre Jrr- thümer nachdachten, als die richtigen Vorstel- lungen des jüdischen Volkes von der Gottheit be- sonders durch einen ausgebreitetern Umgang des- selben mit andern Völkern unter den Heiden be- kannt wurden, so fiengen besonders die Weltwei- sen an, aus der Verbindung aller Geschöpfe mit einander, aus dem genauen Verhältnisse des
Him-
ihm empfangen zu haben glaubten. Folglich dachten ſie in ihren eingebildeten Gottheiten We- ſen von verſchiedner Kraft, Würde und Herr- ſchaft. Einem eigneten ſie dieſe, einem andern jene Vorzüge zu; einer konnte nur dieſe, ein an- drer nur jene Wirkungen hervorbringen. Jede ihrer falſchen Gottheiten hatte ihr eignes Gebiete, in deſſen Grenzen ihre Herrſchaft eingeſchloſſen war. Die Aegypter hatten andre Götter, als die Aſſyrer; die Griechen andre als die Perſer; jede Nation hatte ihre eignen Gottheiten; eine Meinung, die den thörichten Jrrthum erzeugte, daß ein Gott wider den andern ſtreiten, einer den andern, wenigſtens in Abſicht auf die ihm unter- würfigen Nationen überwinden könnte. So war es mit der Vielgötterey beſchaffen, deren Finſterniſſe ſo viele Jahrhunderte den Erdkreis be- deckt haben, und noch viele Völker überſchatten! Als endlich unter dem großen Haufen der Abgöt- ter einige aufſtanden, welche ſelbſt über ihre Jrr- thümer nachdachten, als die richtigen Vorſtel- lungen des jüdiſchen Volkes von der Gottheit be- ſonders durch einen ausgebreitetern Umgang deſ- ſelben mit andern Völkern unter den Heiden be- kannt wurden, ſo fiengen beſonders die Weltwei- ſen an, aus der Verbindung aller Geſchöpfe mit einander, aus dem genauen Verhältniſſe des
Him-
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ihm empfangen zu haben glaubten. Folglich
dachten ſie in ihren eingebildeten Gottheiten We-
ſen von verſchiedner Kraft, Würde und Herr-
ſchaft. Einem eigneten ſie dieſe, einem andern
jene Vorzüge zu; einer konnte nur dieſe, ein an-
drer nur jene Wirkungen hervorbringen. Jede
ihrer falſchen Gottheiten hatte ihr eignes Gebiete,
in deſſen Grenzen ihre Herrſchaft eingeſchloſſen
war. Die Aegypter hatten andre Götter, als
die Aſſyrer; die Griechen andre als die Perſer;
jede Nation hatte ihre eignen Gottheiten; eine
Meinung, die den thörichten Jrrthum erzeugte,
daß ein Gott wider den andern ſtreiten, einer den
andern, wenigſtens in Abſicht auf die ihm unter-
würfigen Nationen überwinden könnte. So
war es mit der Vielgötterey beſchaffen, deren
Finſterniſſe ſo viele Jahrhunderte den Erdkreis be-
deckt haben, und noch viele Völker überſchatten!
Als endlich unter dem großen Haufen der Abgöt-
ter einige aufſtanden, welche ſelbſt über ihre Jrr-
thümer nachdachten, als die richtigen Vorſtel-
lungen des jüdiſchen Volkes von der Gottheit be-
ſonders durch einen ausgebreitetern Umgang deſ-
ſelben mit andern Völkern unter den Heiden be-
kannt wurden, ſo fiengen beſonders die Weltwei-
ſen an, aus der Verbindung aller Geſchöpfe mit
einander, aus dem genauen Verhältniſſe des
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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