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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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Das Daseyn Gottes, erkenne ich aus dem
Daseyn seiner Geschöpfe nicht anders, als ich
aus dem Daseyn eines Gebäudes das Daseyn des
Baumeisters erkenne. Wie ich nun aus der Be-
schaffenheit des Gebäudes, die Beschaffenheit des
Baumeisters beurtheile, so muß ich auch aus den
Beschaffenheiten der Geschöpfe, die Eigenschaften
und Vorzüge des Schöpfers zu erkennen suchen.

Die Welt besteht aus unzählbaren Arten
von Wesen von mannichfaltiger Vollkommenheit.
Eins bezieht sich auf das andre; eins ist um des
andern willen da; sie machen alle ein wunder-
volles Ganzes aus, worinnen ich die schönste
Ordnung und Uebereinstimmung erblicke. Unter
den Körpern, die kein Leben haben, bezieht sich
alles auf einander, und alle Körper sind offen-
bar zum Leben, Nutzen und Besten der Lebendi-
gen da. Wo ich Beziehung verschiedner Dinge
auf einander, wo ich Verhältniß, Ordnung,
Uebereinstimmung und Regelmäßigkeit wahr-
nehme, da sind Absichten; Absichten aber setzen
ein verständiges Wesen voraus. Muß denn
nicht der Schöpfer aller endlichen und veränderli-
chen Dinge ein Wesen seyn, das Verstand besitzt,
und zwar den höchsten und vollkommensten Ver-
stand, da er die erste nothwendige Ursache aller

Ord-
Erster Theil. Y

Das Daſeyn Gottes, erkenne ich aus dem
Daſeyn ſeiner Geſchöpfe nicht anders, als ich
aus dem Daſeyn eines Gebäudes das Daſeyn des
Baumeiſters erkenne. Wie ich nun aus der Be-
ſchaffenheit des Gebäudes, die Beſchaffenheit des
Baumeiſters beurtheile, ſo muß ich auch aus den
Beſchaffenheiten der Geſchöpfe, die Eigenſchaften
und Vorzüge des Schöpfers zu erkennen ſuchen.

Die Welt beſteht aus unzählbaren Arten
von Weſen von mannichfaltiger Vollkommenheit.
Eins bezieht ſich auf das andre; eins iſt um des
andern willen da; ſie machen alle ein wunder-
volles Ganzes aus, worinnen ich die ſchönſte
Ordnung und Uebereinſtimmung erblicke. Unter
den Körpern, die kein Leben haben, bezieht ſich
alles auf einander, und alle Körper ſind offen-
bar zum Leben, Nutzen und Beſten der Lebendi-
gen da. Wo ich Beziehung verſchiedner Dinge
auf einander, wo ich Verhältniß, Ordnung,
Uebereinſtimmung und Regelmäßigkeit wahr-
nehme, da ſind Abſichten; Abſichten aber ſetzen
ein verſtändiges Weſen voraus. Muß denn
nicht der Schöpfer aller endlichen und veränderli-
chen Dinge ein Weſen ſeyn, das Verſtand beſitzt,
und zwar den höchſten und vollkommenſten Ver-
ſtand, da er die erſte nothwendige Urſache aller

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[337/0351] Das Daſeyn Gottes, erkenne ich aus dem Daſeyn ſeiner Geſchöpfe nicht anders, als ich aus dem Daſeyn eines Gebäudes das Daſeyn des Baumeiſters erkenne. Wie ich nun aus der Be- ſchaffenheit des Gebäudes, die Beſchaffenheit des Baumeiſters beurtheile, ſo muß ich auch aus den Beſchaffenheiten der Geſchöpfe, die Eigenſchaften und Vorzüge des Schöpfers zu erkennen ſuchen. Die Welt beſteht aus unzählbaren Arten von Weſen von mannichfaltiger Vollkommenheit. Eins bezieht ſich auf das andre; eins iſt um des andern willen da; ſie machen alle ein wunder- volles Ganzes aus, worinnen ich die ſchönſte Ordnung und Uebereinſtimmung erblicke. Unter den Körpern, die kein Leben haben, bezieht ſich alles auf einander, und alle Körper ſind offen- bar zum Leben, Nutzen und Beſten der Lebendi- gen da. Wo ich Beziehung verſchiedner Dinge auf einander, wo ich Verhältniß, Ordnung, Uebereinſtimmung und Regelmäßigkeit wahr- nehme, da ſind Abſichten; Abſichten aber ſetzen ein verſtändiges Weſen voraus. Muß denn nicht der Schöpfer aller endlichen und veränderli- chen Dinge ein Weſen ſeyn, das Verſtand beſitzt, und zwar den höchſten und vollkommenſten Ver- ſtand, da er die erſte nothwendige Urſache aller Ord- Erſter Theil. Y

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/351>, abgerufen am 22.11.2024.