Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Tugenden und Pflichten gegen ihn, gegen mich
selbst und gegen meine Nebenmenschen nenne;
daß ich folglich meine Fähigkeiten dazu in Fertig-
keiten zu verwandeln suchen müsse; daß ich nur
durch sie den doppelten Endzweck meiner Schö-
pfung, die Verherrlichung meines Urhebers und
meine eigne Wohlfarth und Glückseeligkeit errei-
chen und befördern könne.

Allein eben diese gewisse Erkenntniß führet
mich zu der Wahrheit, daß mein Schöpfer ein
Wesen sey, welches Wohlgefallen an aller Art
von Tugend und Rechtschaffenheit empfinde, und
unter denen, die ihre Bestimmung zu erfüllen su-
chen, oder sie wider beßre Einsichten, bloß um
ihre Sinne und körperlichen Begierden zu vergnü-
gen, vernachläßigen, einen thätigen Unterschied
machen müsse. Seine Regierung aller Dinge
muß sich nach diesem Unterschiede richten; Freu-
de, Ehre und Glückseeligkeit müssen allein die Tu-
gend und Rechtschaffenheit begleiten, und wenn
sie auch zuweilen nur unsichtbare Begleiterinnen
derselben seyn; oder wenn durch zufällige Ursa-
chen, oder vielmehr um höherer Endzwecke willen,
ihre wohlthätigen Wirkungen auf einige Zeit auf-
gehalten werden sollten: So müssen sie doch end-
lich ihren Freunden in allem ihren Glanze erschei-

nen,
X 2

Tugenden und Pflichten gegen ihn, gegen mich
ſelbſt und gegen meine Nebenmenſchen nenne;
daß ich folglich meine Fähigkeiten dazu in Fertig-
keiten zu verwandeln ſuchen müſſe; daß ich nur
durch ſie den doppelten Endzweck meiner Schö-
pfung, die Verherrlichung meines Urhebers und
meine eigne Wohlfarth und Glückſeeligkeit errei-
chen und befördern könne.

Allein eben dieſe gewiſſe Erkenntniß führet
mich zu der Wahrheit, daß mein Schöpfer ein
Weſen ſey, welches Wohlgefallen an aller Art
von Tugend und Rechtſchaffenheit empfinde, und
unter denen, die ihre Beſtimmung zu erfüllen ſu-
chen, oder ſie wider beßre Einſichten, bloß um
ihre Sinne und körperlichen Begierden zu vergnü-
gen, vernachläßigen, einen thätigen Unterſchied
machen müſſe. Seine Regierung aller Dinge
muß ſich nach dieſem Unterſchiede richten; Freu-
de, Ehre und Glückſeeligkeit müſſen allein die Tu-
gend und Rechtſchaffenheit begleiten, und wenn
ſie auch zuweilen nur unſichtbare Begleiterinnen
derſelben ſeyn; oder wenn durch zufällige Urſa-
chen, oder vielmehr um höherer Endzwecke willen,
ihre wohlthätigen Wirkungen auf einige Zeit auf-
gehalten werden ſollten: So müſſen ſie doch end-
lich ihren Freunden in allem ihren Glanze erſchei-

nen,
X 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0337" n="323"/>
Tugenden und Pflichten gegen ihn, gegen mich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t und gegen meine Nebenmen&#x017F;chen nenne;<lb/>
daß ich folglich meine Fähigkeiten dazu in Fertig-<lb/>
keiten zu verwandeln &#x017F;uchen mü&#x017F;&#x017F;e; daß ich nur<lb/>
durch &#x017F;ie den doppelten Endzweck meiner Schö-<lb/>
pfung, die Verherrlichung meines Urhebers und<lb/>
meine eigne Wohlfarth und Glück&#x017F;eeligkeit errei-<lb/>
chen und befördern könne.</p><lb/>
        <p>Allein eben die&#x017F;e gewi&#x017F;&#x017F;e Erkenntniß führet<lb/>
mich zu der Wahrheit, daß mein Schöpfer ein<lb/>
We&#x017F;en &#x017F;ey, welches Wohlgefallen an aller Art<lb/>
von Tugend und Recht&#x017F;chaffenheit empfinde, und<lb/>
unter denen, die ihre Be&#x017F;timmung zu erfüllen &#x017F;u-<lb/>
chen, oder &#x017F;ie wider beßre Ein&#x017F;ichten, bloß um<lb/>
ihre Sinne und körperlichen Begierden zu vergnü-<lb/>
gen, vernachläßigen, einen thätigen Unter&#x017F;chied<lb/>
machen mü&#x017F;&#x017F;e. Seine Regierung aller Dinge<lb/>
muß &#x017F;ich nach die&#x017F;em Unter&#x017F;chiede richten; Freu-<lb/>
de, Ehre und Glück&#x017F;eeligkeit mü&#x017F;&#x017F;en allein die Tu-<lb/>
gend und Recht&#x017F;chaffenheit begleiten, und wenn<lb/>
&#x017F;ie auch zuweilen nur un&#x017F;ichtbare Begleiterinnen<lb/>
der&#x017F;elben &#x017F;eyn; oder wenn durch zufällige Ur&#x017F;a-<lb/>
chen, oder vielmehr um höherer Endzwecke willen,<lb/>
ihre wohlthätigen Wirkungen auf einige Zeit auf-<lb/>
gehalten werden &#x017F;ollten: So mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie doch end-<lb/>
lich ihren Freunden in allem ihren Glanze er&#x017F;chei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nen,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0337] Tugenden und Pflichten gegen ihn, gegen mich ſelbſt und gegen meine Nebenmenſchen nenne; daß ich folglich meine Fähigkeiten dazu in Fertig- keiten zu verwandeln ſuchen müſſe; daß ich nur durch ſie den doppelten Endzweck meiner Schö- pfung, die Verherrlichung meines Urhebers und meine eigne Wohlfarth und Glückſeeligkeit errei- chen und befördern könne. Allein eben dieſe gewiſſe Erkenntniß führet mich zu der Wahrheit, daß mein Schöpfer ein Weſen ſey, welches Wohlgefallen an aller Art von Tugend und Rechtſchaffenheit empfinde, und unter denen, die ihre Beſtimmung zu erfüllen ſu- chen, oder ſie wider beßre Einſichten, bloß um ihre Sinne und körperlichen Begierden zu vergnü- gen, vernachläßigen, einen thätigen Unterſchied machen müſſe. Seine Regierung aller Dinge muß ſich nach dieſem Unterſchiede richten; Freu- de, Ehre und Glückſeeligkeit müſſen allein die Tu- gend und Rechtſchaffenheit begleiten, und wenn ſie auch zuweilen nur unſichtbare Begleiterinnen derſelben ſeyn; oder wenn durch zufällige Urſa- chen, oder vielmehr um höherer Endzwecke willen, ihre wohlthätigen Wirkungen auf einige Zeit auf- gehalten werden ſollten: So müſſen ſie doch end- lich ihren Freunden in allem ihren Glanze erſchei- nen, X 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/337
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/337>, abgerufen am 22.11.2024.