Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

stalten auf die Zukunft machen. Jch muß nicht
allein das Gegenwärtige genießen, sondern auch
arbeiten, um mir den Besitz meiner künftigen
Wohlfarth zu versichern. Wenn ich alles dieses
unterlasse, welche Freuden werde ich nicht entbeh-
ren; welche Schmerzen, welche Leiden, Verdrieß-
lichkeiten und Bekümmernisse werde ich mir nicht
zuziehen! Jch werde nicht einmal mein Leben er-
halten können; bloß meinen körperlichen Begier-
den überlassen und von meinen unbeherrschten Lei-
denschaften hingerissen, werde ich selbst durch den
Genuß der Lust mein Vergnügen tödten. Welche
traurige Wirkungen haben nicht, wofern nicht
zufällige Ursachen und Begebenheiten den ordent-
lichen Lauf der Dinge ändern, eine ungegründete
Selbsterhebung, die Unwissenheit, die Abhän-
gigkeit von Vorurtheilen, die Niederträchtigkeit,
die Schamlosigkeit, die Verachtung wahrer Vor-
züge und rechtmäßiger Mittel dazu, die Unent-
haltsamkeit, die Sinnlichkeit und Unmäßigkeit,
die Schwelgerey und Weichlichkeit, die Unreinig-
keit, die Unkeuschheit, das Misvergnügen mit
seinen Umständen, deren Aenderung nicht in
unsrer Gewalt steht, der Müßiggang, die Ge-
mächlichkeit, die Verschwendung, die Geschäff-
tigkeit ohne Regel und Endzweck, die Ungeduld,
die Gemüthszerstreuung, der Leichtsinn, die Un-

be-

ſtalten auf die Zukunft machen. Jch muß nicht
allein das Gegenwärtige genießen, ſondern auch
arbeiten, um mir den Beſitz meiner künftigen
Wohlfarth zu verſichern. Wenn ich alles dieſes
unterlaſſe, welche Freuden werde ich nicht entbeh-
ren; welche Schmerzen, welche Leiden, Verdrieß-
lichkeiten und Bekümmerniſſe werde ich mir nicht
zuziehen! Jch werde nicht einmal mein Leben er-
halten können; bloß meinen körperlichen Begier-
den überlaſſen und von meinen unbeherrſchten Lei-
denſchaften hingeriſſen, werde ich ſelbſt durch den
Genuß der Luſt mein Vergnügen tödten. Welche
traurige Wirkungen haben nicht, wofern nicht
zufällige Urſachen und Begebenheiten den ordent-
lichen Lauf der Dinge ändern, eine ungegründete
Selbſterhebung, die Unwiſſenheit, die Abhän-
gigkeit von Vorurtheilen, die Niederträchtigkeit,
die Schamloſigkeit, die Verachtung wahrer Vor-
züge und rechtmäßiger Mittel dazu, die Unent-
haltſamkeit, die Sinnlichkeit und Unmäßigkeit,
die Schwelgerey und Weichlichkeit, die Unreinig-
keit, die Unkeuſchheit, das Misvergnügen mit
ſeinen Umſtänden, deren Aenderung nicht in
unſrer Gewalt ſteht, der Müßiggang, die Ge-
mächlichkeit, die Verſchwendung, die Geſchäff-
tigkeit ohne Regel und Endzweck, die Ungeduld,
die Gemüthszerſtreuung, der Leichtſinn, die Un-

be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0324" n="310"/>
&#x017F;talten auf die Zukunft machen. Jch muß nicht<lb/>
allein das Gegenwärtige genießen, &#x017F;ondern auch<lb/>
arbeiten, um mir den Be&#x017F;itz meiner künftigen<lb/>
Wohlfarth zu ver&#x017F;ichern. Wenn ich alles die&#x017F;es<lb/>
unterla&#x017F;&#x017F;e, welche Freuden werde ich nicht entbeh-<lb/>
ren; welche Schmerzen, welche Leiden, Verdrieß-<lb/>
lichkeiten und Bekümmerni&#x017F;&#x017F;e werde ich mir nicht<lb/>
zuziehen! Jch werde nicht einmal mein Leben er-<lb/>
halten können; bloß meinen körperlichen Begier-<lb/>
den überla&#x017F;&#x017F;en und von meinen unbeherr&#x017F;chten Lei-<lb/>
den&#x017F;chaften hingeri&#x017F;&#x017F;en, werde ich &#x017F;elb&#x017F;t durch den<lb/>
Genuß der Lu&#x017F;t mein Vergnügen tödten. Welche<lb/>
traurige Wirkungen haben nicht, wofern nicht<lb/>
zufällige Ur&#x017F;achen und Begebenheiten den ordent-<lb/>
lichen Lauf der Dinge ändern, eine ungegründete<lb/>
Selb&#x017F;terhebung, die Unwi&#x017F;&#x017F;enheit, die Abhän-<lb/>
gigkeit von Vorurtheilen, die Niederträchtigkeit,<lb/>
die Schamlo&#x017F;igkeit, die Verachtung wahrer Vor-<lb/>
züge und rechtmäßiger Mittel dazu, die Unent-<lb/>
halt&#x017F;amkeit, die Sinnlichkeit und Unmäßigkeit,<lb/>
die Schwelgerey und Weichlichkeit, die Unreinig-<lb/>
keit, die Unkeu&#x017F;chheit, das Misvergnügen mit<lb/>
&#x017F;einen Um&#x017F;tänden, deren Aenderung nicht in<lb/>
un&#x017F;rer Gewalt &#x017F;teht, der Müßiggang, die Ge-<lb/>
mächlichkeit, die Ver&#x017F;chwendung, die Ge&#x017F;chäff-<lb/>
tigkeit ohne Regel und Endzweck, die Ungeduld,<lb/>
die Gemüthszer&#x017F;treuung, der Leicht&#x017F;inn, die Un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0324] ſtalten auf die Zukunft machen. Jch muß nicht allein das Gegenwärtige genießen, ſondern auch arbeiten, um mir den Beſitz meiner künftigen Wohlfarth zu verſichern. Wenn ich alles dieſes unterlaſſe, welche Freuden werde ich nicht entbeh- ren; welche Schmerzen, welche Leiden, Verdrieß- lichkeiten und Bekümmerniſſe werde ich mir nicht zuziehen! Jch werde nicht einmal mein Leben er- halten können; bloß meinen körperlichen Begier- den überlaſſen und von meinen unbeherrſchten Lei- denſchaften hingeriſſen, werde ich ſelbſt durch den Genuß der Luſt mein Vergnügen tödten. Welche traurige Wirkungen haben nicht, wofern nicht zufällige Urſachen und Begebenheiten den ordent- lichen Lauf der Dinge ändern, eine ungegründete Selbſterhebung, die Unwiſſenheit, die Abhän- gigkeit von Vorurtheilen, die Niederträchtigkeit, die Schamloſigkeit, die Verachtung wahrer Vor- züge und rechtmäßiger Mittel dazu, die Unent- haltſamkeit, die Sinnlichkeit und Unmäßigkeit, die Schwelgerey und Weichlichkeit, die Unreinig- keit, die Unkeuſchheit, das Misvergnügen mit ſeinen Umſtänden, deren Aenderung nicht in unſrer Gewalt ſteht, der Müßiggang, die Ge- mächlichkeit, die Verſchwendung, die Geſchäff- tigkeit ohne Regel und Endzweck, die Ungeduld, die Gemüthszerſtreuung, der Leichtſinn, die Un- be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/324
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/324>, abgerufen am 22.11.2024.