Kräfte möglich sind? Sind einige gut? Sind andre böse? Giebt es Absichten und Gesetze, nach denen ich mein Verhalten, oder den Gebrauch meiner Kräfte einrichten muß, oder darf ich nach jedem Einfalle, bald den Befehlen der Sinne und ihrer Begierden, bald den Befehlen der Vernunft gehorchen, wie ich will, ohne Endzweck, ohne Regel, ohne einem gewissen Entwurfe zu folgen? Eine wichtige Frage, an deren Beantwortung und Entscheidung mir viel gelegen ist, da die Fol- gen meiner Handlungen, wie ich aus der Erfah- rung weiß, so sehr verschieden sind, und bald zu meinem Vergnügen, bald zu meinem Verdrusse gereichen.
Wenn ich an einem Gegenstande etwas für gut erkläre, so geschieht es allezeit, weil es nach meiner Einsicht davon mit dem Zwecke desselben übereinstimmt; den Mangel dieser Uebereinstim- mung nenne ich einen Fehler; das Gegentheil böse. Meine Handlungen werden also gut oder böse seyn, nachdem sie meiner Bestimmung gemäß sind, oder mit dem Endzwecke meiner Natur strei- ten. Allein was ist meine Bestimmung? Was ist der Endzweck meiner Natur? Woraus kann ich dieses, wenn ich bloß auf die Stimme meiner Vernunft hören will, zuverläßiger erkennen, als
aus
Erster Theil. U
Kräfte möglich ſind? Sind einige gut? Sind andre böſe? Giebt es Abſichten und Geſetze, nach denen ich mein Verhalten, oder den Gebrauch meiner Kräfte einrichten muß, oder darf ich nach jedem Einfalle, bald den Befehlen der Sinne und ihrer Begierden, bald den Befehlen der Vernunft gehorchen, wie ich will, ohne Endzweck, ohne Regel, ohne einem gewiſſen Entwurfe zu folgen? Eine wichtige Frage, an deren Beantwortung und Entſcheidung mir viel gelegen iſt, da die Fol- gen meiner Handlungen, wie ich aus der Erfah- rung weiß, ſo ſehr verſchieden ſind, und bald zu meinem Vergnügen, bald zu meinem Verdruſſe gereichen.
Wenn ich an einem Gegenſtande etwas für gut erkläre, ſo geſchieht es allezeit, weil es nach meiner Einſicht davon mit dem Zwecke deſſelben übereinſtimmt; den Mangel dieſer Uebereinſtim- mung nenne ich einen Fehler; das Gegentheil böſe. Meine Handlungen werden alſo gut oder böſe ſeyn, nachdem ſie meiner Beſtimmung gemäß ſind, oder mit dem Endzwecke meiner Natur ſtrei- ten. Allein was iſt meine Beſtimmung? Was iſt der Endzweck meiner Natur? Woraus kann ich dieſes, wenn ich bloß auf die Stimme meiner Vernunft hören will, zuverläßiger erkennen, als
aus
Erſter Theil. U
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Kräfte möglich ſind? Sind einige gut? Sind
andre böſe? Giebt es Abſichten und Geſetze, nach
denen ich mein Verhalten, oder den Gebrauch
meiner Kräfte einrichten muß, oder darf ich nach
jedem Einfalle, bald den Befehlen der Sinne und
ihrer Begierden, bald den Befehlen der Vernunft
gehorchen, wie ich will, ohne Endzweck, ohne
Regel, ohne einem gewiſſen Entwurfe zu folgen?
Eine wichtige Frage, an deren Beantwortung
und Entſcheidung mir viel gelegen iſt, da die Fol-
gen meiner Handlungen, wie ich aus der Erfah-
rung weiß, ſo ſehr verſchieden ſind, und bald zu
meinem Vergnügen, bald zu meinem Verdruſſe
gereichen.
Wenn ich an einem Gegenſtande etwas für
gut erkläre, ſo geſchieht es allezeit, weil es nach
meiner Einſicht davon mit dem Zwecke deſſelben
übereinſtimmt; den Mangel dieſer Uebereinſtim-
mung nenne ich einen Fehler; das Gegentheil
böſe. Meine Handlungen werden alſo gut oder
böſe ſeyn, nachdem ſie meiner Beſtimmung gemäß
ſind, oder mit dem Endzwecke meiner Natur ſtrei-
ten. Allein was iſt meine Beſtimmung? Was
iſt der Endzweck meiner Natur? Woraus kann
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/319>, abgerufen am 25.11.2024.
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