Muß also nicht mein Schöpfer, dem ich meine Seele zu danken habe, Verstand, und unendli- chen Verstand besitzen? O wie deutlich erkenne ich nicht dieses aus der Beschaffenheit meiner Seele! Jch, ein Wesen, welches denken und wollen, Entwürfe machen und durch meine Kraft ausführen kann; welches so mannichfaltiger Er- kenntnisse und Einsichten fähig ist; welches Ver- nunft und Thätigkeit besitzt, sollte mich als ein Werk eines blinden, gedankenlosen, unverstän- digen, unweisen und ohnmächtigen Zufalles hal- ten können? Wie sehr müßte ich mich selbst ver- läugnen, welch eine unsinnige Gewalt müßte ich meiner ganzen Seele anthun, wenn ich einen so ungereimten Gedanken nur einen Augenblick lang träumen könnte, ohne mich mit meinem Be- wußtseyn, mit meiner Vernunft, mit allen Kräften meiner Seele wider ihn zu empören!
O wie viele Schlüsse kann ich aus der Er- kenntniß meiner Seele und ihrer Beschaffenheit herleiten, um meine Erkenntniß von meinem Schöpfer zu erweitern und zu einer größern Voll- kommenheit zu bringen! Jch bin in Betrachtung meines Geistes ein unzusammengesetztes, einfa- ches und untheilbares Wesen; denn Gedanken, Vorstellungen, Neigungen, Entschließungen und
alle
Muß alſo nicht mein Schöpfer, dem ich meine Seele zu danken habe, Verſtand, und unendli- chen Verſtand beſitzen? O wie deutlich erkenne ich nicht dieſes aus der Beſchaffenheit meiner Seele! Jch, ein Weſen, welches denken und wollen, Entwürfe machen und durch meine Kraft ausführen kann; welches ſo mannichfaltiger Er- kenntniſſe und Einſichten fähig iſt; welches Ver- nunft und Thätigkeit beſitzt, ſollte mich als ein Werk eines blinden, gedankenloſen, unverſtän- digen, unweiſen und ohnmächtigen Zufalles hal- ten können? Wie ſehr müßte ich mich ſelbſt ver- läugnen, welch eine unſinnige Gewalt müßte ich meiner ganzen Seele anthun, wenn ich einen ſo ungereimten Gedanken nur einen Augenblick lang träumen könnte, ohne mich mit meinem Be- wußtſeyn, mit meiner Vernunft, mit allen Kräften meiner Seele wider ihn zu empören!
O wie viele Schlüſſe kann ich aus der Er- kenntniß meiner Seele und ihrer Beſchaffenheit herleiten, um meine Erkenntniß von meinem Schöpfer zu erweitern und zu einer größern Voll- kommenheit zu bringen! Jch bin in Betrachtung meines Geiſtes ein unzuſammengeſetztes, einfa- ches und untheilbares Weſen; denn Gedanken, Vorſtellungen, Neigungen, Entſchließungen und
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Muß alſo nicht mein Schöpfer, dem ich meine
Seele zu danken habe, Verſtand, und unendli-
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ich nicht dieſes aus der Beſchaffenheit meiner
Seele! Jch, ein Weſen, welches denken und
wollen, Entwürfe machen und durch meine Kraft
ausführen kann; welches ſo mannichfaltiger Er-
kenntniſſe und Einſichten fähig iſt; welches Ver-
nunft und Thätigkeit beſitzt, ſollte mich als ein
Werk eines blinden, gedankenloſen, unverſtän-
digen, unweiſen und ohnmächtigen Zufalles hal-
ten können? Wie ſehr müßte ich mich ſelbſt ver-
läugnen, welch eine unſinnige Gewalt müßte ich
meiner ganzen Seele anthun, wenn ich einen ſo
ungereimten Gedanken nur einen Augenblick lang
träumen könnte, ohne mich mit meinem Be-
wußtſeyn, mit meiner Vernunft, mit allen
Kräften meiner Seele wider ihn zu empören!
O wie viele Schlüſſe kann ich aus der Er-
kenntniß meiner Seele und ihrer Beſchaffenheit
herleiten, um meine Erkenntniß von meinem
Schöpfer zu erweitern und zu einer größern Voll-
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/315>, abgerufen am 22.11.2024.
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