Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

ren gesammten Wirkungen und Veränderungen
Verstand, Ueberlegung, Wahl und Klugheit
äußere. Wenn ein Mensch im Ernste so verkehrt
denken könnte: Wie zerrüttet müßte nicht sein
Verstand seyn, welch ein Chaos verwirrter,
grundloser, und sich selbst widersprechender Vor-
stellungen und Gedanken?

Nein das ewige Wesen, welches alle Din-
ge erschaffen hat, ist verständig, und wer kann
mit seiner Vorstellung die Höhe seiner Weisheit
erreichen? Welch ein Schauplatz der schönsten
Harmonie und Ordnung sind nicht alle seine
Werke, und welch ein weitläuftiger unermeßlicher
Schauplatz! Die Anzahl der von einander ver-
schiednen Körper ist so unaussprechlich; jeder hat
sein Eignes; jeder seine besondern Kräfte, die oft
wider die Kräfte des andern zu streiten scheinen.
Die Luft andre Wirkungen; das Feuer hat an-
dre Wirkungen; das Wasser hat andre Wir-
kungen; ein Körper ist leicht, ein andrer schwer;
einer hat diese, ein andrer eine andre Wirkung;
alle durchkreuzen einander, ohne einander zu ver-
wirren. Jedes Gestirne beschreibt in dem uner-
meßlichen Raume des Himmels einen andern
Kreis. Und dennoch ist im Ganzen keine Unord-
nung; die Sonne sezt ihren Lauf ungehindert

und

ren geſammten Wirkungen und Veränderungen
Verſtand, Ueberlegung, Wahl und Klugheit
äußere. Wenn ein Menſch im Ernſte ſo verkehrt
denken könnte: Wie zerrüttet müßte nicht ſein
Verſtand ſeyn, welch ein Chaos verwirrter,
grundloſer, und ſich ſelbſt widerſprechender Vor-
ſtellungen und Gedanken?

Nein das ewige Weſen, welches alle Din-
ge erſchaffen hat, iſt verſtändig, und wer kann
mit ſeiner Vorſtellung die Höhe ſeiner Weisheit
erreichen? Welch ein Schauplatz der ſchönſten
Harmonie und Ordnung ſind nicht alle ſeine
Werke, und welch ein weitläuftiger unermeßlicher
Schauplatz! Die Anzahl der von einander ver-
ſchiednen Körper iſt ſo unausſprechlich; jeder hat
ſein Eignes; jeder ſeine beſondern Kräfte, die oft
wider die Kräfte des andern zu ſtreiten ſcheinen.
Die Luft andre Wirkungen; das Feuer hat an-
dre Wirkungen; das Waſſer hat andre Wir-
kungen; ein Körper iſt leicht, ein andrer ſchwer;
einer hat dieſe, ein andrer eine andre Wirkung;
alle durchkreuzen einander, ohne einander zu ver-
wirren. Jedes Geſtirne beſchreibt in dem uner-
meßlichen Raume des Himmels einen andern
Kreis. Und dennoch iſt im Ganzen keine Unord-
nung; die Sonne ſezt ihren Lauf ungehindert

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="194"/>
ren ge&#x017F;ammten Wirkungen und Veränderungen<lb/>
Ver&#x017F;tand, Ueberlegung, Wahl und Klugheit<lb/>
äußere. Wenn ein Men&#x017F;ch im Ern&#x017F;te &#x017F;o verkehrt<lb/>
denken könnte: Wie zerrüttet müßte nicht &#x017F;ein<lb/>
Ver&#x017F;tand &#x017F;eyn, welch ein Chaos verwirrter,<lb/>
grundlo&#x017F;er, und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t wider&#x017F;prechender Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen und Gedanken?</p><lb/>
        <p>Nein das ewige We&#x017F;en, welches alle Din-<lb/>
ge er&#x017F;chaffen hat, i&#x017F;t ver&#x017F;tändig, und wer kann<lb/>
mit &#x017F;einer Vor&#x017F;tellung die Höhe &#x017F;einer Weisheit<lb/>
erreichen? Welch ein Schauplatz der &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
Harmonie und Ordnung &#x017F;ind nicht alle &#x017F;eine<lb/>
Werke, und welch ein weitläuftiger unermeßlicher<lb/>
Schauplatz! Die Anzahl der von einander ver-<lb/>
&#x017F;chiednen Körper i&#x017F;t &#x017F;o unaus&#x017F;prechlich; jeder hat<lb/>
&#x017F;ein Eignes; jeder &#x017F;eine be&#x017F;ondern Kräfte, die oft<lb/>
wider die Kräfte des andern zu &#x017F;treiten &#x017F;cheinen.<lb/>
Die Luft andre Wirkungen; das Feuer hat an-<lb/>
dre Wirkungen; das Wa&#x017F;&#x017F;er hat andre Wir-<lb/>
kungen; ein Körper i&#x017F;t leicht, ein andrer &#x017F;chwer;<lb/>
einer hat die&#x017F;e, ein andrer eine andre Wirkung;<lb/>
alle durchkreuzen einander, ohne einander zu ver-<lb/>
wirren. Jedes Ge&#x017F;tirne be&#x017F;chreibt in dem uner-<lb/>
meßlichen Raume des Himmels einen andern<lb/>
Kreis. Und dennoch i&#x017F;t im Ganzen keine Unord-<lb/>
nung; die Sonne &#x017F;ezt ihren Lauf ungehindert<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0208] ren geſammten Wirkungen und Veränderungen Verſtand, Ueberlegung, Wahl und Klugheit äußere. Wenn ein Menſch im Ernſte ſo verkehrt denken könnte: Wie zerrüttet müßte nicht ſein Verſtand ſeyn, welch ein Chaos verwirrter, grundloſer, und ſich ſelbſt widerſprechender Vor- ſtellungen und Gedanken? Nein das ewige Weſen, welches alle Din- ge erſchaffen hat, iſt verſtändig, und wer kann mit ſeiner Vorſtellung die Höhe ſeiner Weisheit erreichen? Welch ein Schauplatz der ſchönſten Harmonie und Ordnung ſind nicht alle ſeine Werke, und welch ein weitläuftiger unermeßlicher Schauplatz! Die Anzahl der von einander ver- ſchiednen Körper iſt ſo unausſprechlich; jeder hat ſein Eignes; jeder ſeine beſondern Kräfte, die oft wider die Kräfte des andern zu ſtreiten ſcheinen. Die Luft andre Wirkungen; das Feuer hat an- dre Wirkungen; das Waſſer hat andre Wir- kungen; ein Körper iſt leicht, ein andrer ſchwer; einer hat dieſe, ein andrer eine andre Wirkung; alle durchkreuzen einander, ohne einander zu ver- wirren. Jedes Geſtirne beſchreibt in dem uner- meßlichen Raume des Himmels einen andern Kreis. Und dennoch iſt im Ganzen keine Unord- nung; die Sonne ſezt ihren Lauf ungehindert und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/208
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/208>, abgerufen am 28.08.2024.