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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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Wer kann die Weisheit und Kunst genug
bewundern, die überall aus der Anlage und Ein-
richtung des ganzen Erdbodens hervorleuchtet!
Die Gestalt derselben ist beynahe der Figur einer
Kugel gleich. Jn welcher Absicht? Damit sie
überall von Lebendigen bewohnt werden könnte.
Diese Absicht könnte nicht erreicht werden, wenn
sie nicht überall Wärme und Licht genug hätten;
wenn nicht überall das Wasser auf eine leichte
und hinlängliche Weise vertheilt werden könnte;
wenn die Winde gehindert würden, überall die
zuträglichste Bewegung für die Erde zu haben.
Könnte wohl zur Erhaltung aller dieser Endzwe-
cke eine Figur bequemer seyn, als diejenige, die sie
hat? Wärme und Licht, diese beyden großen
Vortheile aller Geschöpfe werden dadurch auf
der ganzen Erde gleich vertheilt, und ohne diese
Bildung derselben würde der bewundernswürdige
Wechsel von Tag und Nacht, von kalter und
heißer, trockner und nasser Witterung unmöglich
seyn. Wäre sie viereckigt, cylindrisch, würfel-
förmig, oder von einer andern eckigten Figur, so
würde ein Theil der Erde und zwar der größte
ganz von Wasser überschwemmt, und der andre
ganz trocken seyn; einigen Gegenden würde alle
heilsame Erschütterung des Windes fehlen, und
in andern würde durch einen ewigen Sturm alles

ver-

Wer kann die Weisheit und Kunſt genug
bewundern, die überall aus der Anlage und Ein-
richtung des ganzen Erdbodens hervorleuchtet!
Die Geſtalt derſelben iſt beynahe der Figur einer
Kugel gleich. Jn welcher Abſicht? Damit ſie
überall von Lebendigen bewohnt werden könnte.
Dieſe Abſicht könnte nicht erreicht werden, wenn
ſie nicht überall Wärme und Licht genug hätten;
wenn nicht überall das Waſſer auf eine leichte
und hinlängliche Weiſe vertheilt werden könnte;
wenn die Winde gehindert würden, überall die
zuträglichſte Bewegung für die Erde zu haben.
Könnte wohl zur Erhaltung aller dieſer Endzwe-
cke eine Figur bequemer ſeyn, als diejenige, die ſie
hat? Wärme und Licht, dieſe beyden großen
Vortheile aller Geſchöpfe werden dadurch auf
der ganzen Erde gleich vertheilt, und ohne dieſe
Bildung derſelben würde der bewundernswürdige
Wechſel von Tag und Nacht, von kalter und
heißer, trockner und naſſer Witterung unmöglich
ſeyn. Wäre ſie viereckigt, cylindriſch, würfel-
förmig, oder von einer andern eckigten Figur, ſo
würde ein Theil der Erde und zwar der größte
ganz von Waſſer überſchwemmt, und der andre
ganz trocken ſeyn; einigen Gegenden würde alle
heilſame Erſchütterung des Windes fehlen, und
in andern würde durch einen ewigen Sturm alles

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[189/0203] Wer kann die Weisheit und Kunſt genug bewundern, die überall aus der Anlage und Ein- richtung des ganzen Erdbodens hervorleuchtet! Die Geſtalt derſelben iſt beynahe der Figur einer Kugel gleich. Jn welcher Abſicht? Damit ſie überall von Lebendigen bewohnt werden könnte. Dieſe Abſicht könnte nicht erreicht werden, wenn ſie nicht überall Wärme und Licht genug hätten; wenn nicht überall das Waſſer auf eine leichte und hinlängliche Weiſe vertheilt werden könnte; wenn die Winde gehindert würden, überall die zuträglichſte Bewegung für die Erde zu haben. Könnte wohl zur Erhaltung aller dieſer Endzwe- cke eine Figur bequemer ſeyn, als diejenige, die ſie hat? Wärme und Licht, dieſe beyden großen Vortheile aller Geſchöpfe werden dadurch auf der ganzen Erde gleich vertheilt, und ohne dieſe Bildung derſelben würde der bewundernswürdige Wechſel von Tag und Nacht, von kalter und heißer, trockner und naſſer Witterung unmöglich ſeyn. Wäre ſie viereckigt, cylindriſch, würfel- förmig, oder von einer andern eckigten Figur, ſo würde ein Theil der Erde und zwar der größte ganz von Waſſer überſchwemmt, und der andre ganz trocken ſeyn; einigen Gegenden würde alle heilſame Erſchütterung des Windes fehlen, und in andern würde durch einen ewigen Sturm alles ver-

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/203>, abgerufen am 28.08.2024.