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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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quem zur Wohnung, zum Nutzen und Vergnü-
gen eines Hausvaters mit seiner Familie, ohne
daß der, der es aufführte, ein einzigesmal daran
gedacht hätte, es zu dieser Absicht geschickt zu
machen.

Was ist die ganze Welt, wenn wir die
Menschen, die Thiere, und Thierpflanzen, wor-
innen auch Seelen, obgleich Seelen von der nie-
drigsten und unvollkommensten Art zu wohnen
scheinen, davon absondern, als ein großes, be-
quemes, schönes, angenehmes und prächtiges
Gebäude für unzählbare Gattungen unzählbarer
lebendiger Geschöpfe? Wie die Häuser nicht um
ihrer selbst willen, sondern um ihrer Bewohner
willen da sind, so verhält es sich auch mit dem
ganzen Weltgebäude, das keine eigne innre Voll-
kommenheit hat, sich nicht auf sich selbst bezieht,
nicht um seinetwillen, sondern theils um der Leben-
digen willen da ist, theils zur Entdeckung und
Verherrlichung der unendlichen Eigenschaften ih-
res Urhebers für diejenigen dient, welche seiner
Erkenntniß fähig sind. Wer kann läugnen, daß
alles darinnen nach Absichten und Endzwecken
angeordnet und eingerichtet ist? Jst das Licht
der Sonne nicht darum in eine so ungeheure flam-
mende Kugel zusammen gesammelt, damit sie alle

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quem zur Wohnung, zum Nutzen und Vergnü-
gen eines Hausvaters mit ſeiner Familie, ohne
daß der, der es aufführte, ein einzigesmal daran
gedacht hätte, es zu dieſer Abſicht geſchickt zu
machen.

Was iſt die ganze Welt, wenn wir die
Menſchen, die Thiere, und Thierpflanzen, wor-
innen auch Seelen, obgleich Seelen von der nie-
drigſten und unvollkommenſten Art zu wohnen
ſcheinen, davon abſondern, als ein großes, be-
quemes, ſchönes, angenehmes und prächtiges
Gebäude für unzählbare Gattungen unzählbarer
lebendiger Geſchöpfe? Wie die Häuſer nicht um
ihrer ſelbſt willen, ſondern um ihrer Bewohner
willen da ſind, ſo verhält es ſich auch mit dem
ganzen Weltgebäude, das keine eigne innre Voll-
kommenheit hat, ſich nicht auf ſich ſelbſt bezieht,
nicht um ſeinetwillen, ſondern theils um der Leben-
digen willen da iſt, theils zur Entdeckung und
Verherrlichung der unendlichen Eigenſchaften ih-
res Urhebers für diejenigen dient, welche ſeiner
Erkenntniß fähig ſind. Wer kann läugnen, daß
alles darinnen nach Abſichten und Endzwecken
angeordnet und eingerichtet iſt? Jſt das Licht
der Sonne nicht darum in eine ſo ungeheure flam-
mende Kugel zuſammen geſammelt, damit ſie alle

Ge-
M 3
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[181/0195] quem zur Wohnung, zum Nutzen und Vergnü- gen eines Hausvaters mit ſeiner Familie, ohne daß der, der es aufführte, ein einzigesmal daran gedacht hätte, es zu dieſer Abſicht geſchickt zu machen. Was iſt die ganze Welt, wenn wir die Menſchen, die Thiere, und Thierpflanzen, wor- innen auch Seelen, obgleich Seelen von der nie- drigſten und unvollkommenſten Art zu wohnen ſcheinen, davon abſondern, als ein großes, be- quemes, ſchönes, angenehmes und prächtiges Gebäude für unzählbare Gattungen unzählbarer lebendiger Geſchöpfe? Wie die Häuſer nicht um ihrer ſelbſt willen, ſondern um ihrer Bewohner willen da ſind, ſo verhält es ſich auch mit dem ganzen Weltgebäude, das keine eigne innre Voll- kommenheit hat, ſich nicht auf ſich ſelbſt bezieht, nicht um ſeinetwillen, ſondern theils um der Leben- digen willen da iſt, theils zur Entdeckung und Verherrlichung der unendlichen Eigenſchaften ih- res Urhebers für diejenigen dient, welche ſeiner Erkenntniß fähig ſind. Wer kann läugnen, daß alles darinnen nach Abſichten und Endzwecken angeordnet und eingerichtet iſt? Jſt das Licht der Sonne nicht darum in eine ſo ungeheure flam- mende Kugel zuſammen geſammelt, damit ſie alle Ge- M 3

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/195>, abgerufen am 29.08.2024.