Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.ohne daß die Veränderung von dem Dinge selbst anfängt, bloß die nächsten Dinge dürfen ihren Stand verlassen, in ihrem Drucke oder Wider- stande nachgeben und schwächer werden, so ist es nicht mehr dasselbe. Wie es einem Körper geht, geht es nicht allein wirklich sehr vielen, sondern es können auch alle ein ähnliches Schicksal erfah- ren oder erfahren haben. Dieß alles ist entwe- der unläugbare Wahrheit, oder ich muß wider alle Regeln, nach denen ich denke, wider die Ein- richtung und wesentliche Bildung meines Ver- standes aus vielen beständig sich gleichen Erfah- rungen keine allgemeine Schlüsse herleiten; ich muß mir vornehmen, Widersprüche denken zu lernen, und das bloß darum, weil ich die erste, selbstständige, ewige und nothwendige Ursache al- ler Dinge nicht außer dem Umkreise der Schö- pfung, sondern in dem Bezirke finden will, der nichts enthält, als was einen Anfang gehabt hat, endlich, eingeschränkt, abhängig und ver- änderlich ist. Nein das sey ferne von mir, daß ich gegen aus Erster Theil. L
ohne daß die Veränderung von dem Dinge ſelbſt anfängt, bloß die nächſten Dinge dürfen ihren Stand verlaſſen, in ihrem Drucke oder Wider- ſtande nachgeben und ſchwächer werden, ſo iſt es nicht mehr daſſelbe. Wie es einem Körper geht, geht es nicht allein wirklich ſehr vielen, ſondern es können auch alle ein ähnliches Schickſal erfah- ren oder erfahren haben. Dieß alles iſt entwe- der unläugbare Wahrheit, oder ich muß wider alle Regeln, nach denen ich denke, wider die Ein- richtung und weſentliche Bildung meines Ver- ſtandes aus vielen beſtändig ſich gleichen Erfah- rungen keine allgemeine Schlüſſe herleiten; ich muß mir vornehmen, Widerſprüche denken zu lernen, und das bloß darum, weil ich die erſte, ſelbſtſtändige, ewige und nothwendige Urſache al- ler Dinge nicht außer dem Umkreiſe der Schö- pfung, ſondern in dem Bezirke finden will, der nichts enthält, als was einen Anfang gehabt hat, endlich, eingeſchränkt, abhängig und ver- änderlich iſt. Nein das ſey ferne von mir, daß ich gegen aus Erſter Theil. L
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ohne daß die Veränderung von dem Dinge ſelbſt
anfängt, bloß die nächſten Dinge dürfen ihren
Stand verlaſſen, in ihrem Drucke oder Wider-
ſtande nachgeben und ſchwächer werden, ſo iſt es
nicht mehr daſſelbe. Wie es einem Körper geht,
geht es nicht allein wirklich ſehr vielen, ſondern
es können auch alle ein ähnliches Schickſal erfah-
ren oder erfahren haben. Dieß alles iſt entwe-
der unläugbare Wahrheit, oder ich muß wider
alle Regeln, nach denen ich denke, wider die Ein-
richtung und weſentliche Bildung meines Ver-
ſtandes aus vielen beſtändig ſich gleichen Erfah-
rungen keine allgemeine Schlüſſe herleiten; ich
muß mir vornehmen, Widerſprüche denken zu
lernen, und das bloß darum, weil ich die erſte,
ſelbſtſtändige, ewige und nothwendige Urſache al-
ler Dinge nicht außer dem Umkreiſe der Schö-
pfung, ſondern in dem Bezirke finden will, der
nichts enthält, als was einen Anfang gehabt
hat, endlich, eingeſchränkt, abhängig und ver-
änderlich iſt.
Nein das ſey ferne von mir, daß ich gegen
alle meine Sinnen und Erfahrungen ein ſolcher
Tyrann ſeyn und meinen Verſtand ſo misbrau-
chen ſollte! Jch ſehe, daß unzählbare Men-
ſchen und Thiere einen Anfang haben, und dar-
aus
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