Pflanze zu der Zeit gewesen, da sie noch keine Pflanze war.
Die Welt, das ist, die Körper, aus de- nen das Ganze zusammengesetzt ist, welches wir die Welt nennen, hat ihre Form, ihre Gestalt und Bildung nicht von sich selbst. Die Bewe- gung derselben ist eben so wenig nothwendig; sie hat keine selbstständige Kraft, einen Ort mit dem andern zu verändern, darum, weil keiner von den Theilen, woraus sie besteht, diese Kraft hat, sondern jeder immer von einem andern in Bewe- gung gesetzt werden muß. Auch dieses bezeugen unsre Sinne. Jeder Körper ruht, wenn er nicht von einem andern fortgestoßen wird; oder wenn die ihm mitgetheilte Kraft des Stoßes schwächer, als der ihm eigne Widerstand ist. Wenn nun die Bewegung nicht den Theilen nothwendig ist: Wie kann sie dem Ganzen nothwendig seyn, das nichts anders ist, als die Sammlung seiner einzelnen Thei- le? Die Bewegung gehört nicht zum Wesen der Materie; denn der Augenschein lehrt, daß sie auch in Ruhe und ohne Bewegung seyn kann: Wenn sie sie nicht hat, woher empfängt sie dieselbe? Kann sie sich selbst das geben, was sie nicht hat?
Wäre die Bewegung der Materie nothwen- dig; hätte sie die Kraft, sich selbst zu bewegen, so
könnte
Pflanze zu der Zeit geweſen, da ſie noch keine Pflanze war.
Die Welt, das iſt, die Körper, aus de- nen das Ganze zuſammengeſetzt iſt, welches wir die Welt nennen, hat ihre Form, ihre Geſtalt und Bildung nicht von ſich ſelbſt. Die Bewe- gung derſelben iſt eben ſo wenig nothwendig; ſie hat keine ſelbſtſtändige Kraft, einen Ort mit dem andern zu verändern, darum, weil keiner von den Theilen, woraus ſie beſteht, dieſe Kraft hat, ſondern jeder immer von einem andern in Bewe- gung geſetzt werden muß. Auch dieſes bezeugen unſre Sinne. Jeder Körper ruht, wenn er nicht von einem andern fortgeſtoßen wird; oder wenn die ihm mitgetheilte Kraft des Stoßes ſchwächer, als der ihm eigne Widerſtand iſt. Wenn nun die Bewegung nicht den Theilen nothwendig iſt: Wie kann ſie dem Ganzen nothwendig ſeyn, das nichts anders iſt, als die Sammlung ſeiner einzelnen Thei- le? Die Bewegung gehört nicht zum Weſen der Materie; denn der Augenſchein lehrt, daß ſie auch in Ruhe und ohne Bewegung ſeyn kann: Wenn ſie ſie nicht hat, woher empfängt ſie dieſelbe? Kann ſie ſich ſelbſt das geben, was ſie nicht hat?
Wäre die Bewegung der Materie nothwen- dig; hätte ſie die Kraft, ſich ſelbſt zu bewegen, ſo
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Pflanze zu der Zeit geweſen, da ſie noch keine
Pflanze war.
Die Welt, das iſt, die Körper, aus de-
nen das Ganze zuſammengeſetzt iſt, welches wir
die Welt nennen, hat ihre Form, ihre Geſtalt
und Bildung nicht von ſich ſelbſt. Die Bewe-
gung derſelben iſt eben ſo wenig nothwendig; ſie
hat keine ſelbſtſtändige Kraft, einen Ort mit dem
andern zu verändern, darum, weil keiner von den
Theilen, woraus ſie beſteht, dieſe Kraft hat,
ſondern jeder immer von einem andern in Bewe-
gung geſetzt werden muß. Auch dieſes bezeugen
unſre Sinne. Jeder Körper ruht, wenn er nicht
von einem andern fortgeſtoßen wird; oder wenn
die ihm mitgetheilte Kraft des Stoßes ſchwächer,
als der ihm eigne Widerſtand iſt. Wenn nun die
Bewegung nicht den Theilen nothwendig iſt: Wie
kann ſie dem Ganzen nothwendig ſeyn, das nichts
anders iſt, als die Sammlung ſeiner einzelnen Thei-
le? Die Bewegung gehört nicht zum Weſen der
Materie; denn der Augenſchein lehrt, daß ſie auch
in Ruhe und ohne Bewegung ſeyn kann: Wenn
ſie ſie nicht hat, woher empfängt ſie dieſelbe?
Kann ſie ſich ſelbſt das geben, was ſie nicht hat?
Wäre die Bewegung der Materie nothwen-
dig; hätte ſie die Kraft, ſich ſelbſt zu bewegen, ſo
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/173>, abgerufen am 26.11.2024.
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