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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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und andrer Wesen. Wer sollte, fragte schon
ein weiser Heide, die Welt für ewig halten?
Wenn sie ewig wäre, wie könnte die Geschichte
die Erfindung so vieler nützlichen Dinge für neu
erklären? Warum sind nach dem Zeugnisse des
Alterthums die Menschen vor nicht gar langer
Zeit noch so unwissend, roh und unausgebildet
gewesen? Wenn die Welt keinen Anfang hat,
warum ist der Ackerbau keine ältere Erfindung?
Warum sind viele Völker mit so manchen nütz-
lichen Dingen nicht eher bekannt worden? Strei-
tet das nicht alles wider die Ewigkeit der Welt,
und besonders wider das ewige Daseyn des
menschlichen Geschlechtes?

Wenn also niemals einige Menschen von
sich selbst und ewig gewesen sind; wenn sie alle,
ohne Ausnahme einen Ursprung haben: Woher
sind die ersten Menschen? Jst die Welt, oder die
Natur die erste, ewige und nothwendige Ursache
derselben? Jst es die Wärme der Sonne, die
irgend einmal den Schlamm der Erde befruchtet,
und nachdem sie erst unzählbare Misgeburten her-
vorgebracht hatte, endlich auch Menschen und
Thiere von regelmäßiger, ordentlicher und zweck-
mäßiger Bildung durch eine wunderbare und un-
begreifliche Gährung hervorgebracht hat? Jst es

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und andrer Weſen. Wer ſollte, fragte ſchon
ein weiſer Heide, die Welt für ewig halten?
Wenn ſie ewig wäre, wie könnte die Geſchichte
die Erfindung ſo vieler nützlichen Dinge für neu
erklären? Warum ſind nach dem Zeugniſſe des
Alterthums die Menſchen vor nicht gar langer
Zeit noch ſo unwiſſend, roh und unausgebildet
geweſen? Wenn die Welt keinen Anfang hat,
warum iſt der Ackerbau keine ältere Erfindung?
Warum ſind viele Völker mit ſo manchen nütz-
lichen Dingen nicht eher bekannt worden? Strei-
tet das nicht alles wider die Ewigkeit der Welt,
und beſonders wider das ewige Daſeyn des
menſchlichen Geſchlechtes?

Wenn alſo niemals einige Menſchen von
ſich ſelbſt und ewig geweſen ſind; wenn ſie alle,
ohne Ausnahme einen Urſprung haben: Woher
ſind die erſten Menſchen? Jſt die Welt, oder die
Natur die erſte, ewige und nothwendige Urſache
derſelben? Jſt es die Wärme der Sonne, die
irgend einmal den Schlamm der Erde befruchtet,
und nachdem ſie erſt unzählbare Misgeburten her-
vorgebracht hatte, endlich auch Menſchen und
Thiere von regelmäßiger, ordentlicher und zweck-
mäßiger Bildung durch eine wunderbare und un-
begreifliche Gährung hervorgebracht hat? Jſt es

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[149/0163] und andrer Weſen. Wer ſollte, fragte ſchon ein weiſer Heide, die Welt für ewig halten? Wenn ſie ewig wäre, wie könnte die Geſchichte die Erfindung ſo vieler nützlichen Dinge für neu erklären? Warum ſind nach dem Zeugniſſe des Alterthums die Menſchen vor nicht gar langer Zeit noch ſo unwiſſend, roh und unausgebildet geweſen? Wenn die Welt keinen Anfang hat, warum iſt der Ackerbau keine ältere Erfindung? Warum ſind viele Völker mit ſo manchen nütz- lichen Dingen nicht eher bekannt worden? Strei- tet das nicht alles wider die Ewigkeit der Welt, und beſonders wider das ewige Daſeyn des menſchlichen Geſchlechtes? Wenn alſo niemals einige Menſchen von ſich ſelbſt und ewig geweſen ſind; wenn ſie alle, ohne Ausnahme einen Urſprung haben: Woher ſind die erſten Menſchen? Jſt die Welt, oder die Natur die erſte, ewige und nothwendige Urſache derſelben? Jſt es die Wärme der Sonne, die irgend einmal den Schlamm der Erde befruchtet, und nachdem ſie erſt unzählbare Misgeburten her- vorgebracht hatte, endlich auch Menſchen und Thiere von regelmäßiger, ordentlicher und zweck- mäßiger Bildung durch eine wunderbare und un- begreifliche Gährung hervorgebracht hat? Jſt es ein K 3

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/163>, abgerufen am 01.09.2024.