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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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stimmen; wovon ich endlich weiß, daß zu viel
Ordnung, Uebereinstimmung und Regelmäßig-
keit darinnen herrsche, als daß es das Werk eines
blinden Zufalles seyn sollte.

Dieser Pallast ist nicht von sich selbst, ist
weder nothwendig, noch ewig und selbststän-
dig; denn ich weiß die Zeit genau, wo er noch
nicht aufgeführt war. Wie könnte das von sich
selbst seyn, wovon ich weiß, daß es einmal nicht
gewesen sey? Müßte ich, wenn ich dieses glauben
sollte, mich nicht überreden können, daß es da-
mals war, als es nicht war? Jener Pallast ist
älter; ich kann die Zeit nicht angeben, wo die
Stätte, die er nun schmückt, wüste lag; andre
wissen es eben so wenig, und dennoch zweifle ich
nicht, daß er irgend einmal erbaut worden sey;
denn was ich mit Grund von dem Wesentli-
chen eines Gebäudes glauben kann, muß ich ge-
wiß von allen glauben, die ihm darinnen gleich
und ähnlich sind. Jch lese ein Werk, worinnen
alle Worte mich durch die Vortrefflichkeit und
Ordnung der Gedanken, die sie ausdrücken, in
Berwunderung setzen. Jch sehe in ihnen selbst
und in ihrer Zusammensetzung und Verbindung
die feinsten Regeln der Sprachlehre beobachtet;
nicht ein einziges Wort bemerke ich, das nicht ein

noth-



ſtimmen; wovon ich endlich weiß, daß zu viel
Ordnung, Uebereinſtimmung und Regelmäßig-
keit darinnen herrſche, als daß es das Werk eines
blinden Zufalles ſeyn ſollte.

Dieſer Pallaſt iſt nicht von ſich ſelbſt, iſt
weder nothwendig, noch ewig und ſelbſtſtän-
dig; denn ich weiß die Zeit genau, wo er noch
nicht aufgeführt war. Wie könnte das von ſich
ſelbſt ſeyn, wovon ich weiß, daß es einmal nicht
geweſen ſey? Müßte ich, wenn ich dieſes glauben
ſollte, mich nicht überreden können, daß es da-
mals war, als es nicht war? Jener Pallaſt iſt
älter; ich kann die Zeit nicht angeben, wo die
Stätte, die er nun ſchmückt, wüſte lag; andre
wiſſen es eben ſo wenig, und dennoch zweifle ich
nicht, daß er irgend einmal erbaut worden ſey;
denn was ich mit Grund von dem Weſentli-
chen eines Gebäudes glauben kann, muß ich ge-
wiß von allen glauben, die ihm darinnen gleich
und ähnlich ſind. Jch leſe ein Werk, worinnen
alle Worte mich durch die Vortrefflichkeit und
Ordnung der Gedanken, die ſie ausdrücken, in
Berwunderung ſetzen. Jch ſehe in ihnen ſelbſt
und in ihrer Zuſammenſetzung und Verbindung
die feinſten Regeln der Sprachlehre beobachtet;
nicht ein einziges Wort bemerke ich, das nicht ein

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[142/0156] ſtimmen; wovon ich endlich weiß, daß zu viel Ordnung, Uebereinſtimmung und Regelmäßig- keit darinnen herrſche, als daß es das Werk eines blinden Zufalles ſeyn ſollte. Dieſer Pallaſt iſt nicht von ſich ſelbſt, iſt weder nothwendig, noch ewig und ſelbſtſtän- dig; denn ich weiß die Zeit genau, wo er noch nicht aufgeführt war. Wie könnte das von ſich ſelbſt ſeyn, wovon ich weiß, daß es einmal nicht geweſen ſey? Müßte ich, wenn ich dieſes glauben ſollte, mich nicht überreden können, daß es da- mals war, als es nicht war? Jener Pallaſt iſt älter; ich kann die Zeit nicht angeben, wo die Stätte, die er nun ſchmückt, wüſte lag; andre wiſſen es eben ſo wenig, und dennoch zweifle ich nicht, daß er irgend einmal erbaut worden ſey; denn was ich mit Grund von dem Weſentli- chen eines Gebäudes glauben kann, muß ich ge- wiß von allen glauben, die ihm darinnen gleich und ähnlich ſind. Jch leſe ein Werk, worinnen alle Worte mich durch die Vortrefflichkeit und Ordnung der Gedanken, die ſie ausdrücken, in Berwunderung ſetzen. Jch ſehe in ihnen ſelbſt und in ihrer Zuſammenſetzung und Verbindung die feinſten Regeln der Sprachlehre beobachtet; nicht ein einziges Wort bemerke ich, das nicht ein noth-

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/156>, abgerufen am 01.09.2024.