der Mangel derselben! Wie sehr wird nicht unsre Natur dadurch verunstaltet und erniedrigt!
Nein meine Seele komme nicht in den Rath der Gottlosen, welche ihres Urhebers und seiner Offenbarungen spotten; welche sein Daseyn ver- läugnen, oder irrige, verkehrte, und seiner Hoheit unwürdige Begriffe von ihm auszubreiten suchen, und indem sie die sanften Bande der Religion zerbrechen, sie zu elenden Sclaven der Unordnung und des Lasters machen! Was ist wichtiger, als seine Erkenntniß? Was sind alle andern Wissen- schaften gegen sie, wenn Werth mit Werth, Ge- genstand mit Gegenstand, Endzweck mit Endzweck verglichen wird? Was für eine reine Wollust kann ich nicht aus Wahrheiten schöpfen, die mich zur Erkenntniß und Gemeinschaft des allervoll- kommensten und liebenswürdigsten Wesens füh- ren? Wenn kann ich sie betrachten, ohne ausgehei- tert, ermuntert, ergötzt, erquickt, getröstet und ent- zückt zu werden! Womit könnte ich die Vernach- läßigung der ersten, wichtigsten und seeligsten Wis- senschaft rechtfertigen oder entschuldigen? Gott kann meinen Verstand nicht erschaffen haben, daß er seines Ursprunges vergessen sollte. Die Ver- nunft ist eine allzuedle Kraft, als daß ich es un- terlassen dürfte, mich, so zu sagen, auf ihre Flügeln über alle Himmel zu dem Ewigen und Unendlichen
em-
der Mangel derſelben! Wie ſehr wird nicht unſre Natur dadurch verunſtaltet und erniedrigt!
Nein meine Seele komme nicht in den Rath der Gottloſen, welche ihres Urhebers und ſeiner Offenbarungen ſpotten; welche ſein Daſeyn ver- läugnen, oder irrige, verkehrte, und ſeiner Hoheit unwürdige Begriffe von ihm auszubreiten ſuchen, und indem ſie die ſanften Bande der Religion zerbrechen, ſie zu elenden Sclaven der Unordnung und des Laſters machen! Was iſt wichtiger, als ſeine Erkenntniß? Was ſind alle andern Wiſſen- ſchaften gegen ſie, wenn Werth mit Werth, Ge- genſtand mit Gegenſtand, Endzweck mit Endzweck verglichen wird? Was für eine reine Wolluſt kann ich nicht aus Wahrheiten ſchöpfen, die mich zur Erkenntniß und Gemeinſchaft des allervoll- kommenſten und liebenswürdigſten Weſens füh- ren? Wenn kann ich ſie betrachten, ohne ausgehei- tert, ermuntert, ergötzt, erquickt, getröſtet und ent- zückt zu werden! Womit könnte ich die Vernach- läßigung der erſten, wichtigſten und ſeeligſten Wiſ- ſenſchaft rechtfertigen oder entſchuldigen? Gott kann meinen Verſtand nicht erſchaffen haben, daß er ſeines Urſprunges vergeſſen ſollte. Die Ver- nunft iſt eine allzuedle Kraft, als daß ich es un- terlaſſen dürfte, mich, ſo zu ſagen, auf ihre Flügeln über alle Himmel zu dem Ewigen und Unendlichen
em-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0107"n="93"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
der Mangel derſelben! Wie ſehr wird nicht unſre<lb/>
Natur dadurch verunſtaltet und erniedrigt!</p><lb/><p>Nein meine Seele komme nicht in den Rath<lb/>
der Gottloſen, welche ihres Urhebers und ſeiner<lb/>
Offenbarungen ſpotten; welche ſein Daſeyn ver-<lb/>
läugnen, oder irrige, verkehrte, und ſeiner Hoheit<lb/>
unwürdige Begriffe von ihm auszubreiten ſuchen,<lb/>
und indem ſie die ſanften Bande der Religion<lb/>
zerbrechen, ſie zu elenden Sclaven der Unordnung<lb/>
und des Laſters machen! Was iſt wichtiger, als<lb/>ſeine Erkenntniß? Was ſind alle andern Wiſſen-<lb/>ſchaften gegen ſie, wenn Werth mit Werth, Ge-<lb/>
genſtand mit Gegenſtand, Endzweck mit Endzweck<lb/>
verglichen wird? Was für eine reine Wolluſt<lb/>
kann ich nicht aus Wahrheiten ſchöpfen, die mich<lb/>
zur Erkenntniß und Gemeinſchaft des allervoll-<lb/>
kommenſten und liebenswürdigſten Weſens füh-<lb/>
ren? Wenn kann ich ſie betrachten, ohne ausgehei-<lb/>
tert, ermuntert, ergötzt, erquickt, getröſtet und ent-<lb/>
zückt zu werden! Womit könnte ich die Vernach-<lb/>
läßigung der erſten, wichtigſten und ſeeligſten Wiſ-<lb/>ſenſchaft rechtfertigen oder entſchuldigen? Gott<lb/>
kann meinen Verſtand nicht erſchaffen haben, daß<lb/>
er ſeines Urſprunges vergeſſen ſollte. Die Ver-<lb/>
nunft iſt eine allzuedle Kraft, als daß ich es un-<lb/>
terlaſſen dürfte, mich, ſo zu ſagen, auf ihre Flügeln<lb/>
über alle Himmel zu dem Ewigen und Unendlichen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">em-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[93/0107]
der Mangel derſelben! Wie ſehr wird nicht unſre
Natur dadurch verunſtaltet und erniedrigt!
Nein meine Seele komme nicht in den Rath
der Gottloſen, welche ihres Urhebers und ſeiner
Offenbarungen ſpotten; welche ſein Daſeyn ver-
läugnen, oder irrige, verkehrte, und ſeiner Hoheit
unwürdige Begriffe von ihm auszubreiten ſuchen,
und indem ſie die ſanften Bande der Religion
zerbrechen, ſie zu elenden Sclaven der Unordnung
und des Laſters machen! Was iſt wichtiger, als
ſeine Erkenntniß? Was ſind alle andern Wiſſen-
ſchaften gegen ſie, wenn Werth mit Werth, Ge-
genſtand mit Gegenſtand, Endzweck mit Endzweck
verglichen wird? Was für eine reine Wolluſt
kann ich nicht aus Wahrheiten ſchöpfen, die mich
zur Erkenntniß und Gemeinſchaft des allervoll-
kommenſten und liebenswürdigſten Weſens füh-
ren? Wenn kann ich ſie betrachten, ohne ausgehei-
tert, ermuntert, ergötzt, erquickt, getröſtet und ent-
zückt zu werden! Womit könnte ich die Vernach-
läßigung der erſten, wichtigſten und ſeeligſten Wiſ-
ſenſchaft rechtfertigen oder entſchuldigen? Gott
kann meinen Verſtand nicht erſchaffen haben, daß
er ſeines Urſprunges vergeſſen ſollte. Die Ver-
nunft iſt eine allzuedle Kraft, als daß ich es un-
terlaſſen dürfte, mich, ſo zu ſagen, auf ihre Flügeln
über alle Himmel zu dem Ewigen und Unendlichen
em-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/107>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.