Leben, das ihm zarte Zeichen, eine geheimnißvolle, süße Kunde brächte. Doch er mußte allein sein. Und ganz Egoist, suchte er dem schwer athmenden, prustenden, oft ausspuckenden Oettinger begreiflich zu machen, daß es das Beste wäre, wenn er nun allein nach Hause wanderte. Der Herr Referendar war schon viel zu acut über sich hinausgekommen, um eines kräftigeren Widerstandes noch fähig zu sein. An der nächsten Ecke machte sich Adam von ihm los und überließ ihn seinem Schicksal. Man ver- abschiedete sich sehr kurz und abgerissen.
Adam trottete eine Weile hin, ganz im Zwange seiner hüpfenden Gedankenschemen. Da merkte er, daß er sich in der Richtung geirrt. Er mußte um- kehren. Und am Besten wäre es, wenn er die Straße, in die vor einer kleinen Weile Oettinger hineingeschwankt, kreuzte. Wahrhaftig! Da drüben auf der anderen Seite -- da stapfte sein wackerer Zechgesell immer noch redlich fürbaß. Adam konnte sich nicht enthalten, mit verstellter, dumpf gurgelnder Stimme ein diabolisch-mysteriöses "Oettinger!" über den Straßendamm hinüberzuknurren. Der ge- heimnißvoll Angerufene wandte sich jäh um und blieb stehen. Adam setzte seinen Weg mit großen Schritten fort und kicherte leise in sich hinein.
So! ... Nun war der Herr Referendar in den Schatten der Nacht hinter ihm verschwunden. Adam schluckte mit Behagen den kühlen Wind ein und setzte seine Füße emphatisch auf die Asphalt- flächen. Grell, in scharf abgekantetem Rhythmus,
6*
Leben, das ihm zarte Zeichen, eine geheimnißvolle, ſüße Kunde brächte. Doch er mußte allein ſein. Und ganz Egoiſt, ſuchte er dem ſchwer athmenden, pruſtenden, oft ausſpuckenden Oettinger begreiflich zu machen, daß es das Beſte wäre, wenn er nun allein nach Hauſe wanderte. Der Herr Referendar war ſchon viel zu acut über ſich hinausgekommen, um eines kräftigeren Widerſtandes noch fähig zu ſein. An der nächſten Ecke machte ſich Adam von ihm los und überließ ihn ſeinem Schickſal. Man ver- abſchiedete ſich ſehr kurz und abgeriſſen.
Adam trottete eine Weile hin, ganz im Zwange ſeiner hüpfenden Gedankenſchemen. Da merkte er, daß er ſich in der Richtung geirrt. Er mußte um- kehren. Und am Beſten wäre es, wenn er die Straße, in die vor einer kleinen Weile Oettinger hineingeſchwankt, kreuzte. Wahrhaftig! Da drüben auf der anderen Seite — da ſtapfte ſein wackerer Zechgeſell immer noch redlich fürbaß. Adam konnte ſich nicht enthalten, mit verſtellter, dumpf gurgelnder Stimme ein diaboliſch-myſteriöſes „Oettinger!“ über den Straßendamm hinüberzuknurren. Der ge- heimnißvoll Angerufene wandte ſich jäh um und blieb ſtehen. Adam ſetzte ſeinen Weg mit großen Schritten fort und kicherte leiſe in ſich hinein.
So! ... Nun war der Herr Referendar in den Schatten der Nacht hinter ihm verſchwunden. Adam ſchluckte mit Behagen den kühlen Wind ein und ſetzte ſeine Füße emphatiſch auf die Asphalt- flächen. Grell, in ſcharf abgekantetem Rhythmus,
6*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0091"n="83"/><lb/>
Leben, das ihm zarte Zeichen, eine geheimnißvolle,<lb/>ſüße Kunde brächte. Doch er mußte allein ſein.<lb/>
Und ganz Egoiſt, ſuchte er dem ſchwer athmenden,<lb/>
pruſtenden, oft ausſpuckenden Oettinger begreiflich zu<lb/>
machen, daß es das Beſte wäre, wenn er nun allein<lb/>
nach Hauſe wanderte. Der Herr Referendar war<lb/>ſchon viel zu acut über ſich hinausgekommen, um<lb/>
eines kräftigeren Widerſtandes noch fähig zu ſein.<lb/>
An der nächſten Ecke machte ſich Adam von ihm<lb/>
los und überließ ihn ſeinem Schickſal. Man ver-<lb/>
abſchiedete ſich ſehr kurz und abgeriſſen.</p><lb/><p>Adam trottete eine Weile hin, ganz im Zwange<lb/>ſeiner hüpfenden Gedankenſchemen. Da merkte er,<lb/>
daß er ſich in der Richtung geirrt. Er mußte um-<lb/>
kehren. Und am Beſten wäre es, wenn er die<lb/>
Straße, in die vor einer kleinen Weile Oettinger<lb/>
hineingeſchwankt, kreuzte. Wahrhaftig! Da drüben<lb/>
auf der anderen Seite — da ſtapfte ſein wackerer<lb/>
Zechgeſell immer noch redlich fürbaß. Adam konnte<lb/>ſich nicht enthalten, mit verſtellter, dumpf gurgelnder<lb/>
Stimme ein diaboliſch-myſteriöſes „Oettinger!“<lb/>
über den Straßendamm hinüberzuknurren. Der ge-<lb/>
heimnißvoll Angerufene wandte ſich jäh um und<lb/>
blieb ſtehen. Adam ſetzte ſeinen Weg mit großen<lb/>
Schritten fort und kicherte leiſe in ſich hinein.</p><lb/><p>So! ... Nun war der Herr Referendar in<lb/>
den Schatten der Nacht hinter ihm verſchwunden.<lb/>
Adam ſchluckte mit Behagen den kühlen Wind ein<lb/>
und ſetzte ſeine Füße emphatiſch auf die Asphalt-<lb/>
flächen. Grell, in ſcharf abgekantetem Rhythmus,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">6*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[83/0091]
Leben, das ihm zarte Zeichen, eine geheimnißvolle,
ſüße Kunde brächte. Doch er mußte allein ſein.
Und ganz Egoiſt, ſuchte er dem ſchwer athmenden,
pruſtenden, oft ausſpuckenden Oettinger begreiflich zu
machen, daß es das Beſte wäre, wenn er nun allein
nach Hauſe wanderte. Der Herr Referendar war
ſchon viel zu acut über ſich hinausgekommen, um
eines kräftigeren Widerſtandes noch fähig zu ſein.
An der nächſten Ecke machte ſich Adam von ihm
los und überließ ihn ſeinem Schickſal. Man ver-
abſchiedete ſich ſehr kurz und abgeriſſen.
Adam trottete eine Weile hin, ganz im Zwange
ſeiner hüpfenden Gedankenſchemen. Da merkte er,
daß er ſich in der Richtung geirrt. Er mußte um-
kehren. Und am Beſten wäre es, wenn er die
Straße, in die vor einer kleinen Weile Oettinger
hineingeſchwankt, kreuzte. Wahrhaftig! Da drüben
auf der anderen Seite — da ſtapfte ſein wackerer
Zechgeſell immer noch redlich fürbaß. Adam konnte
ſich nicht enthalten, mit verſtellter, dumpf gurgelnder
Stimme ein diaboliſch-myſteriöſes „Oettinger!“
über den Straßendamm hinüberzuknurren. Der ge-
heimnißvoll Angerufene wandte ſich jäh um und
blieb ſtehen. Adam ſetzte ſeinen Weg mit großen
Schritten fort und kicherte leiſe in ſich hinein.
So! ... Nun war der Herr Referendar in
den Schatten der Nacht hinter ihm verſchwunden.
Adam ſchluckte mit Behagen den kühlen Wind ein
und ſetzte ſeine Füße emphatiſch auf die Asphalt-
flächen. Grell, in ſcharf abgekantetem Rhythmus,
6*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/91>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.