kaustische Bemerkung in den Spielunterricht, welchen Frau Lydia zu ertheilen, der Herr Referendar Oettinger auf sich genommen. Frau Möbius lachte mit ängst- licher Aufrichtigkeit zu den Bemerkungen ihres Neffen. Oettinger führte seine Schülerin sehr geschickt in die schwierigen Scatprobleme ein. Und Lydia war eine gelehrige Schülerin. Es ärgerte sie nur ein Wenig, daß Adam jetzt im Ganzen so zurückhaltend gegen sie war. Wollte er demonstrativ merken lassen, daß dieser erste beste Herr Referendar gerade gut genug war für die Rolle des Scatpräceptors --? Plötz- lich hatte sich Adam erhoben und war in das Neben- zimmer verschwunden. Man plauderte im Salon gerade sehr eifrig durcheinander. Herr Quöck schien der genossene Wein schon recht tüchtig an- gefranst zu haben. Auch Oettinger sprach schärfer und lauter als gewöhnlich, betonte unregelmäßig und falsch. Lydia war nicht minder unruhig. Ihre Gedanken waren zerstückt, ihr Blut kochte auf. Al- kohol und Nicotin hatten sie aus den Geleisen der normalen Selbstbeherrschung geschleudert.
Adam war zu Hedwig getreten.
Diese hatte ihren rechten Oberarm weit, nach- lässig, unkritisch, über den aufgeschlagenen Band, in dem sie geblättert, gelegt und den Kopf in die Handhöhlung gestützt. Der linke Arm hing schlaff herunter. Der Blick gedankengebannt oder phan- tasieverloren. Da fiel der Schatten einer fremden Gestalt in ihren Kreis. Sie schrak zusammen.
Adam trat ganz dicht an sie heran. Er athmete
kauſtiſche Bemerkung in den Spielunterricht, welchen Frau Lydia zu ertheilen, der Herr Referendar Oettinger auf ſich genommen. Frau Möbius lachte mit ängſt- licher Aufrichtigkeit zu den Bemerkungen ihres Neffen. Oettinger führte ſeine Schülerin ſehr geſchickt in die ſchwierigen Scatprobleme ein. Und Lydia war eine gelehrige Schülerin. Es ärgerte ſie nur ein Wenig, daß Adam jetzt im Ganzen ſo zurückhaltend gegen ſie war. Wollte er demonſtrativ merken laſſen, daß dieſer erſte beſte Herr Referendar gerade gut genug war für die Rolle des Scatpräceptors —? Plötz- lich hatte ſich Adam erhoben und war in das Neben- zimmer verſchwunden. Man plauderte im Salon gerade ſehr eifrig durcheinander. Herr Quöck ſchien der genoſſene Wein ſchon recht tüchtig an- gefranſt zu haben. Auch Oettinger ſprach ſchärfer und lauter als gewöhnlich, betonte unregelmäßig und falſch. Lydia war nicht minder unruhig. Ihre Gedanken waren zerſtückt, ihr Blut kochte auf. Al- kohol und Nicotin hatten ſie aus den Geleiſen der normalen Selbſtbeherrſchung geſchleudert.
Adam war zu Hedwig getreten.
Dieſe hatte ihren rechten Oberarm weit, nach- läſſig, unkritiſch, über den aufgeſchlagenen Band, in dem ſie geblättert, gelegt und den Kopf in die Handhöhlung geſtützt. Der linke Arm hing ſchlaff herunter. Der Blick gedankengebannt oder phan- taſieverloren. Da fiel der Schatten einer fremden Geſtalt in ihren Kreis. Sie ſchrak zuſammen.
Adam trat ganz dicht an ſie heran. Er athmete
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[74/0082]
kauſtiſche Bemerkung in den Spielunterricht, welchen
Frau Lydia zu ertheilen, der Herr Referendar Oettinger
auf ſich genommen. Frau Möbius lachte mit ängſt-
licher Aufrichtigkeit zu den Bemerkungen ihres Neffen.
Oettinger führte ſeine Schülerin ſehr geſchickt in die
ſchwierigen Scatprobleme ein. Und Lydia war eine
gelehrige Schülerin. Es ärgerte ſie nur ein Wenig,
daß Adam jetzt im Ganzen ſo zurückhaltend gegen
ſie war. Wollte er demonſtrativ merken laſſen, daß
dieſer erſte beſte Herr Referendar gerade gut genug
war für die Rolle des Scatpräceptors —? Plötz-
lich hatte ſich Adam erhoben und war in das Neben-
zimmer verſchwunden. Man plauderte im Salon
gerade ſehr eifrig durcheinander. Herr Quöck
ſchien der genoſſene Wein ſchon recht tüchtig an-
gefranſt zu haben. Auch Oettinger ſprach ſchärfer
und lauter als gewöhnlich, betonte unregelmäßig
und falſch. Lydia war nicht minder unruhig. Ihre
Gedanken waren zerſtückt, ihr Blut kochte auf. Al-
kohol und Nicotin hatten ſie aus den Geleiſen der
normalen Selbſtbeherrſchung geſchleudert.
Adam war zu Hedwig getreten.
Dieſe hatte ihren rechten Oberarm weit, nach-
läſſig, unkritiſch, über den aufgeſchlagenen Band, in
dem ſie geblättert, gelegt und den Kopf in die
Handhöhlung geſtützt. Der linke Arm hing ſchlaff
herunter. Der Blick gedankengebannt oder phan-
taſieverloren. Da fiel der Schatten einer fremden
Geſtalt in ihren Kreis. Sie ſchrak zuſammen.
Adam trat ganz dicht an ſie heran. Er athmete
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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