der große Werthanalytiker nämlich -- Sie werden gewiß seine Werke kennen, wenigstens seine Sätze, seine Resultate, seine Definitionen --"
"Nein! -- Gott sei Dank! nicht --"
"Aber -- pardon! -- Sie sind doch Jurist --"
"Allerdings! Und ich muß zu meinem aller- größten Bedauern bemerken, daß ich sehr -- sehr viel jüdische Collegen habe .. Diese Herren mögen die Thesen ihres Heros besser kennen, als ich -- ich bin streng -- ich bin a tout prix monarchisch, Herr Doctor -- stockconservativ, wenn Sie wollen -- mein Kaiser braucht bloß zu winken, so lege ich mit tausend Freuden mein Haupt auf den Block für ihn -- dulce et decorum, pro imperatore mori, Herr Doctor! Heilig -- heilig ist mir die Regierung -- unantastbar -- --"
"Unfehlbar --" warf Lydia ein, die sich zurück- gelehnt hatte und amüsirt, ein verhaltenes, halb spöttisches, halb gutmüthiges Lächeln im Gesicht, den Versicherungen ihres Nachbars zuhörte.
"Jawohl, gnädige Frau! In gewissem Sinne sogar ,unfehlbar' ist mir die Regierung! Und ich wäre glücklich, sollte es mir vergönnt sein, dereinst einmal ein guter Hüter und Wahrer und Pfleger des Gesetzes zu werden -- des Gesetzes, das für mich vorläufig nur einen Fehler hat -- nämlich den, daß es in mancher Beziehung zu mild, zu tolerant ist. So sollte z. B. Jeder -- ich wähle das Beispiel, weil mir gerade kein anderes einfällt -- so sollte also Jeder, der im öffentlichen Besitze einer Waffe ge-
der große Werthanalytiker nämlich — Sie werden gewiß ſeine Werke kennen, wenigſtens ſeine Sätze, ſeine Reſultate, ſeine Definitionen —“
„Nein! — Gott ſei Dank! nicht —“
„Aber — pardon! — Sie ſind doch Juriſt —“
„Allerdings! Und ich muß zu meinem aller- größten Bedauern bemerken, daß ich ſehr — ſehr viel jüdiſche Collegen habe .. Dieſe Herren mögen die Theſen ihres Heros beſſer kennen, als ich — ich bin ſtreng — ich bin à tout prix monarchiſch, Herr Doctor — ſtockconſervativ, wenn Sie wollen — mein Kaiſer braucht bloß zu winken, ſo lege ich mit tauſend Freuden mein Haupt auf den Block für ihn — dulce et decorum, pro imperatore mori, Herr Doctor! Heilig — heilig iſt mir die Regierung — unantaſtbar — —“
„Unfehlbar —“ warf Lydia ein, die ſich zurück- gelehnt hatte und amüſirt, ein verhaltenes, halb ſpöttiſches, halb gutmüthiges Lächeln im Geſicht, den Verſicherungen ihres Nachbars zuhörte.
„Jawohl, gnädige Frau! In gewiſſem Sinne ſogar ‚unfehlbar‘ iſt mir die Regierung! Und ich wäre glücklich, ſollte es mir vergönnt ſein, dereinſt einmal ein guter Hüter und Wahrer und Pfleger des Geſetzes zu werden — des Geſetzes, das für mich vorläufig nur einen Fehler hat — nämlich den, daß es in mancher Beziehung zu mild, zu tolerant iſt. So ſollte z. B. Jeder — ich wähle das Beiſpiel, weil mir gerade kein anderes einfällt — ſo ſollte alſo Jeder, der im öffentlichen Beſitze einer Waffe ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="60"/>
der große Werthanalytiker nämlich — Sie werden<lb/>
gewiß ſeine Werke kennen, wenigſtens ſeine Sätze,<lb/>ſeine Reſultate, ſeine Definitionen —“</p><lb/><p>„Nein! — Gott ſei Dank! nicht —“</p><lb/><p>„Aber — pardon! — Sie ſind doch Juriſt —“</p><lb/><p>„Allerdings! Und ich muß zu meinem aller-<lb/>
größten Bedauern bemerken, daß ich ſehr —ſehr<lb/>
viel jüdiſche Collegen habe .. Dieſe Herren mögen<lb/>
die Theſen ihres Heros beſſer kennen, als ich —<lb/>
ich bin ſtreng — ich bin <hirendition="#aq">à tout prix</hi> monarchiſch,<lb/>
Herr Doctor —ſtockconſervativ, wenn Sie wollen —<lb/>
mein Kaiſer braucht bloß zu winken, ſo lege ich<lb/>
mit tauſend Freuden mein Haupt auf den Block<lb/>
für ihn —<hirendition="#aq">dulce et decorum, pro imperatore<lb/>
mori,</hi> Herr Doctor! Heilig — heilig iſt mir die<lb/>
Regierung — unantaſtbar ——“</p><lb/><p>„Unfehlbar —“ warf Lydia ein, die ſich zurück-<lb/>
gelehnt hatte und amüſirt, ein verhaltenes, halb<lb/>ſpöttiſches, halb gutmüthiges Lächeln im Geſicht, den<lb/>
Verſicherungen ihres Nachbars zuhörte.</p><lb/><p>„Jawohl, gnädige Frau! In gewiſſem Sinne ſogar<lb/>‚unfehlbar‘ iſt mir die Regierung! Und ich wäre<lb/>
glücklich, ſollte es mir vergönnt ſein, dereinſt einmal<lb/>
ein guter Hüter und Wahrer und Pfleger des Geſetzes<lb/>
zu werden — des Geſetzes, das für mich vorläufig<lb/>
nur einen Fehler hat — nämlich den, daß es in<lb/>
mancher Beziehung zu mild, zu tolerant iſt. So<lb/>ſollte z. B. Jeder — ich wähle das Beiſpiel, weil<lb/>
mir gerade kein anderes einfällt —ſo ſollte alſo<lb/>
Jeder, der im öffentlichen Beſitze einer Waffe ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[60/0068]
der große Werthanalytiker nämlich — Sie werden
gewiß ſeine Werke kennen, wenigſtens ſeine Sätze,
ſeine Reſultate, ſeine Definitionen —“
„Nein! — Gott ſei Dank! nicht —“
„Aber — pardon! — Sie ſind doch Juriſt —“
„Allerdings! Und ich muß zu meinem aller-
größten Bedauern bemerken, daß ich ſehr — ſehr
viel jüdiſche Collegen habe .. Dieſe Herren mögen
die Theſen ihres Heros beſſer kennen, als ich —
ich bin ſtreng — ich bin à tout prix monarchiſch,
Herr Doctor — ſtockconſervativ, wenn Sie wollen —
mein Kaiſer braucht bloß zu winken, ſo lege ich
mit tauſend Freuden mein Haupt auf den Block
für ihn — dulce et decorum, pro imperatore
mori, Herr Doctor! Heilig — heilig iſt mir die
Regierung — unantaſtbar — —“
„Unfehlbar —“ warf Lydia ein, die ſich zurück-
gelehnt hatte und amüſirt, ein verhaltenes, halb
ſpöttiſches, halb gutmüthiges Lächeln im Geſicht, den
Verſicherungen ihres Nachbars zuhörte.
„Jawohl, gnädige Frau! In gewiſſem Sinne ſogar
‚unfehlbar‘ iſt mir die Regierung! Und ich wäre
glücklich, ſollte es mir vergönnt ſein, dereinſt einmal
ein guter Hüter und Wahrer und Pfleger des Geſetzes
zu werden — des Geſetzes, das für mich vorläufig
nur einen Fehler hat — nämlich den, daß es in
mancher Beziehung zu mild, zu tolerant iſt. So
ſollte z. B. Jeder — ich wähle das Beiſpiel, weil
mir gerade kein anderes einfällt — ſo ſollte alſo
Jeder, der im öffentlichen Beſitze einer Waffe ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/68>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.