"Prosit, meine Herrschaften --!" lud Herr Quöck ein und erhob sein Glas zum Anstoßen.
Die Gläser klangen zusammen.
Frau Lydia hatte ihren ,Kelch' zuerst an den Adams klingen lassen. Der lächelte ironisch. Dann wandte er sich auffallend seiner Nachbarin zu. Er begegnete ihrem müden, theilnahmslosen Blicke. Und er bemühte sich, diesen Blick festzuhalten und ihm da- mit ein eigenes Feuer, einen besonderen, selbständigen Werth zu geben. Plötzlich stieg ein leises, diskret- wolkiges Roth in Hedwigs Gesicht.
Lydia, welche diese kleine, überflüssige Scene beobachtet hatte, war etwas pikirt und kehrte sich mit nervöser Plötzlichkeit zu ihrem Nachbar: "-- Wie lange waren Sie in Italien, Herr Referendar --?"
Herr Oettinger, der soeben von seinem Weine ge- trunken, schluckte den köstlichen Tropfen hinunter, jedenfalls zu hastig für sein Gefühl, und antwortete: "Fünf Monate, gnädige Frau! Gerade genug, um die Schönheiten und, wie gesagt, auch -- den Schmutz dieser Dorados der guten Nordländer kennen lernen zu können --"
"Fünf Monate --" wiederholte Lydia mechanisch und sah zu Adam hinüber, der zerstreut-gedankenvoll an seiner Serviette herumspielte.
"Wollen Sie nicht einmal von diesem Apfel- sinencompot kosten --?" wandte sich Frau Möbius an Hedwig. Diese nahm dankend an, schöpfte ein paar Löffel des Nachtisches auf ihr Tellerchen und gab die kleine Terrine weiter an Adam.
„Proſit, meine Herrſchaften —!“ lud Herr Quöck ein und erhob ſein Glas zum Anſtoßen.
Die Gläſer klangen zuſammen.
Frau Lydia hatte ihren ‚Kelch‘ zuerſt an den Adams klingen laſſen. Der lächelte ironiſch. Dann wandte er ſich auffallend ſeiner Nachbarin zu. Er begegnete ihrem müden, theilnahmsloſen Blicke. Und er bemühte ſich, dieſen Blick feſtzuhalten und ihm da- mit ein eigenes Feuer, einen beſonderen, ſelbſtändigen Werth zu geben. Plötzlich ſtieg ein leiſes, diskret- wolkiges Roth in Hedwigs Geſicht.
Lydia, welche dieſe kleine, überflüſſige Scene beobachtet hatte, war etwas pikirt und kehrte ſich mit nervöſer Plötzlichkeit zu ihrem Nachbar: „— Wie lange waren Sie in Italien, Herr Referendar —?“
Herr Oettinger, der ſoeben von ſeinem Weine ge- trunken, ſchluckte den köſtlichen Tropfen hinunter, jedenfalls zu haſtig für ſein Gefühl, und antwortete: „Fünf Monate, gnädige Frau! Gerade genug, um die Schönheiten und, wie geſagt, auch — den Schmutz dieſer Dorados der guten Nordländer kennen lernen zu können —“
„Fünf Monate —“ wiederholte Lydia mechaniſch und ſah zu Adam hinüber, der zerſtreut-gedankenvoll an ſeiner Serviette herumſpielte.
„Wollen Sie nicht einmal von dieſem Apfel- ſinencompot koſten —?“ wandte ſich Frau Möbius an Hedwig. Dieſe nahm dankend an, ſchöpfte ein paar Löffel des Nachtiſches auf ihr Tellerchen und gab die kleine Terrine weiter an Adam.
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„Proſit, meine Herrſchaften —!“ lud Herr Quöck
ein und erhob ſein Glas zum Anſtoßen.
Die Gläſer klangen zuſammen.
Frau Lydia hatte ihren ‚Kelch‘ zuerſt an den
Adams klingen laſſen. Der lächelte ironiſch. Dann
wandte er ſich auffallend ſeiner Nachbarin zu. Er
begegnete ihrem müden, theilnahmsloſen Blicke. Und
er bemühte ſich, dieſen Blick feſtzuhalten und ihm da-
mit ein eigenes Feuer, einen beſonderen, ſelbſtändigen
Werth zu geben. Plötzlich ſtieg ein leiſes, diskret-
wolkiges Roth in Hedwigs Geſicht.
Lydia, welche dieſe kleine, überflüſſige Scene
beobachtet hatte, war etwas pikirt und kehrte ſich
mit nervöſer Plötzlichkeit zu ihrem Nachbar: „— Wie
lange waren Sie in Italien, Herr Referendar —?“
Herr Oettinger, der ſoeben von ſeinem Weine ge-
trunken, ſchluckte den köſtlichen Tropfen hinunter,
jedenfalls zu haſtig für ſein Gefühl, und antwortete:
„Fünf Monate, gnädige Frau! Gerade genug, um
die Schönheiten und, wie geſagt, auch — den Schmutz
dieſer Dorados der guten Nordländer kennen lernen
zu können —“
„Fünf Monate —“ wiederholte Lydia mechaniſch
und ſah zu Adam hinüber, der zerſtreut-gedankenvoll
an ſeiner Serviette herumſpielte.
„Wollen Sie nicht einmal von dieſem Apfel-
ſinencompot koſten —?“ wandte ſich Frau Möbius
an Hedwig. Dieſe nahm dankend an, ſchöpfte ein
paar Löffel des Nachtiſches auf ihr Tellerchen und gab
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/62>, abgerufen am 28.11.2024.
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