dauert mich, sie thut mir leid, sogar sehr leid -- aber was will ich machen --? Im Grunde ist sie selbst schuld an ihrem Unglück. Ich habe ihren Vater und sie sattsam über meine Anschauungen, Gewohnheiten, über die Art meines Handelns auf- geklärt. Es ist ja wahr, daß ich sie sozusagen "in Versuchung geführt" habe. Warum hat sie mir aber nicht widerstanden? Sie konnte nicht, sie mußte aus Gründen, die bei ihr gültig waren und sie zwangen, unterliegen. Sie ist eben auch nicht verantwortlich zu machen, nur muß sie eben als Object, in dem und an dem sich Etwas ereignete, auch die Folgen dieser Ereignisse tragen. Das müssen wir eben Alle. Was kann ein Getreideacker dafür, daß ein Gewitter über ihn niedergeht? Er muß die Folgen hinnehmen, muß sich zerstampfen lassen, muß seine Aehren opfern .. So springt die Natur mit uns Allen um -- und uns bleibt bloß die statistische Recapitulation, die sauersüße Resig- nation -- nichts weiter. -- C'est tout. Das ist Alles, aber auch andrerseits -- gerade genug. Siehst Du, Emmy, Du bist doch vielleicht das einzige Weib von allen Weibern, mit denen ich in der letzten Zeit verkehrt habe, dem ich tiefer zugethan gewesen. An Dir hänge ich vielleicht sogar jetzt noch am Meisten. Ich habe neulich eine schlaflose Nacht Deinetwegen gehabt. So 'was ist immer verdächtig. Und wenn ich nun also hingehe und mich mit einer anderen .. einer anderen Dame verbinde, die -- verzeih'! -- die keine "so Eine" ist -- wenn ich ins andere Lager desertire --
dauert mich, ſie thut mir leid, ſogar ſehr leid — aber was will ich machen —? Im Grunde iſt ſie ſelbſt ſchuld an ihrem Unglück. Ich habe ihren Vater und ſie ſattſam über meine Anſchauungen, Gewohnheiten, über die Art meines Handelns auf- geklärt. Es iſt ja wahr, daß ich ſie ſozuſagen „in Verſuchung geführt“ habe. Warum hat ſie mir aber nicht widerſtanden? Sie konnte nicht, ſie mußte aus Gründen, die bei ihr gültig waren und ſie zwangen, unterliegen. Sie iſt eben auch nicht verantwortlich zu machen, nur muß ſie eben als Object, in dem und an dem ſich Etwas ereignete, auch die Folgen dieſer Ereigniſſe tragen. Das müſſen wir eben Alle. Was kann ein Getreideacker dafür, daß ein Gewitter über ihn niedergeht? Er muß die Folgen hinnehmen, muß ſich zerſtampfen laſſen, muß ſeine Aehren opfern .. So ſpringt die Natur mit uns Allen um — und uns bleibt bloß die ſtatiſtiſche Recapitulation, die ſauerſüße Reſig- nation — nichts weiter. — C'est tout. Das iſt Alles, aber auch andrerſeits — gerade genug. Siehſt Du, Emmy, Du biſt doch vielleicht das einzige Weib von allen Weibern, mit denen ich in der letzten Zeit verkehrt habe, dem ich tiefer zugethan geweſen. An Dir hänge ich vielleicht ſogar jetzt noch am Meiſten. Ich habe neulich eine ſchlafloſe Nacht Deinetwegen gehabt. So 'was iſt immer verdächtig. Und wenn ich nun alſo hingehe und mich mit einer anderen .. einer anderen Dame verbinde, die — verzeih'! — die keine „ſo Eine“ iſt — wenn ich ins andere Lager deſertire —
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dauert mich, ſie thut mir leid, ſogar ſehr leid —
aber was will ich machen —? Im Grunde iſt ſie
ſelbſt ſchuld an ihrem Unglück. Ich habe ihren
Vater und ſie ſattſam über meine Anſchauungen,
Gewohnheiten, über die Art meines Handelns auf-
geklärt. Es iſt ja wahr, daß ich ſie ſozuſagen „in
Verſuchung geführt“ habe. Warum hat ſie mir
aber nicht widerſtanden? Sie konnte nicht, ſie
mußte aus Gründen, die bei ihr gültig waren und
ſie zwangen, unterliegen. Sie iſt eben auch nicht
verantwortlich zu machen, nur muß ſie eben als
Object, in dem und an dem ſich Etwas ereignete,
auch die Folgen dieſer Ereigniſſe tragen. Das
müſſen wir eben Alle. Was kann ein Getreideacker
dafür, daß ein Gewitter über ihn niedergeht? Er
muß die Folgen hinnehmen, muß ſich zerſtampfen
laſſen, muß ſeine Aehren opfern .. So ſpringt die
Natur mit uns Allen um — und uns bleibt bloß
die ſtatiſtiſche Recapitulation, die ſauerſüße Reſig-
nation — nichts weiter. — C'est tout. Das iſt Alles,
aber auch andrerſeits — gerade genug. Siehſt Du,
Emmy, Du biſt doch vielleicht das einzige Weib
von allen Weibern, mit denen ich in der letzten Zeit
verkehrt habe, dem ich tiefer zugethan geweſen. An
Dir hänge ich vielleicht ſogar jetzt noch am Meiſten.
Ich habe neulich eine ſchlafloſe Nacht Deinetwegen
gehabt. So 'was iſt immer verdächtig. Und wenn ich
nun alſo hingehe und mich mit einer anderen .. einer
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/458>, abgerufen am 25.11.2024.
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