würgte an seiner Kehle. Ha! Fürchtete er sich denn immer noch? Nein! Nein! Er brauchte ja bloß diese Thür aufzureißen ... und er wußte, wer ihn er- wartete ... er sah Den, der die Hände nach ihm ausstreckte ... Es war zum Todtlachen! Er fürch- tete sich! Und jetzt plötzlich kam ihm der Gedanke an die Tapete wieder, an die Farbe seiner Tapete. Ha! Was ging ihn der an, der da hinter dieser Thür saß und ihn erwartete? Nichts! Nichts! Er wollte ja nur wissen, wie die Tapete in seinem Zimmer aussähe -- es war das Einzige, was ihn noch auf der weiten, weiten Welt interessirte -- Alles andere war ihm so gleichgültig, so furchtbar gleichgültig -- -- und wenn der Tod ... und wenn der Wahnsinn ... und wenn irgend ein Un- glück mit fletschenden Zähnen hinter dieser Thür saß und auf ihn lauerte -- was verschlug's? Ha! War denn das nicht schon der Wahnsinn, diese Wuth, die in ihm brannte und biß und fraß, diese Wuth, die Farbe seiner Tapete, auf die er sich nun ein- mal nicht besinnen konnte, zu erfassen? War denn das nicht schon der pure, blanke Wahnsinn? Also denn los! Bebend legte Adam die Hand auf die Klinke und riß die Thür auf.
Das Zimmer lag in stillem Frieden. Auf dem Tische brannte ruhig die Lampe. Auf dem Sopha saß Emmy. Sie war gegen die Lehne zurückgesunken und schlief. Langsam und ruhig, tief, sicher, gesund ging ihr Athem. Auf dem Tische lag ein auf- geschlagenes Buch.
würgte an ſeiner Kehle. Ha! Fürchtete er ſich denn immer noch? Nein! Nein! Er brauchte ja bloß dieſe Thür aufzureißen ... und er wußte, wer ihn er- wartete ... er ſah Den, der die Hände nach ihm ausſtreckte ... Es war zum Todtlachen! Er fürch- tete ſich! Und jetzt plötzlich kam ihm der Gedanke an die Tapete wieder, an die Farbe ſeiner Tapete. Ha! Was ging ihn der an, der da hinter dieſer Thür ſaß und ihn erwartete? Nichts! Nichts! Er wollte ja nur wiſſen, wie die Tapete in ſeinem Zimmer ausſähe — es war das Einzige, was ihn noch auf der weiten, weiten Welt intereſſirte — Alles andere war ihm ſo gleichgültig, ſo furchtbar gleichgültig — — und wenn der Tod ... und wenn der Wahnſinn ... und wenn irgend ein Un- glück mit fletſchenden Zähnen hinter dieſer Thür ſaß und auf ihn lauerte — was verſchlug's? Ha! War denn das nicht ſchon der Wahnſinn, dieſe Wuth, die in ihm brannte und biß und fraß, dieſe Wuth, die Farbe ſeiner Tapete, auf die er ſich nun ein- mal nicht beſinnen konnte, zu erfaſſen? War denn das nicht ſchon der pure, blanke Wahnſinn? Alſo denn los! Bebend legte Adam die Hand auf die Klinke und riß die Thür auf.
Das Zimmer lag in ſtillem Frieden. Auf dem Tiſche brannte ruhig die Lampe. Auf dem Sopha ſaß Emmy. Sie war gegen die Lehne zurückgeſunken und ſchlief. Langſam und ruhig, tief, ſicher, geſund ging ihr Athem. Auf dem Tiſche lag ein auf- geſchlagenes Buch.
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würgte an ſeiner Kehle. Ha! Fürchtete er ſich denn
immer noch? Nein! Nein! Er brauchte ja bloß dieſe
Thür aufzureißen ... und er wußte, wer ihn er-
wartete ... er ſah Den, der die Hände nach ihm
ausſtreckte ... Es war zum Todtlachen! Er fürch-
tete ſich! Und jetzt plötzlich kam ihm der Gedanke
an die Tapete wieder, an die Farbe ſeiner Tapete.
Ha! Was ging ihn der an, der da hinter dieſer
Thür ſaß und ihn erwartete? Nichts! Nichts! Er
wollte ja nur wiſſen, wie die Tapete in ſeinem
Zimmer ausſähe — es war das Einzige, was ihn
noch auf der weiten, weiten Welt intereſſirte —
Alles andere war ihm ſo gleichgültig, ſo furchtbar
gleichgültig — — und wenn der Tod ... und
wenn der Wahnſinn ... und wenn irgend ein Un-
glück mit fletſchenden Zähnen hinter dieſer Thür
ſaß und auf ihn lauerte — was verſchlug's? Ha!
War denn das nicht ſchon der Wahnſinn, dieſe Wuth,
die in ihm brannte und biß und fraß, dieſe Wuth,
die Farbe ſeiner Tapete, auf die er ſich nun ein-
mal nicht beſinnen konnte, zu erfaſſen? War denn
das nicht ſchon der pure, blanke Wahnſinn? Alſo
denn los! Bebend legte Adam die Hand auf die
Klinke und riß die Thür auf.
Das Zimmer lag in ſtillem Frieden. Auf dem
Tiſche brannte ruhig die Lampe. Auf dem Sopha
ſaß Emmy. Sie war gegen die Lehne zurückgeſunken
und ſchlief. Langſam und ruhig, tief, ſicher, geſund
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/426>, abgerufen am 25.11.2024.
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