sähe ... wie sie aussähe ... wie sie aussähe -- diese Tapete ... diese Tapete ... diese Tapete ...?
So lief er weiter, seiner Wohnung zu, je näher er ihr kam, um so mehr eilte er, die Schwere seiner Glieder war noch gewachsen, sie war fast unerträglich geworden, seinen Kopf fühlte Adam wie eine schwere, amorph verquollene Masse, er glaubte, ein dumpfes, knurrendes Kreisen in seinem Schädel zu verspüren, Alles war in ihm erstorben, todt, wie aufgesogen von dem Einen, das er wie eine materielle Last in seinem Gehirn empfand ... wie aufgesogen von der Frage, die immer wiederkam und ihn ganz ausfüllte -- von der Frage nach der Farbe seiner Tapete ... Und er lief weiter in die Nacht hinein und keuchte halblaut vor sich hin: Tapete ... Tapete ... Tapete ...
Nun stand er vor dem Hause, in dem er wohnte. Er sah unwillkürlich zu seinen Fenstern hinauf. Oben war Licht.
Adam schrak zusammen. Wer war da oben? Wer war in seinem Zimmer? Wer erwartete ihn da? Wer? Wer? Wer? Wer lauerte auf ihn? Ah! Das Unglück! Jawohl, das Unglück, das er schon den ganzen Abend über geahnt hatte! Oder der Tod? Oder der Wahnsinn? Wer saß da hinter diesen blaßerleuchteten Scheiben ... auf einem Fauteuil ... auf dem Sopha ... irgendwo in seinem Zimmer --? Wer kauerte unter dem Tische, auf dem Teppich? Wer? Wer? Wer --?
Aber es konnte ja nicht sein. Es war eine
ſähe ... wie ſie ausſähe ... wie ſie ausſähe — dieſe Tapete ... dieſe Tapete ... dieſe Tapete ...?
So lief er weiter, ſeiner Wohnung zu, je näher er ihr kam, um ſo mehr eilte er, die Schwere ſeiner Glieder war noch gewachſen, ſie war faſt unerträglich geworden, ſeinen Kopf fühlte Adam wie eine ſchwere, amorph verquollene Maſſe, er glaubte, ein dumpfes, knurrendes Kreiſen in ſeinem Schädel zu verſpüren, Alles war in ihm erſtorben, todt, wie aufgeſogen von dem Einen, das er wie eine materielle Laſt in ſeinem Gehirn empfand ... wie aufgeſogen von der Frage, die immer wiederkam und ihn ganz ausfüllte — von der Frage nach der Farbe ſeiner Tapete ... Und er lief weiter in die Nacht hinein und keuchte halblaut vor ſich hin: Tapete ... Tapete ... Tapete ...
Nun ſtand er vor dem Hauſe, in dem er wohnte. Er ſah unwillkürlich zu ſeinen Fenſtern hinauf. Oben war Licht.
Adam ſchrak zuſammen. Wer war da oben? Wer war in ſeinem Zimmer? Wer erwartete ihn da? Wer? Wer? Wer? Wer lauerte auf ihn? Ah! Das Unglück! Jawohl, das Unglück, das er ſchon den ganzen Abend über geahnt hatte! Oder der Tod? Oder der Wahnſinn? Wer ſaß da hinter dieſen blaßerleuchteten Scheiben ... auf einem Fauteuil ... auf dem Sopha ... irgendwo in ſeinem Zimmer —? Wer kauerte unter dem Tiſche, auf dem Teppich? Wer? Wer? Wer —?
Aber es konnte ja nicht ſein. Es war eine
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ſähe ... wie ſie ausſähe ... wie ſie ausſähe — dieſe
Tapete ... dieſe Tapete ... dieſe Tapete ...?
So lief er weiter, ſeiner Wohnung zu, je näher
er ihr kam, um ſo mehr eilte er, die Schwere ſeiner
Glieder war noch gewachſen, ſie war faſt unerträglich
geworden, ſeinen Kopf fühlte Adam wie eine ſchwere,
amorph verquollene Maſſe, er glaubte, ein dumpfes,
knurrendes Kreiſen in ſeinem Schädel zu verſpüren,
Alles war in ihm erſtorben, todt, wie aufgeſogen
von dem Einen, das er wie eine materielle Laſt in
ſeinem Gehirn empfand ... wie aufgeſogen von der
Frage, die immer wiederkam und ihn ganz ausfüllte —
von der Frage nach der Farbe ſeiner Tapete ...
Und er lief weiter in die Nacht hinein und keuchte
halblaut vor ſich hin: Tapete ... Tapete ...
Tapete ...
Nun ſtand er vor dem Hauſe, in dem er wohnte.
Er ſah unwillkürlich zu ſeinen Fenſtern hinauf.
Oben war Licht.
Adam ſchrak zuſammen. Wer war da oben?
Wer war in ſeinem Zimmer? Wer erwartete ihn
da? Wer? Wer? Wer? Wer lauerte auf ihn? Ah!
Das Unglück! Jawohl, das Unglück, das er ſchon
den ganzen Abend über geahnt hatte! Oder der
Tod? Oder der Wahnſinn? Wer ſaß da hinter
dieſen blaßerleuchteten Scheiben ... auf einem
Fauteuil ... auf dem Sopha ... irgendwo in
ſeinem Zimmer —? Wer kauerte unter dem Tiſche,
auf dem Teppich? Wer? Wer? Wer —?
Aber es konnte ja nicht ſein. Es war eine
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/424>, abgerufen am 25.11.2024.
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