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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Vorstellungen und Gedanken empor, dann dünkte ihn
das Leben unerträglich schaal und überflüssig, es er-
schien ihm als ein Dämon, als ein Ungeheuer, und
der Ekel vor ihm stellte sich in einem zusammen-
schnürenden, inneren Krampfe dar. Wieder überfiel
ihn das Gefühl seiner Einsamkeit, Alles hatte sich
von ihm losgesagt, er war allein, ganz allein. Er
wußte, daß er vor einem großen Unglück stände, er
biß sich fest hinein in die Furcht vor diesem geheim-
nißvollen Unglück, er glaubte an dieses Unglück, er
schauderte zurück, der Dämon wurde immer ge-
waltiger in ihm. Alles war ihm reizlos, er ver-
zweifelte. Die Leidenschaften seiner Seele ver-
achtete er, die Lüge seiner Existenz ging ihm in
schneidender Schärfe auf, vor seiner Verlobungs-
komödie mit Lydia spuckte er aus, er fühlte sich
herabgewürdigt, er hatte ein dumpfes, unklares Ge-
fühl, als wäre er bis auf den Tod beleidigt, als
könnte er nach der Schmach, die ihn getroffen, die
er sich hatte gefallen lassen, nicht mehr leben. So
kam er auf den Tod. Er dachte an den Tod, er
haschte nach klaren, scharfen Eindrücken vom Tode,
er wollte sein Bild zwischen die Zähne des Geistes
ziehen und knirschend zermalmen. Sie sollte ihm
nichts mehr anhaben, die fahle, zerlöcherte Larve.
Aber er konnte das stachlige Gefühl wurmender
Todesfurcht nicht los werden, all' sein Anstemmen,
sein Empören war vergeblich, schließlich summte er
mit verhalten gellender Wut vor sich hin: "O
Thanatos, o Thanatos, wie schwarz sind deine

Vorſtellungen und Gedanken empor, dann dünkte ihn
das Leben unerträglich ſchaal und überflüſſig, es er-
ſchien ihm als ein Dämon, als ein Ungeheuer, und
der Ekel vor ihm ſtellte ſich in einem zuſammen-
ſchnürenden, inneren Krampfe dar. Wieder überfiel
ihn das Gefühl ſeiner Einſamkeit, Alles hatte ſich
von ihm losgeſagt, er war allein, ganz allein. Er
wußte, daß er vor einem großen Unglück ſtände, er
biß ſich feſt hinein in die Furcht vor dieſem geheim-
nißvollen Unglück, er glaubte an dieſes Unglück, er
ſchauderte zurück, der Dämon wurde immer ge-
waltiger in ihm. Alles war ihm reizlos, er ver-
zweifelte. Die Leidenſchaften ſeiner Seele ver-
achtete er, die Lüge ſeiner Exiſtenz ging ihm in
ſchneidender Schärfe auf, vor ſeiner Verlobungs-
komödie mit Lydia ſpuckte er aus, er fühlte ſich
herabgewürdigt, er hatte ein dumpfes, unklares Ge-
fühl, als wäre er bis auf den Tod beleidigt, als
könnte er nach der Schmach, die ihn getroffen, die
er ſich hatte gefallen laſſen, nicht mehr leben. So
kam er auf den Tod. Er dachte an den Tod, er
haſchte nach klaren, ſcharfen Eindrücken vom Tode,
er wollte ſein Bild zwiſchen die Zähne des Geiſtes
ziehen und knirſchend zermalmen. Sie ſollte ihm
nichts mehr anhaben, die fahle, zerlöcherte Larve.
Aber er konnte das ſtachlige Gefühl wurmender
Todesfurcht nicht los werden, all' ſein Anſtemmen,
ſein Empören war vergeblich, ſchließlich ſummte er
mit verhalten gellender Wut vor ſich hin: „O
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[412/0420] Vorſtellungen und Gedanken empor, dann dünkte ihn das Leben unerträglich ſchaal und überflüſſig, es er- ſchien ihm als ein Dämon, als ein Ungeheuer, und der Ekel vor ihm ſtellte ſich in einem zuſammen- ſchnürenden, inneren Krampfe dar. Wieder überfiel ihn das Gefühl ſeiner Einſamkeit, Alles hatte ſich von ihm losgeſagt, er war allein, ganz allein. Er wußte, daß er vor einem großen Unglück ſtände, er biß ſich feſt hinein in die Furcht vor dieſem geheim- nißvollen Unglück, er glaubte an dieſes Unglück, er ſchauderte zurück, der Dämon wurde immer ge- waltiger in ihm. Alles war ihm reizlos, er ver- zweifelte. Die Leidenſchaften ſeiner Seele ver- achtete er, die Lüge ſeiner Exiſtenz ging ihm in ſchneidender Schärfe auf, vor ſeiner Verlobungs- komödie mit Lydia ſpuckte er aus, er fühlte ſich herabgewürdigt, er hatte ein dumpfes, unklares Ge- fühl, als wäre er bis auf den Tod beleidigt, als könnte er nach der Schmach, die ihn getroffen, die er ſich hatte gefallen laſſen, nicht mehr leben. So kam er auf den Tod. Er dachte an den Tod, er haſchte nach klaren, ſcharfen Eindrücken vom Tode, er wollte ſein Bild zwiſchen die Zähne des Geiſtes ziehen und knirſchend zermalmen. Sie ſollte ihm nichts mehr anhaben, die fahle, zerlöcherte Larve. Aber er konnte das ſtachlige Gefühl wurmender Todesfurcht nicht los werden, all' ſein Anſtemmen, ſein Empören war vergeblich, ſchließlich ſummte er mit verhalten gellender Wut vor ſich hin: „O Thanatos, o Thanatos, wie ſchwarz ſind deine

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/420>, abgerufen am 25.11.2024.