Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

elender Mumpitz gewesen, tristes Phrasengequatsche,
fadenscheiniges Blendwerk. Er ein socialer Ver-
geltungsfanatiker? Es war zum Lachen, zum Todt-
lachen. Er liebte die Schönheit und den Glanz,
die heitere Vornehmheit und die geschmackvolle Pracht,
den verständnißvoll arrangirten Luxus, die bestechende
Form und den zwanglos, elegant gesammelten In-
halt. Und jetzt bot sich ihm zum letzten Male dieses
Glück an, dieses Glück, das seinem Wesen und seiner
Gestalt nach ihm einzig congenial war. Er sollte
die Hand, die sich ihm lockend entgegenstreckte, zurück-
weisen, weil es eine Armuth gab, die darbte, ein
Elend, das litt, eine Noth, die nach Rache schrie?
Was ging ihn diese Armuth an? Was dieses Elend?
Was diese Noth, die nach Rache schrie? Was diese
problematische Rache? Nichts, Nichts, Nichts. Hier
ein Weib, das ihn liebte, hier Schönheit und
Fülle, Unabhängigkeit und Sorglosigkeit, hier alle
Instrumente zur Erzeugung seiner Stimmungen,
alle Waffen für Erwerbung großer Genüsse und Er-
lebnisse -- dort ein Haufen Lumpen, Schmutz, Unrath
in brutaler, nackter Nüchternheit, stinkende Fäulniß,
Dunst, Moder, Schweiß, Staub, Dreck -- -- und
er zweifelte noch, was er wählen sollte? Er zauderte
noch? Und alle Wunden, die ihm das kleine, enge,
allenthalben hemmende Leben, dem er sich je und
je hatte unterwerfen müssen, geschlagen und die nur
ein galgenhumoristischer Leichtsinn nothdürftig hatte
vernarben lassen .. sie brachen wieder auf und blu-
teten in erneuter Frische. Aller Demüthigungen,

elender Mumpitz geweſen, triſtes Phraſengequatſche,
fadenſcheiniges Blendwerk. Er ein ſocialer Ver-
geltungsfanatiker? Es war zum Lachen, zum Todt-
lachen. Er liebte die Schönheit und den Glanz,
die heitere Vornehmheit und die geſchmackvolle Pracht,
den verſtändnißvoll arrangirten Luxus, die beſtechende
Form und den zwanglos, elegant geſammelten In-
halt. Und jetzt bot ſich ihm zum letzten Male dieſes
Glück an, dieſes Glück, das ſeinem Weſen und ſeiner
Geſtalt nach ihm einzig congenial war. Er ſollte
die Hand, die ſich ihm lockend entgegenſtreckte, zurück-
weiſen, weil es eine Armuth gab, die darbte, ein
Elend, das litt, eine Noth, die nach Rache ſchrie?
Was ging ihn dieſe Armuth an? Was dieſes Elend?
Was dieſe Noth, die nach Rache ſchrie? Was dieſe
problematiſche Rache? Nichts, Nichts, Nichts. Hier
ein Weib, das ihn liebte, hier Schönheit und
Fülle, Unabhängigkeit und Sorgloſigkeit, hier alle
Inſtrumente zur Erzeugung ſeiner Stimmungen,
alle Waffen für Erwerbung großer Genüſſe und Er-
lebniſſe — dort ein Haufen Lumpen, Schmutz, Unrath
in brutaler, nackter Nüchternheit, ſtinkende Fäulniß,
Dunſt, Moder, Schweiß, Staub, Dreck — — und
er zweifelte noch, was er wählen ſollte? Er zauderte
noch? Und alle Wunden, die ihm das kleine, enge,
allenthalben hemmende Leben, dem er ſich je und
je hatte unterwerfen müſſen, geſchlagen und die nur
ein galgenhumoriſtiſcher Leichtſinn nothdürftig hatte
vernarben laſſen .. ſie brachen wieder auf und blu-
teten in erneuter Friſche. Aller Demüthigungen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0398" n="390"/>
elender Mumpitz gewe&#x017F;en, tri&#x017F;tes Phra&#x017F;engequat&#x017F;che,<lb/>
faden&#x017F;cheiniges Blendwerk. Er ein &#x017F;ocialer Ver-<lb/>
geltungsfanatiker? Es war zum Lachen, zum Todt-<lb/>
lachen. Er liebte die Schönheit und den Glanz,<lb/>
die heitere Vornehmheit und die ge&#x017F;chmackvolle Pracht,<lb/>
den ver&#x017F;tändnißvoll arrangirten Luxus, die be&#x017F;techende<lb/>
Form und den zwanglos, elegant ge&#x017F;ammelten In-<lb/>
halt. Und jetzt bot &#x017F;ich ihm zum letzten Male die&#x017F;es<lb/>
Glück an, die&#x017F;es Glück, das &#x017F;einem We&#x017F;en und &#x017F;einer<lb/>
Ge&#x017F;talt nach ihm einzig congenial war. Er &#x017F;ollte<lb/>
die Hand, die &#x017F;ich ihm lockend entgegen&#x017F;treckte, zurück-<lb/>
wei&#x017F;en, weil es eine Armuth gab, die darbte, ein<lb/>
Elend, das litt, eine Noth, die nach Rache &#x017F;chrie?<lb/>
Was ging ihn die&#x017F;e Armuth an? Was die&#x017F;es Elend?<lb/>
Was die&#x017F;e Noth, die nach Rache &#x017F;chrie? Was die&#x017F;e<lb/>
problemati&#x017F;che Rache? Nichts, Nichts, Nichts. Hier<lb/>
ein Weib, das ihn liebte, hier Schönheit und<lb/>
Fülle, Unabhängigkeit und Sorglo&#x017F;igkeit, hier alle<lb/>
In&#x017F;trumente zur Erzeugung &#x017F;einer Stimmungen,<lb/>
alle Waffen für Erwerbung großer Genü&#x017F;&#x017F;e und Er-<lb/>
lebni&#x017F;&#x017F;e &#x2014; dort ein Haufen Lumpen, Schmutz, Unrath<lb/>
in brutaler, nackter Nüchternheit, &#x017F;tinkende Fäulniß,<lb/>
Dun&#x017F;t, Moder, Schweiß, Staub, Dreck &#x2014; &#x2014; und<lb/>
er zweifelte noch, was er wählen &#x017F;ollte? Er zauderte<lb/>
noch? Und alle Wunden, die ihm das kleine, enge,<lb/>
allenthalben hemmende Leben, dem er &#x017F;ich je und<lb/>
je hatte unterwerfen mü&#x017F;&#x017F;en, ge&#x017F;chlagen und die nur<lb/>
ein galgenhumori&#x017F;ti&#x017F;cher Leicht&#x017F;inn nothdürftig hatte<lb/>
vernarben la&#x017F;&#x017F;en .. &#x017F;ie brachen wieder auf und blu-<lb/>
teten in erneuter Fri&#x017F;che. Aller Demüthigungen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0398] elender Mumpitz geweſen, triſtes Phraſengequatſche, fadenſcheiniges Blendwerk. Er ein ſocialer Ver- geltungsfanatiker? Es war zum Lachen, zum Todt- lachen. Er liebte die Schönheit und den Glanz, die heitere Vornehmheit und die geſchmackvolle Pracht, den verſtändnißvoll arrangirten Luxus, die beſtechende Form und den zwanglos, elegant geſammelten In- halt. Und jetzt bot ſich ihm zum letzten Male dieſes Glück an, dieſes Glück, das ſeinem Weſen und ſeiner Geſtalt nach ihm einzig congenial war. Er ſollte die Hand, die ſich ihm lockend entgegenſtreckte, zurück- weiſen, weil es eine Armuth gab, die darbte, ein Elend, das litt, eine Noth, die nach Rache ſchrie? Was ging ihn dieſe Armuth an? Was dieſes Elend? Was dieſe Noth, die nach Rache ſchrie? Was dieſe problematiſche Rache? Nichts, Nichts, Nichts. Hier ein Weib, das ihn liebte, hier Schönheit und Fülle, Unabhängigkeit und Sorgloſigkeit, hier alle Inſtrumente zur Erzeugung ſeiner Stimmungen, alle Waffen für Erwerbung großer Genüſſe und Er- lebniſſe — dort ein Haufen Lumpen, Schmutz, Unrath in brutaler, nackter Nüchternheit, ſtinkende Fäulniß, Dunſt, Moder, Schweiß, Staub, Dreck — — und er zweifelte noch, was er wählen ſollte? Er zauderte noch? Und alle Wunden, die ihm das kleine, enge, allenthalben hemmende Leben, dem er ſich je und je hatte unterwerfen müſſen, geſchlagen und die nur ein galgenhumoriſtiſcher Leichtſinn nothdürftig hatte vernarben laſſen .. ſie brachen wieder auf und blu- teten in erneuter Friſche. Aller Demüthigungen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/398
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/398>, abgerufen am 25.11.2024.