"Wie Sie wollen, Herr Doctor .. doch muß ich Ihnen nun bemerken, daß damit die Sache auch auf- gehört hat, mich zu interessiren. Ihnen -- Ihnen persönlich hätte ich vielleicht -- ja! sicher geholfen, denn Sie sind -- sind mir -- -- doch das -- das gehört nicht hierher -- -- für Menschen dagegen, die mir vollkommen fremd und unbekannt sind, habe ich kein so starkes Interesse, daß ich für sie Opfer bringen könnte .. Meine ehrliche Meinung, Herr Doctor --!"
Lydia hatte sich von dem Stuhle, auf dem sie seit dem Beginn des Gesprächs gesessen, erhoben und war an ihren Schreibtisch getreten. Sie stand da, den Kopf ein Wenig geneigt, die volle, elegante Büste prachtvoll zum Ausdruck gebracht. Sie hatte ein kleines, gläsernes Lineal ergriffen, mit welchem sie auf einem Briefbeschwerer herumtrommelte.
"So --!" sagte Adam kalt und herb und erhob sich ebenfalls. "Gnädige Frau scheinen allerdings sehr merkwürdige moralische Prinzipien zu haben --"
"Wieso --?" Lydia schnellte herum und hielt Adam mit großen, funkelnden Augen fest.
"Wieso --? Na! mein Gott, das ist doch einleuchtend! Wenn Sie so subjektiv, so willkürlich sind in der Ausübung Ihrer Menschenpflicht, so möchte ich beinahe glauben -- verzeihen Sie gütigst meine Keckheit! -- daß Sie überhaupt gar nicht wissen, was eigentlich -- --"
"Herr Doctor --!"
"Gnädige Frau --?"
"Sie scheinen gewisse .. unartige Gewohnheiten
„Wie Sie wollen, Herr Doctor .. doch muß ich Ihnen nun bemerken, daß damit die Sache auch auf- gehört hat, mich zu intereſſiren. Ihnen — Ihnen perſönlich hätte ich vielleicht — ja! ſicher geholfen, denn Sie ſind — ſind mir — — doch das — das gehört nicht hierher — — für Menſchen dagegen, die mir vollkommen fremd und unbekannt ſind, habe ich kein ſo ſtarkes Intereſſe, daß ich für ſie Opfer bringen könnte .. Meine ehrliche Meinung, Herr Doctor —!“
Lydia hatte ſich von dem Stuhle, auf dem ſie ſeit dem Beginn des Geſprächs geſeſſen, erhoben und war an ihren Schreibtiſch getreten. Sie ſtand da, den Kopf ein Wenig geneigt, die volle, elegante Büſte prachtvoll zum Ausdruck gebracht. Sie hatte ein kleines, gläſernes Lineal ergriffen, mit welchem ſie auf einem Briefbeſchwerer herumtrommelte.
„So —!“ ſagte Adam kalt und herb und erhob ſich ebenfalls. „Gnädige Frau ſcheinen allerdings ſehr merkwürdige moraliſche Prinzipien zu haben —“
„Wieſo —?“ Lydia ſchnellte herum und hielt Adam mit großen, funkelnden Augen feſt.
„Wieſo —? Na! mein Gott, das iſt doch einleuchtend! Wenn Sie ſo ſubjektiv, ſo willkürlich ſind in der Ausübung Ihrer Menſchenpflicht, ſo möchte ich beinahe glauben — verzeihen Sie gütigſt meine Keckheit! — daß Sie überhaupt gar nicht wiſſen, was eigentlich — —“
„Herr Doctor —!“
„Gnädige Frau —?“
„Sie ſcheinen gewiſſe .. unartige Gewohnheiten
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0389"n="381"/><p>„Wie Sie wollen, Herr Doctor .. doch muß ich<lb/>
Ihnen nun bemerken, daß damit die Sache auch auf-<lb/>
gehört hat, mich zu intereſſiren. Ihnen — Ihnen<lb/>
perſönlich hätte ich vielleicht — ja! ſicher geholfen,<lb/>
denn Sie ſind —ſind mir —— doch das — das<lb/>
gehört nicht hierher —— für Menſchen dagegen, die<lb/>
mir vollkommen fremd und unbekannt ſind, habe ich<lb/>
kein ſo ſtarkes Intereſſe, daß ich für ſie Opfer bringen<lb/>
könnte .. Meine ehrliche Meinung, Herr Doctor —!“</p><lb/><p>Lydia hatte ſich von dem Stuhle, auf dem ſie<lb/>ſeit dem Beginn des Geſprächs geſeſſen, erhoben und<lb/>
war an ihren Schreibtiſch getreten. Sie ſtand da,<lb/>
den Kopf ein Wenig geneigt, die volle, elegante Büſte<lb/>
prachtvoll zum Ausdruck gebracht. Sie hatte ein<lb/>
kleines, gläſernes Lineal ergriffen, mit welchem ſie<lb/>
auf einem Briefbeſchwerer herumtrommelte.</p><lb/><p>„So —!“ſagte Adam kalt und herb und erhob<lb/>ſich ebenfalls. „Gnädige Frau ſcheinen allerdings <hirendition="#g">ſehr</hi><lb/>
merkwürdige moraliſche Prinzipien zu haben —“</p><lb/><p>„Wieſo —?“ Lydia ſchnellte herum und hielt<lb/>
Adam mit großen, funkelnden Augen feſt.</p><lb/><p>„Wieſo —? Na! mein Gott, das iſt doch<lb/>
einleuchtend! Wenn Sie ſo ſubjektiv, ſo willkürlich<lb/>ſind in der Ausübung Ihrer Menſchenpflicht, ſo<lb/>
möchte ich beinahe glauben — verzeihen Sie gütigſt<lb/>
meine Keckheit! — daß Sie überhaupt gar nicht<lb/>
wiſſen, was eigentlich ——“</p><lb/><p>„Herr Doctor —!“</p><lb/><p>„Gnädige Frau —?“</p><lb/><p>„Sie ſcheinen gewiſſe .. unartige Gewohnheiten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[381/0389]
„Wie Sie wollen, Herr Doctor .. doch muß ich
Ihnen nun bemerken, daß damit die Sache auch auf-
gehört hat, mich zu intereſſiren. Ihnen — Ihnen
perſönlich hätte ich vielleicht — ja! ſicher geholfen,
denn Sie ſind — ſind mir — — doch das — das
gehört nicht hierher — — für Menſchen dagegen, die
mir vollkommen fremd und unbekannt ſind, habe ich
kein ſo ſtarkes Intereſſe, daß ich für ſie Opfer bringen
könnte .. Meine ehrliche Meinung, Herr Doctor —!“
Lydia hatte ſich von dem Stuhle, auf dem ſie
ſeit dem Beginn des Geſprächs geſeſſen, erhoben und
war an ihren Schreibtiſch getreten. Sie ſtand da,
den Kopf ein Wenig geneigt, die volle, elegante Büſte
prachtvoll zum Ausdruck gebracht. Sie hatte ein
kleines, gläſernes Lineal ergriffen, mit welchem ſie
auf einem Briefbeſchwerer herumtrommelte.
„So —!“ ſagte Adam kalt und herb und erhob
ſich ebenfalls. „Gnädige Frau ſcheinen allerdings ſehr
merkwürdige moraliſche Prinzipien zu haben —“
„Wieſo —?“ Lydia ſchnellte herum und hielt
Adam mit großen, funkelnden Augen feſt.
„Wieſo —? Na! mein Gott, das iſt doch
einleuchtend! Wenn Sie ſo ſubjektiv, ſo willkürlich
ſind in der Ausübung Ihrer Menſchenpflicht, ſo
möchte ich beinahe glauben — verzeihen Sie gütigſt
meine Keckheit! — daß Sie überhaupt gar nicht
wiſſen, was eigentlich — —“
„Herr Doctor —!“
„Gnädige Frau —?“
„Sie ſcheinen gewiſſe .. unartige Gewohnheiten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/389>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.